Anja SchulzFDP - Vereinbarte Debatte zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, müssen wir immer auch unsere Sozialversicherungssysteme im Blick haben. Aktuell werde ich oft gefragt, warum ich mich bei Energiekrise, Krieg in Europa und Inflation überhaupt mit dem Thema Rente beschäftige. So weit in die Zukunft zu schauen, ist aktuell nicht für jeden naheliegend, jetzt, wo es so viel wichtigere und drängendere Themen gibt.
Die Energiekrise darf aus dem Dauerbrenner Rente allerdings keine Sparflamme machen.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Es wird immer Probleme geben, die akuter sind. Trotzdem müssen wir aufhören, uns vor der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen zu ducken. Das wäre mal nachhaltig.
(Beifall bei der FDP)
Die Klima- und die Rentenpolitik teilen ein trauriges Schicksal. Jahrzehntelang waren sie geprägt von einer Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität. Das darf in dieser Legislaturperiode nicht wieder passieren.
Die Grundidee des umlagefinanzierten Systems passt nicht zu unserer Demografie. Es ist nicht nachhaltig, und das weiß man seit Jahrzehnten. Der Altersquotient, also das Verhältnis von Menschen im Erwerbsalter zu Menschen im Rentenalter, wird von derzeit knapp 3 : 1 in den nächsten Jahren auf 2 : 1 sinken. Die blanken Zahlen sprechen eine eindeutige und dramatische Sprache: Weil die Umlage nicht mehr ausreicht, werden bereits heute 100 Milliarden Euro
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Frau Schulz, das ist falsch!)
aus Steuermitteln in die Rente gesteckt. Würden wir diesen Betrag, diese 100 Milliarden Euro in 100-Euro-Scheinen stapeln, hätten wir einen Berg, der höher wäre als der Mount Everest, über 10 000 Meter hoch. Der deutsche Rentenberg ist damit also der höchste Berg der Welt und damit alles, aber ganz sicher nicht nachhaltig.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch!)
Um uns endlich aus diesem Rentendilemma zu befreien, sind wir bereits den ersten Schritt gegangen und haben den Nachholfaktor wiedereingeführt.
(Beifall bei der FDP)
Wir gehen mit der Ampel jetzt einen weiteren richtigen Schritt und sorgen für eine nachhaltige Finanzierung. Wir führen eine teilweise Kapitaldeckung ein; es wird ein Fonds gebildet, der dafür sorgt, dass die Beitragssätze und auch die Rentenhöhen in der Zukunft stabil bleiben.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein!)
Außerdem werden wir den Renteneintritt flexibilisieren. Wir werden einen Zuverdienst nicht mehr mit der Anrechnung auf die Rente abstrafen; denn gerade jetzt, im Hinblick auf den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel, sollten wir Teilzeitrentnern, die wollen und können, die Möglichkeit bieten, weiterhin zu arbeiten.
(Beifall bei der FDP)
Es soll individuellen Spielraum geben, der freie Entscheidungen ermöglicht und bei dem der Taschenrechner nicht zu dem Ergebnis kommt, dass sich Arbeiten im Alter nicht mehr lohnt.
Unsere rentenpolitischen Forderungen sind nicht nur ein wichtiger Schritt für eine nachhaltige Finanzierung, sondern vor allem das Signal an junge Menschen, an nachfolgende Generationen, dass sie dem Staat vertrauen können, dass Generationengerechtigkeit – so, wie es bisher war – keine Phrase bleibt, sondern wirklich gelebt wird. Alle Bürger, auch wenn sie noch nicht wählen können, haben ein Recht darauf, von der Politik geachtet zu werden. Das ist nachhaltig.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Anke Domscheit-Berg.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546415 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie |