Armand ZornSPD - Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem 24. Februar dieses Jahres führt Putin einen brutalen Angriffskrieg in der Ukraine, einen sinnlosen Krieg, bei dem es einem Präsidenten Putin nur darum geht, seine imperialistischen Vorstellungen, seine machtpolitischen Vorstellungen mithilfe von Militärgewalt auszuweiten. Inzwischen ist dieser Krieg aber auch ein Energie- und ein Wirtschaftskrieg geworden. Putin versucht auf diese Art und Weise, uns hier in Europa, uns hier in Deutschland zu destabilisieren, und setzt dafür die Waffe Energie ein. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ja nicht so, dass die Ampelkoalition bis jetzt nicht tätig geworden ist. Wir haben bereits drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht; man kann es nicht oft genug sagen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
– Ich wiederhole das gerne noch mal für Sie, wenn Sie das wollen.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben drei Entlastungspakete in Höhe von etwa 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Ich sage es auch gerne noch mal, weil wir im Finanzausschuss mehrfach darüber diskutiert haben: Bei den Inflationspaketen geht es nicht darum, die Inflation zu bekämpfen.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist doch das Schlimme!)
Es geht darum, die Auswirkungen der Inflation zu bekämpfen; das ist der feine Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist das Problem! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist das Entscheidende!)
– Nein, das ist überhaupt kein Problem, weil es bei den steigenden Preisen und der Inflation – wir haben es gestern gesehen; wir sind inzwischen bei 10 Prozent angekommen – nicht nur darauf ankommt, auf der Angebotsseite etwas zu tun. Ja, das ist richtig. Es kommt auch darauf an, auf der Nachfrageseite etwas dafür zu tun,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
dass insbesondere die Haushalte, die über eine geringe Kaufkraft verfügen, abgefedert und entlastet werden.
(Zuruf von der AfD)
Wir als Ampelkoalition sind uns sicher: Wir werden insbesondere Menschen mit kleinen und niedrigen Einkommen besonders unterstützen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und weil es auch struktureller Anpassung bedarf, haben wir im dritten Entlastungspaket einen Eingriff in den Strompreismarkt beschlossen. Wir wollen auch Zufallsgewinne abschöpfen. Gestern haben der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister noch mal eindrucksvoll gesagt: Wir nehmen 200 Milliarden Euro in die Hand, um Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische, sowie soziale Einrichtungen und Privathaushalte zu unterstützen. Das ist das, was wir in der Krise gerade brauchen. Wir sagen deutlich: Wir werden die Menschen nicht im Stich lassen.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Anträgen der Fraktion Die Linke – vielen Dank dafür –: Wir sehen das ähnlich wie die CDU/CSU. Das mag überraschen, aber wir finden: Die Intention ist gut. Leider ist es noch nicht ausgereift genug, um das heute beschließen zu können. Eines können wir alle miteinander feststellen, nämlich dass unser Mehrwertsteuersystem so nicht mehr funktioniert. Es ist inzwischen sehr intransparent und inkohärent geworden, und keiner begreift eigentlich noch, was da vor sich geht.
Ich war vor zwei Wochen in meinem Wahlkreis in Frankfurt unterwegs und habe einen Nahrungsmittelhersteller besucht. Dort wurden mir verschiedene Produkte gezeigt: Kuhmilch, Sojamilch und Hafermilch. Und ich sollte erklären, warum die Steuersätze so unterschiedlich sind. Ich habe dafür keine Erklärung gefunden. Wenn mir das heute einer erklären kann, dann höre ich sehr gerne aufmerksam zu.
(Beifall des Abg. Sascha Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was aber für mich eine große Überraschung war – da habe ich wieder was dazugelernt –, ist die Tatsache, dass dieses Unternehmen auch medizinische Nahrungsmittel produziert. Das heißt, es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Gesundheit darauf angewiesen sind, bestimmte medizinische Produkte im Rahmen ihrer Ernährung zu konsumieren. Und auch diese Produkte werden mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Das ist ungerecht. Wer auf medizinische Produkte angewiesen ist, um sich zu ernähren, der darf am Ende nicht mehr bezahlen als Menschen, die Grundnahrungsmittel konsumieren. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das heißt: In der Intention sind wir absolut bei Ihnen. Wir glauben, wir brauchen eine Reform; aber um eine solche Reform sinnvoll auszugestalten und auf den Weg zu bringen, müssen wir uns noch drei Punkte genauer anschauen.
Erstens. Wir brauchen eine Mehrwertsteuer, die der gesellschaftlichen Realität besser entspricht. Das sehen wir ja bei der Definition von Grundnahrungsmitteln.
(Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Wir glauben, dass wir da rangehen müssen, sind aber auch der Meinung, dass man das nicht per Gesetz einfach so regeln und mal eben alle Produkte aufschreiben kann, die einem gerade einfallen. Nein, das muss tiefgründiger erfolgen.
Zweitens. Mit dem jetzigen Mehrwertsteuersystem verlieren wir absolut die Lenkungswirkung. Steuern – darauf habe ich stets hingewiesen – haben ja eine grundsätzliche Lenkungswirkung. Ich glaube, dass wir mit der Mehrwertsteuer das Konsumverhalten der Menschen in eine bestimmte Richtung lenken können, indem wir dafür sorgen, dass nachhaltige, ökologisch neutrale, aber auch gesundheitsfördernde Produkte zu einem ermäßigten Steuersatz angeboten werden. Hier stellt sich auch die Frage, wie wir unsere Steuerpolitik eigentlich betreiben wollen, um unsere gesellschaftlichen Ziele zu erreichen.
Drittens: die Frage der Finanzierung. Sie wissen es: Die Umsatzsteuer ist eine der größten Einnahmequellen des Bundes. Sie ist eine Gemeinschaftsteuer. Das heißt, wir teilen uns die Einnahmen mit den Ländern. Im Jahr 2021 haben wir ungefähr 190 Milliarden Euro eingenommen; davon gingen 51 Prozent an die Bundesländer.
Wir sehen ja, dass die Zahl der Aufgaben zunimmt. Wir sehen aber auch, dass die Bundesländer zunehmend mehr Aufgaben übernehmen müssen. Deswegen halte ich es schon für richtig, dass wir die Reform so gestalten, dass wir keine Engpässe haben, dass wir finanziell nicht wesentlich schlechter gestellt sind und dass wir natürlich auch das Gespräch mit den Bundesländern suchen; denn am Ende wird eine solche Reform nur funktionieren, wenn wir auch die Profiteure der Umsatzsteuer mit ins Boot holen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns hier von der Linkspartei bis zur Union grundsätzlich einig, dass wir bei der Frage der Mehrwertsteuer definitiv was machen müssen. Unsere Fraktion steht dafür zur Verfügung. Wir werden die Debatte weiter verfolgen, und wir wollen mit allen Fraktionen dieses Hauses konstruktiv zusammenarbeiten, damit es uns gelingt, eine Reform auf den Weg zu bringen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Herzlichen Dank. – Das endete ganz genau mit Ende der Redezeit.
Jetzt folgt Frank Rinck für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546696 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel |