Dorothee BärCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Protesten in Iran nach dem Tod von Mahsa Jina Amini
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich finde es gut, dass wir uns heute im Deutschen Bundestag mit diesem Thema beschäftigen, dass wir nicht nur draußen darüber sprechen – so wie gestern bei den Demonstrationen, bei den Kundgebungen –, sondern auch hier im Deutschen Bundestag, im Parlament, wo die Debatte hingehört. Auch hier sollten wir der Lage der iranischen Frauen gedenken.
Warum? Weil viele von uns gestern überparteilich erst beim Deutschen Frauenrat, am Nachmittag auch bei HAWAR.help und bei unterschiedlichen Veranstaltungen waren und weil wir einfach gespürt haben – es wurde eben schon angesprochen –, dass wir auf Demonstrationen gehen und skandieren konnten, dass wir die Geschichten nacherzählen konnten, dass uns aber eines von den Frauen im Iran unterscheidet: Unsere Demonstrationen gestern haben natürlich überhaupt keinen Mut erfordert. Es ist eine Selbstverständlichkeit, in unserem Land auf die Straße zu gehen. Für uns alle ist es auch eine Selbstverständlichkeit, so gekleidet auf diese Demonstrationen zu gehen, wie wir gekleidet sein wollen.
Deshalb möchte ich auch im Namen unserer Fraktion all den mutigen Frauen, die, wenn sie auf eine Demonstration gehen, eben nicht wissen, ob sie abends wieder nach Hause kommen – die Geschichten wurden ja erzählt –, wirklich noch einmal ganz herzlich danken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir alle, die wir heute hier sind, kennen die Geschichte von Jina Mahsa Amini; aber ich möchte es trotzdem noch einmal plastisch vor Augen führen. Sie war mit ihrem Bruder in Teheran zu Besuch. Sie wurde am 13. September von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen, weil ihr Hidschab, ihr Kopftuch, zu locker gewesen sei; man hätte ja Haare sehen können. Die Vorstellung, dass das ein Grund ist, jemanden zu Tode zu foltern, ist vielleicht gerade für die jungen Menschen auf der Tribüne unfassbar. Wenige Stunden später ist sie mit schweren Kopfverletzungen ins Koma gefallen und im Polizeigewahrsam gestorben – mit 22 Jahren. Wir schreiben das Jahr 2022.
Blicken wir 43 Jahre zurück – das ist eine Zeit, wo viele, die jetzt hier im Bundestag sind, noch gar nicht auf der Welt waren – ins Jahr 1979, als die UN‑Vollversammlung in New York das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die sogenannte Frauenrechtskonvention, verabschiedet hat. Der Iran ist natürlich keiner der 186 Staaten, die das Ganze ratifiziert haben. Wenn man überlegt, dass seit 1979 dieses theokratische System den Iran beherrscht, dann hoffe ich, dass der Tod von Jina Mahsa Amini dazu beiträgt, dass dieses Regime endlich gebrochen werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es sind nicht nur die brutalsten Handlungen der Unterdrückung im Iran, die wir jetzt sehen. Warum hat das Ganze das jetzt ausgelöst? Weil es gesehen wird, weil es Bilder gibt. Es ja nicht der erste Fall und kein Einzelfall. Die iranische Justiz rechtfertigt für freiheitliche Nationen unvorstellbare Gräuel: Es gibt Hinrichtungen von Frauen, es gibt Steinigungen, es gibt Ehrenmorde, es gibt Folter, es gibt Missbrauch, häusliche Gewalt, Kinderehen – all das gehört zum Alltag im Iran. Das heißt: Frauenfeindlichkeit per Gesetz.
Die Menschen kämpfen für die Freiheit, für ihre Rechte, für die Rechte der Frauen – aber ehrlicherweise nicht nur für die Rechte der Frauen, auch für Menschen, die anders leben, und für Menschen, die anders lieben. Die Frauen, die auf die Straße gehen, ihre Kopftücher verbrennen, sich ihre Haare schneiden lassen, sind gestern auch auf uns zugekommen und haben gesagt: Seid bitte für unsere Verwandten vor Ort die Stimme! Seid ihr die Bilder, seid ihr das Internet, das wir momentan nicht haben!
Sehr geehrte Frau Bundesaußenministerin, ich persönlich, aber auch viele in meiner Fraktion finden es sehr gut, dass es auch eine feministische Außenpolitik gibt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Ich finde schon, dass die Gewalt im Iran der Lackmustest der feministischen Außenpolitik ist, gerade bei den Frauen im Iran. Mir hat schon wehgetan, dass gestern bei den Demonstrationen – das sind auch Ihre Unterstützerinnen und Unterstützer – Schilder hochgehalten wurden, auf denen gefragt wird: Wo ist denn jetzt die feministische Außenpolitik? – Ronya Othmann hat in der „FAZ“ in ihrem Brief „Für Jina“ geschrieben:
Und bei all dem Gerede über feministische Außenpolitik, wo ist die feministische Außenpolitik, wenn man sie braucht? Mögen den schönen Worten Taten folgen.
Das unterstreiche ich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben uns an Ihrer Seite. Es muss dringend Taten geben. Es muss personenbezogene Sanktionen geben, dass sich die Sittenwächter, die im Iran kraft Amtes morden und foltern, nicht mehr hier aufhalten können, dass sie nicht mehr von ihren satten Bankkonten zehren können. Es muss eine neue Iran-Strategie der Bundesregierung geben. Ich möchte mich da meinem Kollegen der FDP anschließen.
Ich bin dankbar und würde mich wirklich freuen, wenn Ihre Rede zum Maßstab der Bundesregierung werden würde, damit dieses dröhnende Schweigen, das wir zwei Wochen gehört haben, beendet wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bijan Djir-Sarai [FDP])
Für die SPD-Fraktion hat nun Dr. Nils Schmid das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546497 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Protesten in Iran nach dem Tod von Mahsa Jina Amini |