Andrea LindholzCDU/CSU - Schutz vor sexuellem Missbrauch, IP-Adr.-speicherung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Schutz von Kindern vor Gewalt und Missbrauch ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Kinder können sich nicht zur Wehr setzen und leiden meist ein Leben lang unter den Folgen sexuellen Missbrauchs.
Dieses Zitat der ehemaligen Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch, Frau Dr. Christine Bergmann, macht klar, worum es in der Debatte heute geht. Wir debattieren heute darüber, wie wir die fast 14 Millionen Kinder und Jugendlichen in Deutschland mit einem ganz konkreten Vorschlag besser vor sexuellem Missbrauch schützen können.
Der Europäische Gerichtshof hat in der letzten Woche ein seit Langem erwartetes Urteil verkündet. In diesem Urteil hat er klargestellt, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine befristete anlasslose Speicherung von IP‑Adressen zulässig ist, und genau das fordern wir auch in unserem heute vorliegenden Antrag. Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Urteilen wie auch in diesem aktuellen Urteil klargestellt – und da sind wir uns hier sicherlich alle einig –, dass es sich bei sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen um ein abscheuliches Verbrechen handelt und vor allen Dingen um schwere Kriminalität, und auch die Herstellung und Verbreitung von Fotos und Videos von diesen widerlichen Taten zählen zweifellos zur schweren Kriminalität.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Warum ist aber gerade hier die IP‑Adressen-Speicherung so dringend notwendig? Das Internet hat dazu geführt, dass Kinderschänder diese Fotos und Videos viel einfacher verbreiten können. Mit mehr als 39 000 Fällen im Jahr 2021 haben sich die Fallzahlen im Vergleich zu davor quasi verdoppelt. Es sind sage und schreibe 15 000 Fälle sexuellen Kindesmissbrauches im vergangenen Jahr beim Bundeskriminalamt verzeichnet worden, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nur die bekannten Fälle. Es zeigt sich also: Es gibt dringenden Handlungsbedarf.
Die Aussagen der Ermittler, also der Praktiker, zu diesem Thema sind eindeutig. Erstens sagen sie: Die IP‑Adresse des Computers oder des Endgerätes, mit dem eine entsprechende Datei erworben, verbreitet, weitergegeben oder bereitgestellt wird, ist meistens der einzige Ermittlungsansatz für die Ermittler. Das sieht im Übrigen auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil so – und ich darf daraus auszugsweise zitieren –:
Zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch, Kinderpornografie und Ausbeutung von Kindern …
Die IP‑Adresse kann der einzige Anhaltspunkt sein, der es ermöglicht, die Identität der Person zu ermitteln, der diese Adresse zugewiesen war, als die Tat begangen wurde.
Das sagt und schreibt der Europäische Gerichtshof.
Zweitens. Immer wieder kann die IP‑Adresse einem konkreten Endgerät nicht mehr zugeordnet werden, weil die Daten bereits gelöscht sind. In den vergangenen fünf Jahren konnten so 19 550 Hinweise auf sexuellen Missbrauch in Deutschland nicht aufgeklärt werden.
Drittens. Wir brauchen daher eine mehrere Monate dauernde Speicherpflicht. Wir schlagen sechs Monate vor. Wir brauchen das, um Kinderschänder und ihre Netzwerke aufzudecken und auch um laufenden sexuellen Missbrauch zu verhindern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und schließlich viertens. Der sogenannte Quick-Freeze-Vorschlag der FDP, der besagt, dass man erst bei einem konkreten Verdacht eine IP‑Adressen-Speicherung zulassen soll, ist und bleibt ein Placebo. Auch die Ermittler teilen uns ganz klar mit: Mit diesem Vorgehen würden viele Ermittlungen ins Leere laufen. Denn Daten, liebe Kolleginnen und Kollegen, die schon gelöscht wurden, können auch nicht mehr eingefroren werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es war mit der SPD in der vergangenen Legislaturperiode nicht möglich, eine Neuregelung zu fassen. In der Zwischenzeit hat aber Frau Bundesinnenministerin Faeser – offensichtlich nach Rücksprache mit den Praktikern – die Notwendigkeit der IP‑Adressen-Speicherung erkannt. Umso beschämender für die Opfer und für diejenigen, die wir vor sexuellem Missbrauch schützen wollen, ist es aber, dass die FDP, allen voran der von ihr gestellte Justizminister, sich nach wie vor gegen die von uns geforderte IP‑Adressen-Speicherung ausspricht,
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
gerade auch erst wieder in dieser Woche, obwohl Herr Buschmann selbst hier in diesem Haus noch im Mai bei der Regierungsbefragung gesagt hat, er wolle den Ermittlungsbehörden Instrumente an die Hand geben, die sie wirklich nutzen können. – Das wollen Sie offensichtlich nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre haben Sie nichts gemacht! Meine Güte! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Guter Mann, der Buschmann!)
Er hat ausdrücklich mitgeteilt, dass man die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes akzeptieren sollte. Ja, dann akzeptieren Sie die Entscheidung und machen Sie Gebrauch von der Möglichkeit der IP‑Adressen-Speicherung.
Sie haben gerade geklatscht. Ich will Ihnen zum Abschluss nur eines sagen: Dieses Klatschen ist beschämend für alle Opfer und für alle diejenigen, die wir schützen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ihr Antrag ist beschämend! – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und am Ende muss der Bundeskanzler ein Machtwort sprechen, wenn bei Ihnen Datenschutz vor Täterschutz gehen soll.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das ist so durchschaubar! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Denken Sie sich mal was Neues aus!)
Herr Kollege Höferlin, möchten Sie das Wort zu einer Kurzintervention? Ich frage, weil die Redezeit schon vorbei war. – Okay.
Dann ist die nächste Rednerin in der Debatte die Kollegin Sonja Eichwede aus der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546446 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Schutz vor sexuellem Missbrauch, IP-Adr.-speicherung |