Lina SeitzlSPD - Wolfsbestandsmanagement
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte mal mit guten Nachrichten beginnen; wir haben ja jetzt alle hier viel Spaß gehabt. Ich möchte mal mit einer Erfolgsgeschichte anfangen: Der Wolf war fast 150 Jahre in Deutschland ausgerottet. Heute wächst die Population wieder, und das ist eine gute Nachricht angesichts der Tatsache, dass fast 7 000 Tierarten hierzulande vom Aussterben bedroht sind. Die Rückkehr des Wolfes zeigt, dass europäische und nationale Schutzmaßnahmen wirken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Wolf sorgt aber natürlich auch für viel Aufregung. In einigen Regionen Deutschlands verursachen Wolfsrisse Schäden. Sie beunruhigen Anwohnende. Was aber Sie, liebe Unionsfraktion, in Ihrem Antrag fordern, das steht in keinem Verhältnis zu dem, was Sie eigentlich fordern wollen, was auch in Ihrem Titel steht, nämlich eine – ich zitiere – „ausgewogene Balance zwischen dem Schutz von Mensch und Tier sowie dem Artenschutz“. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Wenn es nach Ihnen ginge, sollten wir sogenannte wolfsfreie Zonen schaffen und die Entnahme einer spezifizierten Anzahl von Wölfen erlauben. Ein fairer Kompromiss zwischen dem Schutz des Tieres und den Interessen der Landwirtschaft ist das nicht. Das, was Sie hier fordern, ist ein Abschuss ohne Wenn und Aber, sonst nichts.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Klaus Mack [CDU/CSU]: Dann haben Sie den Antrag nicht gelesen! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Haben Sie den Antrag gelesen?)
Ich erinnere Sie gerne daran, dass wir in diesem Haus gemeinsam, SPD und Union, 2019 das Bundesnaturschutzgesetz geändert haben und wir genau das hergestellt haben, was Sie jetzt behaupten herstellen zu wollen, nämlich eine ausgewogene Balance. Wir haben damals sachlich und mit Verstand verhandelt. Den Abschuss von Wölfen haben wir erleichtert, wenn die Tiere ernste landwirtschaftliche Schäden verursachen,
(Zuruf von der CDU/CSU: Tun sie ja!)
und wir haben zum ersten Mal sowohl die Schäden in der Landwirtschaft als auch die Schäden bei Hobbytierhalterinnen und Hobbytierhaltern berücksichtigt.
(Klaus Mack [CDU/CSU]: 30 Prozent Zuwachs pro Jahr!)
Nach geltendem Recht kann bereits jetzt im schlimmsten Fall ein ganzes Wolfsrudel entnommen werden, bis Schäden ausbleiben. Sie sehen: Wir nehmen die Sorgen der Landwirtschaft ernst; wir machen aber auch solide Politik, die den EU‑Richtlinien entspricht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
Die Gesetzesnovelle, die wir gemeinsam mit Ihnen verabschiedet haben, die gilt selbstverständlich auch dem Schutz der Menschen. Der Abschuss von Wölfen ist demnach möglich, wenn ein Wolf einen Menschen verletzt, ihn verfolgt oder sich ihm gegenüber unprovoziert aggressiv zeigt. Mit diesen Änderungen haben wir Sicherheit für alle geschaffen, für die Tiere, für den Wolf und für den Menschen.
Wir haben diese Novelle 2019 verabschiedet. Jetzt muss zusammen mit den Ländern, der Landwirtschaft, dem Naturschutz, der Bevölkerung evaluiert werden, wie die Umsetzung vor Ort funktioniert. Eine Novelle nach der anderen vorzuschlagen, ist dagegen unnötiger Aktionismus und keine seriöse Politik, sehr geehrte Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Mack [CDU/CSU]: Sie verkennen das Problem!)
Im Antrag fordern Sie – jetzt gehe ich noch mal genauer auf Ihren Antrag ein –, dass der „Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland unverzüglich zu definieren und jährlich zu bewerten“ sei. Ich möchte Sie gerne daran erinnern, dass Deutschland zu den Ländern mit den detailliertesten und umfassendsten Monitoringstandards gehört. Nirgendwo in Europa werden Wolfspopulationen so sorgfältig gezählt und überwacht – jährlich. Diese Daten werden jährlich von den Ländern gesammelt, in einem aufwendigen Verfahren wissenschaftlich ausgewertet. Es gibt hier keine Geheimnisse und keine Unklarheiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber daraus müssen Sie den günstigen Erhaltungszustand definieren!)
So wurden in Deutschland im Rahmen des Monitorings im Jahr 2020/2021 158 Rudel, 27 Wolfspaare, 19 sesshafte Einzelwölfe und damit insgesamt 403 adulte Wölfe gezählt. Zu keiner anderen Art gibt es in Deutschland so viele detaillierte Daten wie zum Wolf. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und was machen Sie mit den Daten?)
Sie schreiben weiter, man solle die Kriterien für den Erhaltungszustand des Wolfes offenlegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat mich etwas verwundert;
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ach!)
denn diese Informationen sind ebenfalls alle öffentlich zugänglich. Es geht um die Gesamtzahl der Population; aber das ist nicht das einzige Kriterium. Es geht auch um die Verbreitung, es geht um die Größe und Qualität des Habitats sowie um die Zukunftsaussichten für die Entwicklung des Wolfs.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Es geht darum! Aber haben Sie es definiert?)
Es geht bei der Bewertung, wie gut es dem Wolf in Deutschland geht, also um das Gesamtbild: um die Verteilung, um die genetische Vielfalt der Population.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie die Kriterien genannt! Aber haben Sie es auch definiert?)
Es geht uns also um einen soliden wissenschaftlichen Artenschutzansatz und nicht um Schlagzeilen. Auch wenn sich der deutsche Wolfsbestand – ich glaube, da sind wir uns einig – in den vergangenen Jahren positiv entwickelt hat, ist das Gesamtbild dieser Kriterien immer noch nicht gut genug, um Wölfe einfach so abschießen zu können,
(Lars Lindemann [FDP]: Wer redet denn von „einfach so“?)
auch wenn das hier von Ihnen gewünscht wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, nach 150 Jahren ohne Wolf kehrt dieses Tier nun wieder in unsere Wälder zurück und schließt damit eine Lücke in unserem Ökosystem. Das ist eine gute Nachricht, und ich wünschte mir, wir könnten solche Erfolge für den Artenschutz jede Sitzungswoche hier verkünden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Diese Rückkehr bringt aber selbstverständlich Herausforderungen für alle – Mensch und Tier –; deshalb brauchen wir ein gutes Monitoringsystem, Maßnahmen zum Herdenschutz, eine finanzielle Kompensation für Weidetierhalter, eine regelmäßige Überprüfung der aktuellen Situation, und, ja, in Einzelfällen auch die Entnahme von Einzeltieren im Rahmen der Möglichkeiten des Bundesnaturschutzgesetzes und der europäischen Regelungen. Was wir definitiv nicht brauchen, sind populistische Forderungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: So verlieren Sie die Akzeptanz für den Artenschutz!)
Das Wort erhält Frank Rinck für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546520 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Wolfsbestandsmanagement |