30.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 58 / Zusatzpunkt 10

Michael KruseFDP - Gaspreisanpassungsverordnung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Woche in diesem Haus sehr viel über Energiepolitik gesprochen; kein Wunder, das ist ein wichtiges Thema. Wir haben in den Reden sehr wenig Zeit darauf verwendet, die Frage zu besprechen, die mir die meisten Menschen in persönlichen Gesprächen stellen, nämlich: Was tut ihr denn jetzt eigentlich?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, was?)

Ich habe viele Reden aus der Opposition und – ehrlicherweise – auch aus den Regierungsfraktionen dazu gehört, wer die Verantwortung trägt. Wahlweise sind es die Kanzlerin und die Politik der letzten 16 Jahre oder aber die aktuelle Regierung. Ich habe das Gefühl, darauf wird hier im Haus im Moment 90 Prozent der Zeit verwendet. In den Gesprächen, die ich persönlich außerhalb dieses Hauses führe, wird darauf ungefähr 10 Prozent der Zeit verwendet; die anderen 90 Prozent widmen sich der Fragestellung: Wie kommen wir jetzt da raus? Und ich meine, dass diese Fragestellung eigentlich die relevantere für uns alle hier ist; denn die Menschen haben uns ja aus einem Grund in dieses Parlament gewählt, nämlich damit wir ihre Probleme lösen. Deswegen meine ich, dass wir das auch in dieser Debatte in den Mittelpunkt stellen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann mal zu!)

Viele Menschen sagen: Tut doch jetzt alles, was notwendig ist. – Das ist genau der Grund, warum wir in diesem Jahr zum dritten Mal an das Energiesicherungsgesetz von 1975 herangehen. Wir heben jetzt den Biomassedeckel.

(Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Ich bin der Union dankbar, dass sie darauf hingewiesen hat, wie notwendig das ist, hier aber leider noch keine Worte dazu gefunden hat, dass wir es ja jetzt tun und dass das eine sehr wichtige Maßnahme ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN] – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir stimmen doch zu!)

Wir geben eine Garantie dafür, dass die Kohlekraftwerke bis 2024 ans Netz zurückkehren, weil wir wissen, dass wir das brauchen, obwohl niemand in diesem Haus – nicht mal die Opposition – dafür Wahlkampf gemacht hat im letzten Jahr.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Haben wir!)

Wir sorgen dafür, dass in kritischen Phasen einer Gasmangellage auch mehr Windenergie zur Verfügung steht. Wir sind sicher, dass die Abwägung vieler Menschen in diesem Land lautet: Bevor wir in eine Mangellage geraten, sind wir bereit, auch weitere Einschränkungen zu akzeptieren.

Und ja, auch dem Thema Verlängerung der Kernenergie widmet sich diese Koalition. Ich glaube, schon das ist Ausdruck großen Verantwortungsbewusstseins. Alle sind sich völlig im Klaren, welche hohen Hürden es gibt und welche hohen Sicherheitsauflagen hier zu berücksichtigen sind, dass dieses Land aber vor einer Situation steht, in der genau eine solche Verlängerung in den nächsten Wintern notwendig sein könnte. Und wir bereiten mit allen diesen Maßnahmen das Land darauf vor, dass es gut durch die nächsten Winter kommt.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das wäre gut, findet aber leider nicht statt!)

Wenn ich eine Bitte äußern dürfte, dann würde ich ehrlicherweise insbesondere Sie, Herr Kollege Dobrindt, ansprechen wollen. Dieses Land braucht in dieser Situation keine Büttenreden, sondern es braucht eine verantwortungsvoll handelnde Regierung, die jetzt die richtigen Maßnahmen ergreift, damit wir gut durch den nächsten Winter kommen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Und was sagen Sie zur Kernenergie?)

– Ja, was sage ich zur Kernenergie, Herr Dobrindt? Das kann ich Ihnen genau sagen. Wenn all das, was Sie hier eben so ulkig dargestellt haben, zutreffen würde, dann müssten Sie mir eigentlich sagen: Nee, die Kernkraftwerke können vom Netz, weil wir in Bayern so viel erneuerbaren Strom haben, dass wir gar kein Problem haben.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das war die Antwort Ihrer Bundesregierung! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das Wirtschaftsministerium!)

Aber, Herr Dobrindt, wir stimmen ja darin überein: Sie können nicht vom Netz, weil Sie im Süden nicht genug ausgebaut haben.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Quatsch!)

Und da müssen Sie sich irgendwann auch bei der Kritik entscheiden: Entweder Sie haben so viel ausgebaut und haben alles so toll im Griff, oder aber die Kernkraftwerke müssen länger laufen. Beides geht nicht.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die Kernkraftwerke müssen länger laufen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Und zu einer verantwortungsvollen Oppositionsarbeit gehört dann auch dazu, sich in der Kritik zu entscheiden und nicht wahlweise das vorzutragen, was einem gerade am besten passt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Aber wir ergreifen ja nicht nur wichtige Maßnahmen im Bereich der Energiepolitik, sondern wir sorgen auch dafür, dass wir die Menschen in diesem Land entlasten.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie wollten doch was zu den 10 Prozent sagen! Fangen Sie doch mal damit an! Sie beschimpfen nur die Opposition!)

Denn auch hier ist die Fragestellung: Was tut ihr denn dafür, dass wir uns das noch leisten können?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ihr Finanzminister sagt, wir sollen die Kernkraftwerke weiter laufen lassen!)

Und in dieser Situation haben wir – erstmalig übrigens, etwas, das Sie sich auch immer gewünscht haben – die kalte Progression voll ausgeglichen. Ich erwarte Beifall an dieser Stelle. Sagen Sie es doch: Liebe Ampel, toll, dass Sie das hingekriegt haben. Wir hätten es Ihnen nie zugetraut, aber Sie haben es ja gemacht!

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie wollen sich für eine Selbstverständlichkeit feiern lassen?)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?

Selbstverständlich.

Sehr geehrter Kollege Kruse, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Glauben Sie nicht, dass neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch Grundlast gebraucht wird? Und deckt sich das nicht mit Parteitagsbeschlüssen der FDP, dass man die Atomkraftwerke unabhängig vom Ausbau der Erneuerbaren braucht?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das deckt sich mit den Aussagen des Finanzministers!)

Also, ich denke nicht, dass wir hier jetzt die Beschlusslagen einzelner Parteien miteinander diskutieren sollten.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Sie haben ja den Anfang meiner Rede gehört, wo ich darauf hingewiesen habe, dass sich die Menschen jetzt eben gerade nicht die Frage stellen,

(Bernd Schattner [AfD]: Ein bisschen Rückgrat wachsen lassen!)

wer wann was beschlossen hat, wer welchen Teil der Verantwortung und Schuld trägt, sondern dass sich die Menschen vor allem die Frage stellen: Wie kommen wir denn jetzt aus diesem Schlamassel, in dem wir stecken, wieder raus?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Aber Sie haben die Antworten nicht dafür!)

Ich kann Ihnen natürlich zu unserer Beschlusslage sagen, dass wir Ende April dieses Jahres einen Parteitag hatten, bei dem wir schon darauf hingewiesen haben, dass die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke eine weitere Option sein könnte. Und das haben wir nicht getan, weil wir der Meinung sind, dass wir das jetzt für alle Zeit als Technologie weiterverfolgen wollen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Deshalb seid ihr ja auch in Niedersachsen unter 5 Prozent!)

sondern das haben wir getan, weil es eine Konsequenz des russischen Angriffskriegs ist, dass wir jetzt alle Optionen prüfen müssen und nichts ausschließen dürfen.

Insofern, ja, das ist unsere Beschlusslage. Aber noch mal: Hier geht es nicht um parteipolitische Beschlusslagen. Hier geht es darum, dass sich jeder selbst die Frage stellt: Was kann ich jetzt dazu beitragen?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir wollen eine Verlängerung bis 2024, und was wollen Sie? – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr schwache Antwort!)

Und wenn Ihre Kollegen aus Bayern hier dann Büttenreden halten,

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Und Sie halten Sonntagsreden!)

dann muss ich ehrlicherweise sagen: Sie sollten sich auch die Frage stellen, was Sie dazu beitragen können, dass wir aus dieser Situation herauskommen,

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

und vielleicht nicht Ihre Reden und jetzt auch Ihre Zwischenfragen darauf verwenden, welche Partei denn nun zu welchem Zeitpunkt was beschlossen hat.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie selbst machen nichts anderes!)

Diese Frage stellen sich die Menschen nicht. Und sie stellen sich auch nicht die Frage, ob Sie diejenigen sind, die jetzt mit solchen Reden vielleicht ein paar Punkte auf Kosten der Regierung machen können. Das ist am Ende dieser Woche einfach nicht angemessen, das möchte ich Ihnen wirklich sagen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, stört jetzt die Opposition schon wieder beim Regieren?)

Wir gehen jetzt das dritte Mal an ein Gesetz ran,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Weil Sie es jedes Mal falsch gemacht haben!)

das wir eigentlich gar nicht zur Anwendung bringen möchten und das seit den 70er-Jahren überhaupt nicht angefasst worden ist. Und wir tun das, weil wir in großer Verantwortung für dieses Land handeln.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie sagen die ganze Zeit, dass Sie es nicht machen wollen, und machen es trotzdem!)

Ich vermisse, ehrlich gesagt, Ihre Beiträge, in denen Sie diese Verantwortung zeigen, weil Sie als Opposition eigentlich Regierung im Wartestand sein müssten und dafür kämpfen müssten, wieder in die Regierung zu kommen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: War das jetzt ein Angebot?)

Und das kann ich an Ihren Redebeiträgen in diesem Haus in dieser Woche zu diesem Thema leider gar nicht erkennen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben der kalten Progression, auf die ich eben eingegangen bin und die wir abbauen, haben wir ja noch eine ganze Menge mehr gemacht. Gerade haben wir die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas beschlossen. In diesem Monat, in diesen Tagen kommt die Energiekostenpauschale bei den Menschen an. Wir haben außerdem die EEG-Umlage abgeschafft, schon zum 1. Juli dieses Jahres, um die Menschen zu entlasten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Und wenn es weitere Probleme gibt, dann werden wir mit der Stromkostenbremse und der Gaskostenbremse weitere Entlastungen herbeiführen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546671
Wahlperiode 20
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt Gaspreisanpassungsverordnung
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