Rasha NasrSPD - Aktuelle Stunde - Deutschland ein Jahr nach der Bundestagswahl - Zeit für Klarheit und Führung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr ist seit der Bundestagswahl vergangen. Für mich war es, ehrlich gesagt, nie selbstverständlich, dass Menschen wie ich dieses Land politisch mitgestalten: eine junge Frau aus Dresden mit Migrationsbezug. Dass ich nun tatsächlich hier sein darf, ist für mich jeden Tag aufs Neue ein großes Abenteuer, und ich will, dass zukünftige Generationen es als selbstverständlich ansehen, hier zu sitzen; denn wir sind hier, um zu bleiben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])
Es ist ja schon interessant, dass die Union heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Aber gut, ich schaue gern mit Ihnen auf das letzte Jahr zurück. Ich habe auch ein paar Beispiele für Sie mitgebracht.
Ich darf als stellvertretende Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion seit gut einem Jahr die großen Projekte in diesem Bereich mitbearbeiten. Für mich gibt es kaum einen spannenderen Bereich; denn wir haben so wahnsinnig viel zu tun. Ich bin dankbar, mit Hubertus Heil einen Minister im Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu wissen, der sich wirklich um die Belange der Menschen kümmert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben eine stabile Arbeitsmarktlage, und auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist gestiegen. Das hat mit kluger und vorausschauender Politik zu tun. Das Kurzarbeitergeld zum Beispiel hat in der Pandemie Tausende Arbeitsplätze gerettet. Ich weiß nicht, ob Sie es schon wieder vergessen haben, aber Sie haben erst gestern gegen die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes gestimmt. Wie Sie sich noch in den Betrieben in Ihren Wahlkreisen blicken lassen wollen, das sei ganz Ihnen überlassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächstes Beispiel. Ab morgen werden 6 Millionen Menschen in diesem Land von der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro profitieren, alleine bei mir in Dresden über 51 000 Menschen, in ganz Sachsen über 420 000. Das war ein zentrales Wahlkampfversprechen. Wir reden eben nicht nur, wir machen. Wer hat sich bei der Abstimmung zum Mindestlohn heldenhaft enthalten? Ausgerechnet die, die Klarheit und Führung verlangen!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir führen zum 1. Januar 2023 das neue Bürgergeld ein und setzen damit mal eben eine der größten sozialpolitischen Reformen der letzten 20 Jahre um. Und da ärgert es mich schon, dass die Debatte hier immer nur auf die Sanktionen und den Regelsatz verengt wird. Den einen ist es immer zu wenig, die schwadronieren hier in einer Tour vom bedingungslosen Grundeinkommen, und die anderen wollen munter weiter durchsanktionieren. Dass Sie diese Lügen immer noch verbreiten und wahrscheinlich sogar selbst glauben,
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach Gott!)
stimmt mich wirklich traurig und zeigt noch mal mehr, dass dieses Land nach 16 Jahren CDU im Kanzleramt nach Veränderung gelechzt hat.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU] – Konstantin Kuhle [FDP]: Das stimmt!)
– Wenn Sie es nicht hören wollen, beantragen Sie nicht so eine Aktuelle Stunde; das ist nicht mein Problem.
Wir sorgen endlich für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das seinen Namen auch verdient hat. Viel zu lange haben wir klugen und gut ausgebildeten Menschen den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt verwehrt. Deshalb bauen wir Bürokratie ab, vereinfachen Visabestimmungen und werden mit der Chancenkarte dafür sorgen, dass Menschen hier eine echte Chance auf eine eigene Perspektive in Deutschland bekommen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und ja, das soll auch für Geflüchtete gelten, Frau Lindholz. Auch ihnen wollen wir einen einfacheren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ermöglichen. Es ist schlicht unfair, Menschen, die ihre Heimat verlieren und hier ein neues Leben aufbauen wollen, dann auch noch die Chance zu nehmen, das wirklich umzusetzen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir wollen, dass Menschen hier ein selbstbestimmtes Leben führen und sich eine eigene Perspektive aufbauen können. Das war in Ihren Reihen nie wirklich gewünscht, oder, liebe Union? Ich kann zumindest bis heute keine konsistente oder klare Position Ihrerseits zum Thema Einwanderung erkennen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir haben das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gemacht!)
– Das doch nicht funktioniert hat.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Beschäftigen Sie sich doch mal mit den Themen! Und reden Sie nicht solch einen Unsinn daher! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Sie weiß gar nicht, wovon sie redet!)
– Okay, reden wir über Unsinn. Wir haben alle die Aussage Ihres Fraktions- und Parteivorsitzenden vernommen, der letztens allen Ernstes von Sozialtourismus in Bezug auf ukrainische Geflüchtete gesprochen hat.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach Gott! Ach Gott! Ach Gott!)
Schämen sollte er sich. Was fällt ihm eigentlich ein?
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sagen Sie mal was Neues! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Sagen Sie mal was Neues hier!)
Noch im Frühjahr ist er in die Kriegsgebiete gefahren und hat große Solidarität demonstriert. Jetzt schlägt er allen ukrainischen Geflüchteten mit diesem Wort – das gefällt übrigens der AfD sehr gut; herzlichen Glückwunsch dazu! – mit voller Breitseite ins Gesicht.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
Was fällt ihm ein?
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie wollten etwas zu Ihren Themen sagen, aber da ist offensichtlich nichts da!)
Da braucht er sich im Nachhinein auch nicht hinzustellen und sich zu entschuldigen, als ob er nicht wusste, was er mit diesem Wort sagt. Das ist doch wirklich unanständig. Und Sie schreien jetzt hier rum
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Schreien tun Sie!)
und verteidigen das auch noch. Also wirklich!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es mag wirklich unterschiedliche Gründe geben, weshalb Herr Merz in seiner langen politischen Laufbahn noch nie Regierungsverantwortung getragen hat.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das kann man wohl sagen!)
Aber die letzten Monate und Tage zeigen in jedem Fall, dass es sehr viele sehr gute Gründe gibt, dass Herr Merz niemals Regierungsverantwortung tragen sollte.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE] – Peter Beyer [CDU/CSU]: Jetzt kommen wir mal zu eurer Bilanz, zu euren Entscheidungen, eurer Führung! Wie ist das denn? Alles nur Gerede!)
– Das sagen Sie. Ja, ist in Ordnung. Jetzt hören Sie mir vielleicht noch kurz zu; es sind nur noch 10 Sekunden.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Da bin ich aber mal gespannt!)
Ich bin dankbar, dass wir einen Bundeskanzler Olaf Scholz haben, der in schwierigen Zeiten standhält und uns besonnen, sachlich und kompetent durch schwieriges Fahrwasser navigiert.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Na ja! Sehr ausbaufähig!)
Denn es macht eben einen Unterschied, wer regiert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es folgt für Bündnis 90/Die Grünen Jürgen Trittin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546716 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Deutschland ein Jahr nach der Bundestagswahl - Zeit für Klarheit und Führung |