Patricia LipsCDU/CSU - Fiskalpolitische Disziplin in Europa
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! In Kürze wird die Europäische Kommission Vorschläge machen für eine Reform der Schuldenregeln in Europa, für eine Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. In Zeiten, in denen sich aktuell fast alle Schleusen öffnen, mag die Debatte seltsam anmuten, aber genau jetzt ist sie richtig. Es geht um finanzielle Nachhaltigkeit über den Tag hinaus, um fiskalpolitische Disziplin und damit am Ende um Preisstabilität. Die Bedeutung gerade dieses Begriffes erfahren wir doch jeden Tag aufs Neue.
Ein Rückblick: Während der Pandemie wurde die sogenannte Ausweichklausel des Stabilitäts-und Wachstumspaktes aktiviert – diese Ausnahme wurde bis heute verlängert –; verkürzt bedeutet das: Die Mitgliedstaaten konnten kreditfinanziert zusätzliche Ausgaben tätigen – an den eigentlichen Fiskalregeln vorbei. Die Maßnahme war zugeschnitten auf die besonderen Herausforderungen der Pandemie.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Die ist ja vorbei!)
Deshalb war es richtig, dies alles auf Einmaligkeit und auch nur dort so anzulegen.
Nun stehen wir erneut vor Herausforderungen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Eben!)
Sie erfordern in Teilen neue Antworten. Aktuell gilt dies insbesondere im Hinblick auf die Energiekosten und die Bekämpfung der Inflation in ganz Europa. Diese Inflation – sie liegt in Deutschland inzwischen bei 10 Prozent – hat verschiedene Ursachen. Ganz sicher heizen jedoch auch Schulden diese Inflation weiter an. So wichtig manche Maßnahme erscheinen mag und wahrscheinlich auch ist, muss uns dies bewusst sein. Gleichzeitig steigen nun die Zinsen zu Recht; auch sie belasten die Haushalte zusätzlich. Ein Teufelskreis droht.
Es gilt: Am Ende führen alle Schulden fiskalisch zum selben Ergebnis und engen ganz klar den Gestaltungsspielraum künftiger Generationen ein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Alle bisherigen Ausnahmetatbestände und Flexibilisierungen des Paktes – so gut sie gemeint waren –, auch manche Maßnahme der EZB – das gehört zur Wahrheit dazu – führten doch gerade nicht zu einer nachhaltigen Trendwende bei der öffentlichen Verschuldung innerhalb der EU. Oft genug geschah das Gegenteil.
Deshalb müssen wir zu den Grundprinzipien zurück. Es kann nicht sein, dass dauerhaft die Ausnahme die Regel bestimmt. Erst Stabilität schafft Vertrauen. Wir wollen Europa mit der Reform als Stabilitätsunion wieder stärken. Eine Schuldenstandsquote von 60 Prozent und ein öffentliches Defizit von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes müssen auch in Zukunft ihre Gültigkeit behalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir begrüßen das Bekenntnis der Bundesregierung zu diesen Kriterien durchaus. Es ist aber zu befürchten, dass es ein Lippenbekenntnis bleibt. Wir stellen die von ihr gewünschten – ich zitiere – „Anpassungen der Flexibilitätsklausel“ infrage. Was als „wachstums- und innovationsfreundliche Weiterentwicklung“ bezeichnet vermeintlich immer gut klingt, öffnet der geschilderten Erfahrung nach am Ende zu oft Tür und Tor für neue Schulden ohne sichtbare Steigerung der Produktivität. Es ist auch unnötig; denn solide Haushaltspolitik ist ja erst die Basis für Wachstum und Innovation.
Für die Zukunft: Es geht um eine Rückführung auf die grundlegenden Regeln. Sie bieten bereits hinreichend Flexibilität. Es geht auch darum, dass eine grundsätzliche Verpflichtung zur Rückführung von Schulden aufrechterhalten bleibt. Es geht um die Durchsetzbarkeit der Regeln. Unzählige Male wurden sie gebrochen – ohne sichtbare Konsequenzen. Das ist ja geradezu absurd.
Und es bleibt natürlich gültig: Verantwortung und Haftung in der Fiskalpolitik müssen künftig an einer Stelle bleiben. Eine Vergemeinschaftung von Schulden darf es nicht geben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kolleginnen und Kollegen, wir sollten die aktuelle Situation wie auch die künftige Rolle des Stabilitätspakts vielleicht auch als Chance begreifen, eine Aufgabenkritik auf den Weg zu bringen – auf europäischer Ebene wie auch im eigenen Land. Es geht um Zuständigkeiten. Es geht um Prioritätensetzung in schwieriger Zeit und um die Zielführung im Ergebnis mancher Maßnahmen. Dabei wären sicher Ressourcen für Entlastungen gegeben, ohne die eigene Verschuldung in derart schwindelerregende Höhen zu treiben wie zurzeit – mit allen Folgen und wie beschrieben.
In diesem Sinne: Es braucht den Pakt nicht trotz, sondern auch wegen dieser und künftiger Krisen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Bettina Hagedorn.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546649 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Fiskalpolitische Disziplin in Europa |