29.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 57 / Zusatzpunkt 5

Catarina dos Santos-WintzCDU/CSU - Europäische KI-Verordnung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Künstliche Intelligenz ist die treibende Kraft in der Entwicklung der Digitalisierung, und daher müssen wir uns klar darüber sein, welch hohe Bedeutung die Regulierung in diesem Bereich hat. Dazu kommt: Die Europäische Union betritt mit einem so umfassenden Vorschlag regulatorisches Neuland – weltweit. Die Regulierung wird nicht nur für europäische Hersteller und Entwickler gelten, sondern für alle, die ihre Produkte auf den europäischen Markt bringen wollen.

Aus Sicht meiner Fraktion besteht aktuell aber Anlass zur Sorge, dass die Bundesregierung ihrem Auftrag, sich aktiv für Deutschland in die Verhandlungen einzubringen, nicht gerecht wird.

(Dr. Anna Christmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum eigentlich?)

Das ist auch der Grund für unseren umfangreichen Antrag. Dass das Digitalministerium hier heute Abend nicht vertreten ist, bestärkt unsere Einschätzung in diesem Punkt ein klein wenig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Doch ich will mich an dieser Stelle auf wesentliche inhaltliche Punkte konzentrieren. Wir brauchen meines Erachtens – erstens – eine starke Definition des Begriffs „künstliche Intelligenz“, zweitens eine europäische Souveränität im Bereich Entwicklung und Nutzung von KI, und wir brauchen – drittens – jetzt die richtigen Entscheidungen für einen zukunftsfähigen Wohlstand, den uns diese Technologie bringen wird.

Die Definition des Begriffs „künstliche Intelligenz“ ist aus unserer Sicht in der europäischen Verordnung zu allgemein gefasst. Damit würde ein zu großer Teil aller derzeitigen softwarebasierten Technologien erfasst, und es kann fatal sein, wenn in Zukunft einfachste Anwendungen reguliert werden und große sowie kleine Unternehmen mit erheblichen bürokratischen Hürden und Rechtsunsicherheiten konfrontiert sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen hier sachlich und nicht ideologisch an das Thema herangehen. Alles, was notwendig ist, muss geschützt werden. Aber um es einmal bildlich zu sagen: Es gibt keinen Airbag für jede Situation der Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ähnlich sollten wir auch bei der Definition von Hochrisikoanwendungen herangehen. Aus meiner Sicht sollten drei Faktoren eine Rolle spielen: kritische Infrastruktur, Kontext und Gebrauch der Anwendung. Klar ist auch: Wir werden die Gesetzgebung regelmäßig an die Gegenwart anpassen müssen. Aber in einem Punkt sollten wir uns alle einig sein: Europa sollte im Feld „künstliche Intelligenz“ die Spitzenposition im Bereich Forschung und Entwicklung belegen. Das sollte unser Anspruch sein.

Die Entwicklung schreitet rasant voran, und wir sind durchaus gut aufgestellt. Es werden beispielsweise in Aachen Sprachsteuerungsmodelle entwickelt, oder Mittelständler finden mithilfe von KI heraus, wann bei einem Windrad Einzelteile getauscht werden müssen, ohne dass jemand auf ein Windrad klettern muss. Souveränität ist hier das entscheidende Stichwort; denn die Entwicklungen – beispielsweise im Bereich des autonomen Fahrens – werden fortschreiten. Aber wir müssen uns entscheiden: Nutzen wir diese Produkte in Zukunft nur, oder entwickeln wir sie mit?

Es ist also auch im Interesse der Bundesregierung, sich aktiv in diesen Verhandlungen in Brüssel zu engagieren. Das konnten wir bislang allerdings kaum wahrnehmen. Erst am 14. September 2022 positionierte sich die Bundesregierung zu einem Kompromissvorschlag des tschechischen Ratsvorsitzes und fokussierte sich dabei fast ausschließlich auf den Sicherheits- und Migrationsbereich, und das, obwohl auf Seite 2 ihrer Digitalstrategie steht, dass die digitale Souveränität Deutschlands das Leitmotiv der Digital- und Innovationspolitik der Bundesregierung sei und auf das übergeordnete Ziel der strategischen Souveränität Europas einzahle. Aber das reicht uns nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schon jetzt ist die Abhängigkeit unserer Unternehmen von ausländischen Unternehmen in der Digitalisierung besorgniserregend. 80 Prozent der deutschen Unternehmen fühlen sich technologisch abhängig von nichteuropäischen Partnern. Auch die Verwaltung ist stark abhängig von ausländischen Unternehmen. Es ist dringend geboten, dass wir unsere technologische Handlungsfähigkeit bewahren und einseitige Abhängigkeiten zügig abbauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen eine starke europäische Digitalwirtschaft. Diese ist nicht nur in Deutschland mittelständisch geprägt; denn 99 Prozent der IT-Unternehmen in Europa sind kleine und mittelständische Unternehmen. Das bedeutet: Eine Digitalpolitik, die Abhängigkeiten abbauen und eine selbstbestimmte Digitalisierung made in Europe ermöglichen will, ist in erster Linie auch Mittelstandspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es liegt daher in unserem ureigenen Interesse, das Thema auch aus industriepolitischer Sicht zu betrachten. Wir brauchen in Europa eigene KI-basierte Geschäftsmodelle. Insbesondere KMUs und Start-ups dürfen nicht durch Überregulierung in Form von teuren Zertifizierungen und wahnsinnigen Dokumentationspflichten gegenüber großen Playern am Markt ausgespielt werden. Lassen Sie mich auch noch einmal in aller Klarheit sagen: Überregulierung macht den europäischen Standort im internationalen Vergleich nicht attraktiver.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für mich gilt: Wir brauchen eine Regulierung von künstlicher Intelligenz, die Vertrauen in die Technologie schafft, pragmatisch Nutzung und Entwicklung in Europa unterstützt, unsere IT-Wirtschaft sich frei entfalten lässt und im internationalen Raum konkurrenzfähiger macht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Punktlandung. – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Armand Zorn das Wort.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546554
Wahlperiode 20
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Europäische KI-Verordnung
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Automatisch erkannte Entitäten beta