29.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 57 / Zusatzpunkt 1

Gabriela HeinrichSPD - Aktuelle Stunde zu den Protesten in Iran nach dem Tod von Mahsa Jina Amini

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben Angst vor meinem Haar. Sie haben Angst vor meiner Stimme. Sie haben Angst vor meinem Körper. Ich als Frau kann ein ganzes Regime verängstigen. – Das ist ein Zitat der iranischen Journalistin Masih Alinejad. Besser kann man es nicht beschreiben.

Gerade in diesen Tagen gehen im Iran Tausende Menschen auf die Straße. Sie gehen für ihre Rechte, für ihre Freiheit und für ihre Selbstbestimmung auf die Straße, allen voran die Frauen, die auf offener Straße ihre Schleier verbrennen. Für uns unvorstellbar, riskieren sie dabei Leib und Leben. Sie nehmen es mit einem Regime auf, das mit brutaler Repression reagiert. Weit über 1 000 Menschen wurden festgenommen. Ungefähr 60 wurden getötet. Und das sind nur die ungefähren staatlichen Angaben. In Wahrheit sind die Zahlen wohl viel höher. All diesen mutigen Frauen und Männern gilt unsere volle Solidarität.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Die Menschen in Iran sind wütend. Mahsa Amini musste mit nur 22 Jahren sterben. Ihr Tod war der Anlass für die aktuellen Proteste. Die Wurzeln der Wut reichen aber viel tiefer. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Frau von der Sittenpolizei misshandelt wird. Es ist auch nicht das erste Mal, dass auf Proteste willkürliche Verhaftungen und Folter folgen.

Eines muss uns allen klar sein: Hier geht es nicht um den Hidschab und ob er falsch saß. Hier geht es auch nicht um Religion. Hier geht es um Kontrolle – über die Körper, über die Selbstbestimmung und über die Freiheit von Frauen. Und eigentlich geht es um die Freiheit im Iran insgesamt. Denn nicht nur die Frauen wünschen sich Freiheit, sondern natürlich auch Männer. Und sie haben eines gemeinsam: Sie wehren sich gegen die Unterdrückung.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Der Zwang zum Tragen des Schleiers ist das sichtbarste Symbol einer systematischen Repression. Die iranische Regierung macht ihre Macht abhängig von der Unterdrückung von Frauen, weil sie Angst hat. Sie fürchtet, dass jede Art von Lockerung ihre Macht gefährdet. Was wir hier sehen, ist der Überlebenskampf eines Systems, das sich schon lange selbst überlebt hat. Und es ist auch der Überlebenskampf des Patriarchats.

Mahsa Amini musste sterben, weil sie eine Frau war. Ihr Tod macht einmal mehr bewusst: Feministische und menschenrechtsgeleitete Außenpolitik sind eins. Denn nur in einer Gesellschaft, in der Menschenrechte für alle gleichermaßen gelten, kann es Frieden, kann es Sicherheit geben, und das bedeutet immer auch und vor allem Freiheit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir nehmen diese eklatanten Menschenrechtsverletzungen nicht hin. Wir verurteilen die schweren Verstöße gegen Frauenrechte und die brutalen Repressionen gegen Demonstrierende. Menschen, die ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen, dürfen nicht willkürlich inhaftiert werden, nirgendwo auf der Welt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Das müssen wir der Regierung im Iran deutlich machen, und das tun wir auch. Wir fordern den Iran auf, sofort eine unabhängige Untersuchung zuzulassen, um diesen Fall restlos aufzuklären. Es ist gut, dass Außenministerin Baerbock das Thema in den VN‑Menschenrechtsrat bringt. Mit unseren Partnern in der EU werden wir über weitere Konsequenzen sprechen. Dazu gehören auch gezielte Sanktionen gegen Verantwortliche.

Wir signalisieren dem Iran: Wir stehen fest an der Seite der Menschen, die für ihre Rechte eintreten, und wir stehen fest an der Seite der Familie Amini. Dort nannte man Mahsa – die Außenministerin hat es gesagt – bei ihrem kurdischen Namen, Jina. Iranische Behörden erkennen kurdische Namen aber nicht an. Auch das ist ein Werkzeug staatlicher Unterdrückung. Auf Jina Aminis Grabstein steht: Du bist nicht gestorben. – Und sinngemäß: Dein Name ist ein Symbol. – Ich füge hinzu: ein Symbol auch für uns, für Freiheit und für Menschenrechte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])

Das Wort hat der Abgeordnete Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546492
Wahlperiode 20
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Protesten in Iran nach dem Tod von Mahsa Jina Amini
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