30.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 23

Mathias MiddelbergCDU/CSU - Temporäre Umsatzsteuersatzsenkung auf Gaslieferungen

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Herr Minister, das, was wir heute diskutieren, die Absenkung der Umsatzsteuer auf Gas, ist richtig. Wir hätten darüber schon viel früher diskutieren können; denn wir als CDU/CSU-Fraktion haben sie hier im Hause schon im Februar beantragt. Damals waren Sie noch dagegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: So geht es uns auch oft! – Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Entwurf ist jetzt eine Notlösung, weil Sie inzwischen festgestellt haben, dass Sie mit der Gasumlage die Verbraucher zusätzlich belasten, und sich überlegt haben, wie Sie diese Belastung durch eine gewisse Entlastung wieder ausgleichen können. Dadurch haben wir jetzt hier diese Debatte.

Aber immerhin: Das Ganze beruht auf Ihrer Fehlkonstruktion, der Gasumlage. Das haben Sie jetzt glücklicherweise erkannt. Ich will gar nicht die ganze Geschichte wieder hervorholen: Zweimal haben wir hier die Gasumlage zur Abstimmung gestellt, zweimal haben Sie für Ihre Gasumlage gestimmt. Jetzt haben Sie erkannt, dass die Gasumlage – ja, was soll man sagen? – Mist ist, untauglich ist, eine Fehlkonstruktion ist.

Sie beerdigen heute Ihre Gasumlage – einen Tag bevor sie morgen in Kraft getreten wäre – und sind stattdessen zu der Auffassung gekommen, eine Gaspreisbremse, eine Entlastung der Bürger sei sinnvoll. Dazu allerdings sagen wir dann tatsächlich: Herzlichen Glückwunsch! Wir hätten uns gewünscht, diese Erkenntnis wäre Ihnen früher gekommen, und zwar deutlich früher.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Entlastung der Verbraucher, die heute hier zur Debatte steht, ist wichtig; aber ein großer Wurf ist dieser Schritt nun tatsächlich nicht.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Peanuts hätte man früher gesagt!)

– Nein, nein; es ist so, wie es ist. Die Gaspreise sind so, wie sie sind.

Der Bundeskanzler hat doch hier vorgerechnet, es wäre jetzt eine ganz tolle Entlastung.

(Zuruf von der SPD: Besser als nichts!)

Das ist natürlich völliger Käse; denn die Leute sind jetzt mit dem drei-, vier-, fünffachen Gaspreis konfrontiert. Wenn sie vorher eine Gasrechnung über 1 000 Euro hatten und darauf 19 Prozent Mehrwertsteuer gezahlt haben, dann mussten sie 190 Euro Mehrwertsteuer zahlen. Wenn sie jetzt die dreimal so hohe Gasrechnung von 3 000 Euro haben, dann zahlen sie zwar nur 7 Prozent; das sind dann aber 210 Euro Mehrwertsteuer. Das heißt, sie zahlen am Ende sogar mehr Mehrwertsteuer. Und das ist ja Ihr Problem: Sie verstehen einfach nicht, dass Sie aufgrund dieser irren Inflation,

(Beifall bei der CDU/CSU)

dieser stattfindenden wahnsinnigen Inflation doch permanent massive Mehreinnahmen haben. Das müssten Sie den Bürgern mal ehrlich sagen. Also, in vielen Bereichen brauchen Sie gar keine Schulden zu machen, sondern Sie müssen nur intelligent mit den Mehreinnahmen umgehen und sie nicht ständig in Gießkannenprogrammen verprassen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür sind Sie ja Spezialisten!)

Jetzt kommen wir mal zum eigentlichen Kern. Sie haben da jetzt ein ganz tolles sechsseitiges Papier vorgelegt. Der eine sagt „Abwehrschirm“, der andere sagt „Doppel-Wumms“; da müssen Sie sich jetzt noch über die Terminologie einigen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn das Ihre einzige Sorge ist! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ich glaube, das schaffen wir! – Weitere Zurufe von der SPD und der FDP)

In erster Linie ist dieses Papier zum jetzigen Zeitpunkt nichts anderes als ein Schulden-Wumms. Das sage ich Ihnen mal ganz deutlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie stellen 200 Milliarden Euro neue Schulden ins Schaufenster, aber was Sie damit finanzieren wollen, ist völlig unklar. Es gibt auch gar keine Kalkulation oder irgendeine Berechnungsgrundlage,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das stimmt einfach nicht! – Zuruf von der SPD: Was ist Ihr Vorschlag?)

die nachvollziehbar wäre.

(Zuruf von der SPD: Ich dachte, das war Ihre Idee!)

Immerhin haben Sie jetzt erkannt, dass Sie eine Preisbremse brauchen und keine Umlage – dazu noch mal herzlichen Glückwunsch! –, nach vielen Wochen und Monaten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber dazu, wie Sie jetzt diese Gaspreisbremse konkret ausgestalten wollen, steht nichts in Ihrem Papier. Auch dazu, wie die Strompreisbremse aussehen soll, steht nichts in Ihrem Papier. Wie Sie jetzt konkret Betriebe und Unternehmen in der Krise stützen wollen, wie viel Geld die zu erwarten haben, wie viel Preisentlastung – auch dazu steht nichts in Ihrem Papier. Das ist leider die Wirklichkeit.

(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seien Sie eine anständige Opposition! Machen Sie einen Vorschlag!)

Dann führe ich eben mit Ihrem Kollegen von der FDP draußen ein Gespräch, der dann noch sagt: Die Kernkraftwerke müssen weiterlaufen. – Alles klar, aber dazu steht nichts in Ihrem Papier.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Doch, klar! Mal reingeguckt?)

Sie haben gestern, um das noch mal klar zu sagen, nichts anderes als 200 Milliarden Schulden-Wumms präsentiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir warten jetzt aber immer noch auf den Wumms, der dann irgendwann kommt, worin Sie konkret sagen, welche Maßnahmen Sie damit finanzieren und umsetzen wollen

(Beifall bei der CDU/CSU)

und wie Sie die Bürger in diesem Land entlasten wollen. Das weiß bis zur Stunde keine Socke. Das ist die Wirklichkeit.

Sie haben bisher in dieser Krise Fehler über Fehler gemacht, und das ist wirklich traurig genug.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Genau!)

Das muss man einfach mal in Erinnerung rufen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Sie haben den ganzen Sommer mit Ihren internen Streitereien verdaddelt. Jetzt verweisen Sie auf Ihre Expertenkommissionen. Ja, die hätten doch schon längst fertig sein können mit der Arbeit!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die hätten Sie schon vor Wochen einsetzen können. Dann hätten wir die konkreten Vorschläge auf dem Tisch. Die richtige Reihenfolge wäre doch gewesen: Sie hätten die Experten arbeiten, Vorschläge machen lassen, und dann hätten wir uns darüber unterhalten, was diese Vorschläge kosten.

(Kay Gottschalk [AfD]: Die mussten Lauterbach einfangen! Das war ihr Problem! – Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie selber einen Vorschlag!)

Jetzt sind Sie doch panisch den anderen Weg gegangen, weil Sie gesehen haben: O Gott, da kommt jetzt die Gasumlage, dieser Blödsinn, den wir beschlossen haben;

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

der tritt morgen in Kraft, und deswegen müssen wir in dieser Woche ganz schnell – panisch – noch einen anderen Finanzierungsweg aufzeigen. Deswegen sind Sie doch in diese Panik verfallen, in dieser Woche diese Pressekonferenz zu machen, wo Sie nichts Konkretes mitteilen, außer dass Sie 200 Milliarden Euro Schulden machen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Die sehen nicht panisch aus!)

Diese Aktion hätte komplett andersherum laufen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie hätten jetzt ganz konkret sagen müssen, was Sie mit der Gaspreisbremse, was Sie mit der Strompreisbremse machen.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Wo sind Ihre Vorschläge?)

Wie fördern Sie die Unternehmen in Deutschland? Wie gestalten Sie diesen Abwehrschirm wirklich konkret? Und dann hätten Sie sagen müssen, wie Sie jetzt ganz zügig mehr Kohlekraftwerke ans Netz bringen, um das Angebot zu vergrößern.

(Katja Mast [SPD]: Was steht im CDU-Konzept?)

Was machen Sie ganz konkret mit den Kernkraftwerken?

Und da sage ich Ihnen auch:

(Timon Gremmels [SPD]: Haben Sie mal ins EnSiG geguckt?)

Es ist naiv und unverantwortlich, gerade das, was die Grünen in Niedersachsen machen. Das sage ich Ihnen einmal ganz deutlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind in der größten Energiekrise Europas seit dem Zweiten Weltkrieg.

(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Wahlkampfreden helfen uns hier nicht!)

In dieser Situation darf man überhaupt nicht auf die Idee kommen, auch nur irgendein Kraftwerk abzuschalten, und zwar völlig egal, wie es betrieben ist,

(Beifall bei der CDU/CSU)

ob mit Kohle oder mit Kernkraft; das spielt überhaupt gar keine Rolle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Sie dürfen jetzt kein einziges Kraftwerk abschalten. Das ist die Wirklichkeit.

Der nächste Winter wird schon heftig genug; der übernächste wird wahrscheinlich noch heftiger werden, weil wir dann nämlich keine vollen Speicher haben, die wir in diesem Jahr noch mit russischem Gas vollfüllen konnten.

(Timon Gremmels [SPD]: Wo wäre der Vorschlag von Herrn Middelberg?)

Deswegen ist es noch unverantwortlicher, wenn Sie jetzt Kraftwerke abstellen wollen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wir arbeiten an den LNGs mit größter Geschwindigkeit seit Jahrzehnten! Das hätte die Union nie hingekriegt, das so schnell zu machen!)

Wir warten immer noch auf Ihre konkreten Vorschläge, wie Sie das Problem lösen wollen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisher gibt es nur einen Schulden-Wumms und keine konkreten Vorschläge.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Wo sind Ihre Vorschläge? – Timon Gremmels [SPD]: Das war ganz schön dünn!)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Tim Klüssendorf.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der erklärt das jetzt mal dem Herrn Middelberg!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546633
Wahlperiode 20
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt Temporäre Umsatzsteuersatzsenkung auf Gaslieferungen
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