Lennard OehlSPD - Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren die Senkung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Lebensmittel nicht zum ersten Mal, besonders deshalb, weil die bisherige Definition, was Grundnahrungsmittel angeht, ja wirklich aus der Zeit gefallen ist. Es werden hier im Plenum immer wieder groteske Beispiele für Produkte mit reduzierten Mehrwertsteuersätzen zum Besten gegeben. Ich erspare Ihnen jetzt mal meine Beispiele, die ich bei meiner Recherche gefunden habe.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Oh! Das tut uns leid!)
Aber diese Beispiele machen deutlich, dass es einen großen Reformbedarf beim aktuellen Flickenteppich im Mehrwertsteuersystem gibt.
Wir brauchen eine grundlegende Reform der Mehrwertsteuer. Aber da eine schnelle Umsetzung einer solchen Reform nicht abzusehen ist, eignet sich die Mehrwertsteuer eben nicht als Stellschraube für eine schnelle Entlastung;
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das haben wir doch heute gemacht!)
denn darum geht es ja eigentlich in der Debatte. Wir wollen aufgrund der hohen Preissteigerungen eine schnelle und unbürokratische Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Die Anträge der Linken suggerieren, dass die Ampelkoalition da bisher zu wenig getan hätte.
(Victor Perli [DIE LINKE]: Das stimmt ja auch!)
Aber die Ampelkoalition hat geliefert, und wir werden auch weiter liefern. Zwei Entlastungspakete sind bereits umgesetzt. Das dritte ist in der Diskussion, und wir haben gerade gestern verkündet, dass es zu einem Abwehrschirm für Bürgerinnen und Bürger sowie für Betriebe kommen wird, der vor den hohen Energiekosten schützen wird. Es geht hier um ein Volumen von insgesamt über 290 Milliarden Euro.
(Beifall bei der SPD)
Wir werden eine Strompreisbremse für den Grundbedarf einführen, die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen vor den hohen Strompreisen schützt. Auch den Anstieg der Gaspreise werden wir bremsen. Aber wir werden uns natürlich auch die Angebotsseite ansehen. Wir werden das Energieangebot durch den Anschluss der neuen LNG-Terminals, aber auch durch neue Lieferverträge erweitern. Das alles sind wichtige Maßnahmen, die genau jetzt zur richtigen Zeit kommen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir müssen vor allem diejenigen unterstützen, die besonders betroffen sind, so Familien durch die Erhöhung des Kinderzuschlages, des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages – all das trägt dazu bei, dass besonders zielgerichtet entlastet werden wird – oder stark belastete Mieterinnen und Mieter durch einen Heizkostenzuschuss. Außerdem ist eine umfassende Reform des Wohngeldes in Planung. Das Wohngeld wird so weit ausgeweitet wie noch nie zuvor, damit das Dach über dem Kopf diesen Winter nicht gefährdet wird.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Hinzu kommen weitere Maßnahmen wie die Entfristung und die Verbesserung der Homeoffice-Pauschale. Dies entlastet eben auch Familien mit kleineren Wohnungen, die bisher kein Arbeitszimmer absetzen konnten.
Und auch das ist mir wichtig zu betonen: Ausgaben erfordern immer auch Einnahmen. Um die Einnahmenseite zu stärken, werden wir in dieser Wahlperiode ganz intensiv gegen Steuerbetrug, Steuervermeidung und Geldwäsche vorgehen. Vor allem in Europa setzen wir uns zudem dafür ein, die Zufallsgewinne, die in der Stromerzeugung aktuell generiert werden, endlich abzuschöpfen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es gibt aber auch ganz klassische ökonomische Gründe, die gegen die Anträge der Linksfraktion sprechen. Es ist ja zunächst gar nicht sichergestellt, in welchem Umfang die Aussetzung der Mehrwertsteuer tatsächlich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das kann man ja kontrollieren!)
Wir haben 2020 während der Coronapandemie die Mehrwertsteuer befristet abgesenkt – das war ja in der damaligen Situation richtig –, weil wir die Konjunktur damit stimulieren wollten. Im Rückblick sehen wir, dass dies für die Konjunkturstimulation zwar richtig war, die Steuersenkung aber nur zu 60 bis 70 Prozent weitergegeben wurde. Wir können es uns in der aktuellen Situation und in Anbetracht der hohen Kosten nicht erlauben, dass ein Drittel einer solchen Steuersenkung gar nicht bei den Menschen ankommt. Bei einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf 0 Prozent wären wir geschätzt bei Kosten im zweistelligen Milliardenbereich. Für dieses Geld gibt es effizientere Entlastungsmaßnahmen; ich habe sie eben aufgezählt. Die Ampelkoalition wird sie auf den Weg bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bei all den Entlastungsmaßnahmen, die in dieser Krise notwendig sind, brauchen wir auch eine hohe Zielgenauigkeit. Es ist ja richtig, dass die Mehrwertsteuer regressiv wirkt und Menschen mit geringerem Einkommen bei der Senkung, relativ gesehen, stärker entlastet werden. Aber genauso gut werden natürlich Spitzenverdiener entlastet, die die Steuersenkung gar nicht nötig haben und, absolut gesehen, wahrscheinlich noch stärker davon profitieren.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wahrscheinlich! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Vielleicht!)
Zum Schluss möchte ich noch Folgendes anmerken: Die Forderung, die Liste der Grundnahrungsmittel im Mehrwertsteuerrecht zu überarbeiten, ist grundsätzlich sinnvoll. Aber seien wir ehrlich: Auch danach würde diese Liste nie abschließend fertig sein. Es werden sich auch dann immer wieder Lebensmittel finden, für die erneut eine Steuersenkung gefordert wird.
Wir werden das Problem nicht lösen, indem wir weitere Ausnahmen schaffen. Daher werden wir den Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und jetzt erhält Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546700 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel |