Stephan ThomaeFDP - Opt-Out vom Gemeinsamen Europäischen Asylsystem
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Ampelkoalition will einen Paradigmenwechsel in der Asyl- und Migrationspolitik wagen. Der AfD-Antrag gibt vor, ein komplexes Problem mit einfachen Antworten lösen zu können. Leider gibt es Menschen, die dieser Verheißung einer einfachen Antwort auf schwierige Fragen folgen und sich täuschen lassen.
(Martin Reichardt [AfD]: Sie haben ja gar keine!)
Für die AfD sind mehr oder weniger alle Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, Asyl- und Sozialbetrüger, die auf Kosten anderer auf der faulen Haut liegen wollen. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie sich in Europa Arbeit oder ein besseres Leben erhoffen, ist das für sich genommen noch kein Betrug. Das Problem besteht darin, dass der Weg in unseren Arbeitsmarkt nur sehr schmal ist und mit sehr vielen Hürden versehen ist, und das, obwohl unser Arbeitsmarkt, unsere Gesellschaft Arbeitskräfte eigentlich dringend nötig hätte, meine Damen und Herren.
Deshalb will die Koalition mehr reguläre und legale Migration möglich machen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn wenn es legale und reguläre Wege gibt, um bei uns Arbeit und Ausbildung zu finden, und wenn wir diesen Weg auch aktiv bewerben, dann werden weniger Menschen Schlepper und Schleuser mit viel Geld bezahlen und in der Wüste und auf dem Meer Leib, Leben, Gesundheit und Freiheit aufs Spiel setzen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Seif, ich fand vieles von dem, was Sie sagten, durchaus richtig.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Alles! – Detlef Seif [CDU/CSU]: Alles!)
Aber wir entlasten doch unser Asylsystem, wenn wir aus irregulären Asylbewerbern reguläre Arbeitseinwanderer machen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ganz genau!)
Wir geben Menschen eine faire Chance, wenn sie in Europa ein besseres Leben suchen. Das nützt doch unserer Wirtschaft, die händeringend nach Arbeitskräften sucht. Und wir entlasten unsere Sozialsysteme, wenn wir aus Hilfeempfängern Erwerbstätige machen, die Steuern bezahlen und in die Sozialversicherungssysteme einzahlen. Zugleich nützt es auch den Verbrauchern, wenn Arbeitsstellen im Handwerk und in Dienstleistungsberufen wieder besetzt werden. Deswegen sollten wir diesen Weg beschreiten, der das Potenzial hat, vielen Menschen in Deutschland zu nützen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir erklären aber zugleich nicht wie die AfD alle Asylbewerber zu Betrügern. Anders als die AfD stehen wir auch zu unseren humanitären Verpflichtungen. Anders als Dänemark und andere Staaten erklären wir uns auch nicht für unzuständig und überlassen die Lösung des Flüchtlingsproblems anderen.
Wir bekennen uns zum Recht auf Asyl. Wir prüfen gewissenhaft jeden Asylantrag und gewähren Schutz und Hilfe da, wo die Voraussetzungen vorliegen.
(Martin Reichardt [AfD]: Das stimmt doch gar nicht!)
Wir wollen aber auch konsequenter sein, wenn wir zu dem Ergebnis gelangen, dass kein Asylgrund vorliegt. Deshalb wollen wir Asylverfahren beschleunigen. Wir wollen die Rückkehrberatung verbessern. Wir wollen eine Rückführungsoffensive starten. Wir wollen, dass ein Sonderbevollmächtigter Migrationsabkommen mit wichtigen Herkunftsländern schließt, in denen auch Abschiebungsregelungen vereinbart werden.
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Wann kommt das denn? – Enrico Komning [AfD]: Das wollte die CDU schon!)
Ein solcher Paradigmenwechsel ist ein großes Vorhaben. Die ersten Komponenten sind schon im Kabinett behandelt worden und befinden sich zurzeit in der Ressortabstimmung.
Vor allem: Anders als die AfD blicken wir auch nicht ablehnend auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem. In Dänemark funktioniert der Opt-out nur deshalb, weil andere Staaten ihre humanitären Pflichten ernster nehmen als die Dänen. Denn wenn sich alle einen schlanken Fuß wie Dänemark machen, dann stauen sich die Probleme doch an anderer Stelle auf. Das wäre auch nicht unsere Vorstellung von einem Europa, in dem man Probleme gemeinsam löst, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nun ist die Große Koalition zusammen mit der Union in der letzten Wahlperiode beim Thema Erwerbsmigration mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sogar einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Uns fehlen allerdings nicht nur qualifizierte Fachkräfte und Akademiker, sondern zunehmend auch ganz einfache Arbeitskräfte für Berufe, in denen keine Spezialisierung oder hohe Qualifikation notwendig ist.
(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: 5 Millionen Arbeitslose!)
Ein Teil dieser Menschen lebt schon bei uns im Land. Sie haben aber das Problem, dass sie die Hürden des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nicht überwinden konnten. Sie können aber auch nicht abgeschoben werden und können als Geduldete nun nicht richtig bei uns im Arbeitsmarkt integriert werden. Dieses Problem wollen wir nun endlich lösen für diejenigen Menschen, die zum Beispiel während der Flüchtlingswelle 2015 ins Land kamen und seit Jahren mit Kettenduldungen im Ungewissen leben.
Wir wollen eine pragmatische Lösung, die auch funktioniert, –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– für Menschen, die sich bei uns gut integriert haben. Das ist es, was die Koalition beabsichtigt. Deshalb werden wir den Antrag der AfD ablehnen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Wer hätte das gedacht! – Martin Reichardt [AfD]: Das war eine echte 4,8‑Prozent-Rede!)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Dr. Silke Launert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546825 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 59 |
Tagesordnungspunkt | Opt-Out vom Gemeinsamen Europäischen Asylsystem |