Sonja EichwedeSPD - Schutz vor sexuellem Missbrauch, IP-Adr.-speicherung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor fast genau einem Jahr wurde der 20. Deutsche Bundestag gewählt. Erstmalig gewählte Abgeordnete wie ich haben in diesem Jahr sehr viel gelernt, auch viele Routinen, darunter die Routine, dass die Union durch ihre Anträge immer wieder versucht, komplexe gesellschaftliche Probleme mit einfachen Lösungen zu beantworten.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber diese einfachen Lösungen gibt es bei komplexen Problemen nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
Komplexe gesellschaftliche Probleme brauchen differenzierte Antworten gerade in einem Rechtsstaat, damit sie auch rechtssicher sind. Das hat doch zuletzt die Entscheidung des EuGH gezeigt.
Wir reden hier in der Tat über eines der sensibelsten gesellschaftlichen Probleme: Wir reden über den Schutz unserer Kinder, wir reden über den Schutz von Grundrechten, und wir reden über die Befugnisse unserer Ermittlungsbehörden, um ebendiese Grundrechte zu schützen, die Grundrechte der gesamten Bevölkerung ebenso wie die Grundrechte unserer Kinder, die es auch gibt, sehr geehrte Unionsfraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich versuche jetzt, mit etwas Ruhe und Differenziertheit in die Debatte einzusteigen.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder müssen wir bekämpfen. Wir brauchen dafür natürlich auch technische Lösungen; wir brauchen dafür aber auch eine Stärkung der Prävention gegen diesen sexuellen Missbrauch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der wichtigste Punkt ist dabei die Rechtssicherheit und die Effektivität der entsprechenden Instrumente, eine Rechtssicherheit, die es in den letzten Jahren eben nicht gab. Deren Notwendigkeit wurde aber durch die höchstrichterliche Rechtsprechung immer wieder betont. Deshalb müssen wir eine Antwort finden. Die nun als rechtswidrig festgestellte anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist eben kein effektives Mittel zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern.
Auch letzte Woche hat der EuGH in seinem Urteil festgestellt, dass die anlasslose Speicherung technischer Daten durch Anbieter nicht rechtssicher ist. Wir wollen sehr schnell und sehr klar eine anlassbezogene Speicherung schaffen, um die Aufklärung von schweren Straftaten zu gewährleisten.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das sieht die Frau Innenministerin etwas anders! Also, die SPD unterstützt das! – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das ist ein normaler Zustand der Ampel: Gehampel!)
Wir brauchen einen Ausgleich zwischen den betroffenen Freiheitsrechten und der Sicherheit. Wir brauchen eine solide Verhältnismäßigkeitsprüfung und eine effektive Bekämpfung von Straftaten bei Kindesmissbrauch.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Da hat das Innenministerium eine komplett falsche Einschätzung!)
Sowohl das Bundesinnenministerium als auch das Justizministerium arbeiten daran, die seit Jahren andauernde Rechtsunsicherheit durch effektive Konzepte endlich zu beheben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deshalb ist es sehr, sehr gut, dass die Bundesregierung bereits jetzt an einem Konzept für Quick Freeze arbeitet und einen Gesetzesvorschlag schnell vorlegen wird. Wir arbeiten daran, das Urteil entsprechend umzusetzen. Wir werden dabei zugleich alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen und weitere prüfen, um schwerste Straftaten und Kriminalität rechtssicher zu bekämpfen.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: In einer Rede zwei Aussagen!)
Zudem wollen wir mit der Log-in-Falle ein ergänzendes Instrument schaffen, um Täterinnen und Täter zu identifizieren.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Da spricht eine, die hat keine Ahnung!)
Dies sind erste wichtige Schritte bei der Bekämpfung von schwerster Kriminalität. Hier stehen wir selbstverständlich auch im Austausch mit unseren Ermittlungsbehörden, um in der Praxis technisch umsetzbare und gute Instrumente zu finden und zu schaffen,
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sprechen Sie mal mit Kollege Fiedler aus Ihren Reihen! Der sagt Ihnen dann mehr!)
die es bisher so nicht gab.
Aber auch die Ermittlungsbehörden und Strafverfolgungsbehörden müssen wir insbesondere technisch und personell besser ausstatten, um sexuellen Missbrauch, Hetze im Netz, Cyberstraftaten und Terrorismus besser bekämpfen zu können. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, dabei haben wir keine Scheuklappen auf. Wir suchen aber nach rechtssicheren Wegen, was mit Ihnen in der Großen Koalition nicht möglich war.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber um in dieser Debatte auch wirklich sachlich zu bleiben, lohnt sich ein Blick auf die Zahlen. Betonen möchte ich dabei,
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
dass natürlich jede Straftat und jede nicht aufgeklärte Straftat eine zu viel ist. Waren es 2017 noch 39,8 Prozent der strafrechtlich relevanten Meldungen des NCMEC von IP‑Adressen, die keinem Anschluss zuzuordnen waren, so waren es 2021 nur noch 3,4 Prozent.
(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: 72 000, Frau Kollegin Lindholz!)
Von daher ist es doch gerade so, dass die Instrumente, die wir haben, die wir noch ausbauen werden, und der Ansatz, den wir verfolgen, bei der Kriminalitätsbekämpfung wirken, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Und das als Richterin! Mein Gott! Das darf nicht wahr sein!])
Das entspricht nicht dem Bild, das Sie hier zeichnen wollen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sprechen Sie mal mit Herrn Fiedler, SPD-Kollege, und Ihrer Innenministerin!)
96 Prozent sind zwar immer noch 4 Prozent zu wenig. Aber diese Zahl kann sich sehen lassen. Wir arbeiten mit den entsprechenden Instrumenten weiter an einer Verbesserung. Das wissen Sie auch; denn Sie, Herr de Vries, haben vor Kurzem eine entsprechende parlamentarische Anfrage an den Staatssekretär Saathoff gestellt.
Lassen Sie mich aber noch darauf hinweisen, dass es bei der Bekämpfung dieser Kriminalität auch sehr wichtig ist, präventiv vorzugehen,
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wahnsinn! Das ist nicht wahr hier!)
um den sexuellen Missbrauch von Kindern zu bekämpfen. Dafür brauchen wir eine bessere gesellschaftliche Sensibilisierung, eine Stärkung der Beauftragten für Kindesmissbrauch, bessere Schutzkonzepte in Kitas und Schulen. Insgesamt müssen wir hervorheben, dass Kinder Träger von Rechten und Träger von Grundrechten sind und sie am besten geschützt werden, wenn die Kinderrechte auch im Grundgesetz verankert werden.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Ist das jetzt Ihre Lösung für das Problem?)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, Sie sind herzlich eingeladen, unserem Vorhaben, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, zuzustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Da sind die noch stolz drauf! Das ist das Allerschlimmste! Wo ist die SPD? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wie peinlich war das denn!)
Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Fabian Jacobi das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546447 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Schutz vor sexuellem Missbrauch, IP-Adr.-speicherung |