29.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 57 / Zusatzpunkt 1

Nils SchmidSPD - Aktuelle Stunde zu den Protesten in Iran nach dem Tod von Mahsa Jina Amini

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „ Frau, Leben, Freiheit“, mit diesen Rufen sind viele Tausende mutige Frauen auf der Straße in vielen Städten des Irans. Sie kämpfen gegen die strukturelle Unterdrückung. Sie kämpfen für die Freiheit, und sie beweisen einmal mehr und rufen uns allen auch in Deutschland in Erinnerung: Frauenrechte sind Menschenrechte.

Wenn Frauen für ihre Rechte auf die Straße gehen, kämpfen sie immer auch für die Rechte und Freiheitsrechte der Männer, nicht nur für die der Frauen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie kämpfen für die Freiheit der Gesellschaft, für Bürgerinnen- und Bürgerrechte. Deshalb ist der Zustand der Frauenrechte immer auch der Maßstab für den Zustand der Menschenrechte in einer jeden Gesellschaft und einem jeden Staatswesen.

Wir müssen leider festhalten, dass der Iran, die Islamische Republik Iran, trotz aller Bemühungen, Frauen beispielsweise in Bildung und Ausbildung nach vorne zu bringen, strukturell frauenfeindlich und damit auch strukturell menschenrechtsfeindlich ist. Deshalb ist richtig, dass die feministische Außenpolitik – so wie die Außenministerin sie formuliert hat – an die Strukturen im Iran und in anderen Staaten und Gesellschaften dieser Welt geht. Deshalb kann ich den Vorwurf, Frau Bär, nicht nachvollziehen, es würde ein dröhnendes Schweigen aus der Bundesregierung geben. Sowohl der Kanzler als auch die Außenministerin haben sich klar auf die Seite der Frauen im Iran geschlagen, und wir unterstützen sie uneingeschränkt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Renata Alt [FDP])

Auf Kurdisch lautet der Ruf: „Jin, Jiyan, Azadi“; Frau Akbulut hat die Freundlichkeit gehabt, es sogar aufs T‑Shirt zu schreiben und hier zu präsentieren. Durch diese Formulierung ist aber auch eines angezeigt: Der Iran ist ein Vielvölkerstaat. Trotz der zur Schau gestellten Toleranz, wie sie uns über Regierungsmedien immer wieder präsentiert wird, ist auch die Unterdrückung von kulturellen Rechten, von sozialen Rechten Programm in der Islamischen Republik. Diese strukturelle Unterdrückung von Vielfalt spielt rein in ein strukturell freiheitsfeindliches Regime. Das ist ein Grund mehr, die Freiheits- und Demokratiebewegung im Iran voll zu unterstützen.

Was heißt jetzt Unterstützung? Natürlich heißt es – das sollten wir nicht gering achten – Solidarität; Solidarität, die wir zum Ausdruck bringen durch die parteiübergreifende Debatte hier im Parlament, die wir zum Ausdruck bringen durch Äußerungen bei Demonstrationen, auf diplomatischen Kanälen, zum Beispiel durch die Einbestellung des iranischen Botschafters oder durch Äußerungen in New York.

Aber es geht auch um konkrete Maßnahmen, die wir treffen. Wir sorgen erstens dafür, dass es im UN-Menschenrechtsrat vorgebracht wird. Wir sorgen zweitens dafür, dass persönliche Sanktionen gegen die Verantwortlichen der Unterdrückung im Iran von der EU verhängt werden. Wir haben dazu Mechanismen; die müssen im Falle des Polizeichefs von Teheran und anderer Verantwortlicher jetzt unbedingt angewandt werden. Es geht um persönliche Sanktionen, um die Einschränkung bei der Visavergabe für Verantwortliche des Regimes. Es kann ja nicht sein, dass sie einfach nach Europa reisen können oder gar ihre Kinder hier studieren können.

Ich will aber – drittens – eine weitere konkrete, aus meiner Sicht unbedingt erforderliche Reaktion nennen. Es gibt erfolgreiche Beispiele, wie das Auswärtige Amt und andere Regierungen zusammenarbeiten, um Menschenrechtsverstöße und Verbrechen zu dokumentieren. Hinsichtlich Belarus haben wir beispielsweise einen solchen Mechanismus etabliert. Ich glaube, wir sollten dies jetzt mit unseren Partnern in der EU gemeinsam formal etablieren. Die Verbrechen, die das iranische Regime Tag für Tag begeht, müssen umfassend dokumentiert und festgehalten werden, um eine mögliche Strafverfolgung der Verantwortlichen zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ich will ein letztes Beispiel nennen, wo wir konkret ansetzen können. Es ist verschiedentlich die Internetzensur angesprochen worden, also der beschränkte Zugang zu Informationen für die iranische Bevölkerung. Warum richten wir mit EU‑Mitteln nicht einen Fonds zur Ausweitung der technischen Möglichkeiten ein, um solche Internetzensurmaßnahmen im Iran zu umgehen? Ich glaube, das wäre ein guter Ansatzpunkt, wo die EU ganz konkret zeigen könnte, dass sie an der Seite der Frauen und Männer im Iran steht. Ich fände es gut, wenn eine solche Initiative von der EU auf den Weg gebracht würde. Damit könnten wir zumindest unseren Beitrag von außen dazu leisten, die Freiheit im Iran voranzubringen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat die Kollegin Renata Alt für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546498
Wahlperiode 20
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Protesten in Iran nach dem Tod von Mahsa Jina Amini
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