Detlef SeifCDU/CSU - Opt-Out vom Gemeinsamen Europäischen Asylsystem
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag verlangt die AfD ein Opt-out Deutschlands aus dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem entsprechend dem Vorbild Dänemarks. Das wäre schlicht rechtswidrig. Das Recht zu einem Opt-out, also zur Nichtanwendung des europäischen Rechts, muss – das ist gerade schon zutreffend gesagt worden – durch Protokollerklärung festgehalten werden. Das hat das Vereinigte Königreich gemacht, ebenso Irland, Polen und Dänemark, aber Deutschland nicht, und deshalb könnte Deutschland auch nicht aus diesem Rechtsbereich austreten.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
Meine Damen und Herren, Dänemark will zukünftig die Unterbringung der Asylbewerber im Asylverfahren in Drittländer auslagern und hat sich zwischenzeitlich mit Ruanda auf eine Erklärung verständigt, die ein solches Verfahren vorbereiten soll. Herr Curio, Sie haben gerade gesagt, irgendwas sei faul im Staate Germany. Der Spruch heißt: „Es ist was faul im Staate Dänemark“, und das merkt man auch in diesem Punkt.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jetzt kommt die eigentliche Kernaussage: Unabhängig vom europäischen Recht verstößt eine derartige Verbringung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu einer vorgesehenen Verbringung eines Menschen vom Vereinigten Königreich nach Ruanda hat gezeigt, dass dies wahrscheinlich keinen Bestand haben wird.
Ruanda ist im Übrigen – lassen Sie das mal auf sich wirken – nicht, zumindest für mich nicht, als außerordentlicher Rechtsstaat oder zuverlässiger Partner bekannt. Dort gibt es auch keine außerordentlich guten oder einfach nur durchschnittlichen Aufnahmebedingungen.
Wie kann die AfD überhaupt auf die Idee kommen, dass wir Menschen im Zuge eines Asylverfahrens von Deutschland nach Ruanda verbringen könnten? Sie haben doch sicherlich zur Kenntnis genommen, dass wir im letzten Jahr verschiedene Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zu den Aufnahmebedingungen in Griechenland und Italien hatten. Wir haben anerkannt Schutzberechtigte, die wir nicht von Deutschland in diese Länder zurückführen können, sondern die hier nochmals einen Antrag stellen. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren! Das wird unter dem Gesichtspunkt nicht möglich sein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber eines ist klar – Sie haben die Zahl genannt –: Wir haben in den letzten Jahren eine Gesamtschutzquote von 40 Prozent. Das heißt, hier sind tatsächlich 60 Prozent, die unser System ausnutzen. Und leider ist festzustellen, dass die Ampelregierung hier die erforderlichen Schritte zurzeit nicht geht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Aber Sie selber haben es getan, ja? – Weiterer Zuruf von der AfD: Wie heuchlerisch ist das denn?)
Stattdessen werden durch einen Systemwechsel noch neue Anreize geschaffen, höhere Standards, erweiterte freiwillige Aufnahmen, einfachere Möglichkeiten zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, Stichwort „Chancen-Aufenthaltsrecht“. Das schafft zusätzliche Anreize und ist kontraproduktiv.
(Beifall bei der CDU/CSU -Enrico Komning [AfD]: Das fällt Ihnen aber früh ein!)
Der überwiegende Teil der EU-Mitgliedstaaten will eine restriktive Asylpolitik. Der österreichische Bundeskanzler hat gestern gesagt: Jetzt ist endgültig Schluss.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion will im Gegensatz zur AfD nicht das Ende der Humanität und des Flüchtlingsschutzes, sondern nur das Ende des Missbrauchs. Da liegt der große Unterschied.
(Beifall bei der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Das hätten Sie ja lange machen können zu Ihren Regierungszeiten!)
Die frühere Bundesregierung hat geeignete Maßnahmen vorgeschlagen, die auch von der EU-Kommission übernommen wurden. Ganz wichtiges Kernelement ist das Grenzverfahren: Prüfung vor Ort, erkennungsdienstliche Behandlung, Sicherheitsüberprüfung, Gesundheitsprüfung und vor allen Dingen eine Vorabprüfung des Asylverfahrens, damit die Menschen, die erkennbar keinen Anspruch haben, noch von der Grenze aus zurückgeführt werden.
Herr Abgeordneter Seif, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Demir aus der SPD-Fraktion?
Ja, gerne.
Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Es geht um das Chancen-Aufenthaltsrecht, das besagt, dass Menschen, die seit fünf Jahren hier geduldet sind, im Anschluss ein Bleiberecht bekommen sollen. Was haben Sie dagegen, dass eine Person, die jetzt hier geduldet ist und offenbar momentan auch nicht zurückgeführt werden kann, danach beispielsweise als Pflegekraft oder als Koch oder Köchin hier arbeitet? Ich frage Sie ganz offen: Was haben Sie gegen dieses Gesetz?
Darunter fallen auch Menschen, die zwar nicht über ihre Identität getäuscht haben, aber deren Identität wir nicht kennen. Ich habe nicht im Ansatz Verständnis dafür, dass uns jemand nicht seine Vita erklärt, seinen Hintergrund, und dann noch erwartet, dass er hier einen Vorteil bekommt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Entscheidende ist – man kann es in einem Wort sagen –: Ihr Vorhaben ist so, wie es vorgelegt wurde, Murks; denn Sie berücksichtigen nicht, dass es Asylverfahren gibt, die in Gänze länger als fünf Jahre dauern. Viele Verfahren sind noch bei den Gerichten anhängig; es steht noch eine Prüfung an, ob hier ein Schutzanspruch besteht oder nicht. Wenn Ihr Gesetz in Kraft tritt, werden ganz viele Menschen ihre Anträge zurücknehmen und dann hier ein Chancen-Aufenthaltsrecht haben. Das ist eine Umgehung des Rechtsstaates. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Allein das ist schon Grund, warum wir als Fraktion das ablehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Setzen Sie sich als Ampel bitte für einen Punkt ein, der wirklich wichtig ist, das Grenzverfahren. Ich habe es vorhin gesagt: Das ist ein Kernelement. Ich höre jetzt, dass S&D – dazu gehört ja auch die SPD – und Grüne in Brüssel jetzt nicht mehr anstreben, dass das ein verbindliches Verfahren wird, sondern dass es freiwillig ist, was auch innerhalb der Europäischen Union durchgeführt wird. Das ist eine komplette Entwertung eines Systems, das hier auch nur halbwegs funktionieren kann. GEAS würde dann lauten: gescheitertes europäisches Asylsystem.
Sie sind in der Pflicht.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Lassen Sie uns alle daran arbeiten, dass das System funktioniert! Aber ich bitte die Ampel, in Brüssel mit Nachdruck vorzugehen. Das ist der nächste Schritt, der uns wirklich weiterhilft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es folgt für Bündnis 90/Die Grünen Leon Eckert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546822 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 59 |
Tagesordnungspunkt | Opt-Out vom Gemeinsamen Europäischen Asylsystem |