30.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 23

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Temporäre Umsatzsteuersatzsenkung auf Gaslieferungen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Lage in Deutschland ist dramatisch. Wer es schwarz auf weiß wissen will, muss sich nur das Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsinstitute ansehen, die uns klar ins Stammbuch geschrieben haben, dass wir in eine Rezession laufen werden, dass die Inflation auch im nächsten Jahr im Durchschnitt bei fast 9 Prozent liegen wird. Ich erinnere mich an die Debatte hier im Frühjahr, als der Bundesfinanzminister noch von einer „gefühlten Inflation“ sprach. Ich glaube, die Inflation ist mittlerweile wirklich bei den Menschen angenommen und die Erkenntnis wohl auch beim Bundesfinanzminister.

Von daher ist es richtig, dass gehandelt werden muss. Wir müssen uns immer die Frage stellen: Ist richtig und zeitnah gehandelt worden? Herr Kollege Marvi hat eben – völlig zu Recht; das erleben wir alle in unseren Wahlkreisen – auf die Riesenverunsicherung der Menschen hingewiesen, auf die Sorgen der Menschen; es geht um wirkliche Existenznöte. Die Menschen haben die Erwartung an Politik, dass sie schnell und zügig und klar reagiert. Dass die Menschen so verunsichert sind, meine Damen und Herren, hat alleine die Ampelkoalition zu verantworten – weil Sie lange nicht reagiert haben und viel zu spät hier die Dinge auf den Tisch legen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt höre ich, es sei sauber gearbeitet worden. Also: Wir haben im Finanzausschuss das Thema „Senkung der Umsatzsteuer auf Gas“ beraten. Morgens gab es in der Ausschusssitzung eine Tischvorlage, laut der es als Inflationsausgleich eine Zahlung geben sollte, die steuerfrei gestellt werden sollte. Wir argumentierten als CDU – dieser Meinung sind wir immer noch –, dass es zu kurz gegriffen ist, die Umsatzsteuer nur auf den Energieträger Gas zu senken, was übrigens auch das Ergebnis der Anhörung war. „ Dann könnten wir das auch für Strom machen, dann könnten wir das auch für Fernwärme machen“, so haben wir morgens argumentiert. Da hat die SPD noch argumentiert, eine Umsatzsteuersenkung auf Fernwärme würde ja gar nichts bringen. Fünf Stunden später: andere Lage. Eine Stunde vor dem Ausschuss kriegen wir die Unterlagen. – Das ist keine seriöse Gesetzesberatung. Das ist Chaos pur in dieser Ampel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Inhaltlich ist es richtig und, wie eben gesagt, ein erster Schritt, über die Umsatzsteuer zu stehen. Aber wenn ich jetzt hier in der Rede von Herrn Kasper höre, dass das den Unternehmen hilft, dann möchte ich Sie bitten, sich mal mit dem Umsatzsteuerrecht zu beschäftigen;

(Beifall bei der CDU/CSU – Carlos Kasper [SPD]: Gasumlage! Zuhören! Guten Morgen!)

denn den Unternehmern, die vorsteuerabzugsberechtigt sind – und das sind die Bäckerinnen und Bäcker, die bei mir im Wahlkreis Probleme haben, das sind die Gießereien, das sind die Porzellanhersteller –,

(Timon Gremmels [SPD]: Herr Kasper hat die Gasumlage gemeint! Selektive Wahrnehmung bei der Union!)

nützt diese Umsatzsteuersenkung rein gar nichts. Da müssen Sie mal ein bisschen was dazulernen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Till Mansmann [FDP]: Liquidität!)

Wir haben auch was Konkretes vorgeschlagen. Sie fragen ja immer: Was schlagen Sie denn vor? Sie gehen in dem Papier gar nicht darauf ein, dass man auch bei der Energiesteuer was machen könnte. Wir könnten die Energiesteuersätze auf das Mindestniveau senken. Beim Strom wäre das 1 Cent für Privathaushalte und 0,5 Cent für gewerbliche Unternehmen. Wir liegen bei 2,05 Cent. Das wäre eine einfache Möglichkeit, zu handeln. Auch das tun Sie nicht, weder bei Erdgas, Heizöl, Flüssiggas noch bei Strom. Hier könnten Sie handeln, und hier könnten Sie wirklich was bewegen, wenn Sie was bewegen wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Herbstgutachten hat ja aufgezeigt, was wir tun müssen: Ausweitung des Energieangebotes. Wir lesen in dem Papier: Zwei Atomkraftwerke sollen weiterlaufen bis zum Frühjahr 2023. – Ich höre mir sehr gerne die Pressekonferenzen des Bundeskanzlers, des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers an. Da sagt der Bundesfinanzminister völlig zu Recht: Es müssen alle drei Atomkraftwerke bis Ende 2024 weiterlaufen. – Ich verstehe gar nicht, wie Sie als FDP das mitbeschließen können, wie Sie dieser Verknappung auf der Angebotsseite weiter zustimmen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch kurz auf die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung hinweisen, die ja heute mitberaten wird. Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits finde ich es gut, dass, wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Möglichkeit nutzen, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Sonderzahlung zu gewähren, diese Zahlung nicht durch zu hohe Steuern und Sozialabgaben aufgefressen wird. Aber wir erzeugen damit – da müssen wir uns ehrlich machen – auch Druck, gerade bei Unternehmen, die sich das derzeit nicht leisten können, genau diesen Ausgleich ebenfalls zu zahlen. Von daher ist das sehr ambivalent.

Wir werden im Endergebnis ja zustimmen; aber wir müssen da mal genau hingucken. Wir haben dieses Instrument gemeinsam in der Großen Koalition bei den Coronahilfen genutzt. Wir wissen mittlerweile durch ein Institut, das uns nicht unbedingt nahesteht – die Hans-Böckler-Stiftung –, wo diese Hilfen tatsächlich gelandet sind. Sie sind nicht da gelandet, wo wir sie am liebsten gesehen hätten, sondern sie sind bei anderen gelandet: bei denjenigen, die schon einen sicheren Arbeitsplatz haben, die ein sicheres Einkommen haben. Von daher müssen wir sehr vorsichtig sein mit dem Instrument. Aber unter Zurückstellung aller Bedenken werden wir auch in dem Punkt zustimmen, meine Damen und Herren.

Viel einfacher wäre es gewesen, wenn Sie die kalte Progression nicht erst ab dem Jahr 2023 ausgleichen würden, sondern schon ab dem Jahr 2022. Damit hätten Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich entlastet. Das wäre der richtige Weg gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie verschieben viel zu viel aufs nächste Jahr. Die Menschen brauchen jetzt Entlastung, sie brauchen jetzt Unterstützung, sie brauchen jetzt Zuversicht, damit wir gemeinsam aus der Krise kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dieter Janecek.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546643
Wahlperiode 20
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt Temporäre Umsatzsteuersatzsenkung auf Gaslieferungen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta