Till MansmannFDP - Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wirkt sich nicht zuletzt auch auf die Lebensmittelpreise aus. Jeder von uns kann dieses Phänomen aktuell in den Lebensmittelmärkten beobachten. Besonders betroffen davon sind die Schwächsten unserer Gesellschaft, weil sie einen besonders hohen Anteil ihres Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel aufwenden müssen.
Wir als Ampelkoalition haben den Handlungsbedarf erkannt und schon vor Monaten begonnen, Entlastungs- und Unterstützungspakete zu schnüren. Die Erhöhung des Sparerpauschbetrags, die vorgezogene Entlastung bei der EEG-Umlage, der Heizkostenzuschuss, die Energiepreispauschale, der Kinderbonus, die Einmalzahlungen an Empfänger von Sozialleistungen und Arbeitslosengeld, die temporäre Energiesteuersenkung, das 9‑Euro-Ticket, die Verbesserung und Entfristung bei der Homeoffice-Pauschale und die Verlängerung des Spitzenausgleichs für energieintensive Unternehmen – all das werden oder haben wir bereits innerhalb von kürzester Zeit umgesetzt. Mit dem dritten Entlastungspaket und dem wirtschaftlichen Abwehrschirm werden es insgesamt bis zu 300 Milliarden Euro an Entlastungen und Unterstützungen sein, von denen die Menschen in unserem Land profitieren. Damit geben wir den Menschen in unserem Land wieder mehr Handlungsspielraum.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist erstaunlich, wie die aktuellen Zeiten das Hufeisen wieder zusammenbringen. Linke und AfD sind sich einig: Sogenannte Grundnahrungsmittel sollen von der Umsatzsteuer befreit werden. Für die Umsatzsteuer tut mir das leid. Jedes Mal, wenn sich unser Land einer Herausforderung gegenübersieht, wird diese arme Sau durchs Dorf getrieben,
(Beifall bei der FDP)
mal von rechts, heute mal von links. Lieber würde ich mit Ihnen darüber sprechen, die Umsatzsteuer endlich zu vereinheitlichen und zu vereinfachen.
Eine Besteuerung, die davon abhängt, wie viel Milch in meinem Kaffee ist oder ob ich die Brezel in der Bäckerei oder davor zu mir nehme, ist schwer zu erklären. Auf diese Unstimmigkeiten verweisen Sie ja selbst; nur die richtigen Schlüsse ziehen Sie nicht. Anstatt gute Oppositionsarbeit zu machen und darauf hinzuweisen, dass man die Schwächen des Umsatzsteuersystems endlich grundlegend angehen sollte, machen Sie das Gegenteil. Sie wollen den Kreislauf immer neuer Verschlimmbesserungen einfach weiterführen. Ein Flickenteppich kann aber nicht dadurch besser werden, dass immer neue Flicken angenäht werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dabei ist Ihnen doch offenkundig selbst ein ganz grundlegendes Problem mit Ihrer Initiative aufgefallen. Im Juni bringen Sie Ihren Antrag zur Senkung der Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel ein. Einen Monat später fällt Ihnen auf, dass es bei der dafür grundlegenden Definition eines Grundnahrungsmittels hakt, und Sie reichen einen zweiten Antrag nach. Schön wäre natürlich gewesen, direkt zu Beginn einen ganzheitlichen Vorschlag zu machen. So ist es nur ein Klein-Klein geworden, das wir nicht unterstützen.
(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Da haben Sie ja gerade noch einen Grund gefunden!)
Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer gibt es viel zu tun. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir abgesprochen, noch in dieser Wahlperiode das Besteuerungsverfahren umfassend zu digitalisieren. Damit entlasten wir die Betriebe dieses Landes und setzen Steuerbetrug in hohem Milliardenbereich endlich ein Ende. In der Ampelkoalition sind wir gerade mit der Umsetzung des dritten Entlastungspakets und des wirtschaftlichen Abwehrschirms beschäftigt, womit die Bürger unseres Landes um viele Milliarden Euro entlastet werden. Ihre Anträge leisten in diesem Zusammenhang keinen Beitrag. Deshalb lehnen wir sie ab.
In der Tat müssen wir bei unseren Gesetzen am meisten auf die schauen, die es schwer haben. Deshalb danke ich Ihnen für die Gelegenheit, in der Diskussion über Lebensmittelpreise den Blick auf den Rest der Welt zu öffnen und insbesondere auf den afrikanischen Kontinent zu schauen.
(Zuruf des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])
In Ägypten kommen 90 Prozent der Weizenimporte aus der Ukraine oder aus Russland, die jetzt zu großen Teilen wegfallen. Im Zusammenhang mit der Energiepreiskrise sind außerdem die Preise für Düngemittel um 21 Prozent gestiegen. Im Sudan ernten die Menschen dieses Jahr nur halb so viel, in Äthiopien, was die Grundgetreidearten angeht, sogar 70 Prozent weniger. Während Anfang dieses Jahres noch 276 Millionen Menschen akut Hunger litten, sind es nach sechs Monaten Krieg in der Ukraine bereits 345 Millionen Menschen.
Warum sage ich Ihnen das? Ich sage Ihnen das, damit Sie sich daran erinnern, warum wir diese Diskussion führen müssen und wer die eigentliche Schuld daran trägt, damit Sie sich, wenn Sie uns vorwerfen, wir würden zu wenig tun, daran erinnern, dass nicht diese Bundesregierung, sondern ein außer Kontrolle geratener Diktator in Russland schuld an den ausufernden Lebensmittelpreisen ist,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ein Verbrecher, der einen sinnlosen, menschenverachtenden Krieg gegen die Ukraine führt und sich dabei nur gegenüber den von Lebensmittelimporten abhängigen Millionen von Menschen in Afrika noch rücksichtsloser und menschenverachtender verhält und der leider von den beiden radikalen Flügeln dieses Hauses immer noch zu viel Unterstützung bekommt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächstes folgt Dr. Hermann-Josef Tebroke für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn eure Leute?)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546694 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel |