12.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 59 / Tagesordnungspunkt 23

Silke LaunertCDU/CSU - Opt-Out vom Gemeinsamen Europäischen Asylsystem

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „ In jeder Schwierigkeit lebt die Möglichkeit.“ Worte, die zum Handeln motivieren, die der Resignation entgegenwirken und die von Albert Einstein stammen. Und ohne Zweifel: Die Herausforderungen, vor denen die EU-Mitgliedstaaten stehen, sind gewaltig und von Schwierigkeiten geprägt. Ebenso schwierig und zugleich mühsam – quasi oft erfolglos – sind die Debatten über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Die aktuelle Lage zeigt uns wieder, dass es erheblichen Verbesserungsbedarf und dringenden Handlungsbedarf gibt.

Nein, die gemeinsame EU-Migrations- und -Asylpolitik funktioniert leider nicht einwandfrei: Einige der EU-Staaten werden über die Maßen belastet. Geltendes Recht wird nur zum Teil angewandt, zum Teil wird es nicht durchgesetzt. Nur ein Bruchteil der Rückführungen ist erfolgreich; selbst bei uns werden nur 6 Prozent der Überstellungen letztlich vollzogen. Der EU-Außengrenzschutz funktioniert nur lückenhaft, ebenso die Registrierung.

Klar ist also: Die Reform ist überfällig. Nur – das sage in Hinblick auf Ihren Antrag – glauben wir nicht, dass die Lösung ein deutscher Sonderweg, ein nationaler Alleingang ist. Eigentlich sollten wir aus 2015 gelernt haben, dass das nicht so gut ist, sondern dass es wichtig ist, sich in der EU abzustimmen, so mühsam, so schwierig das auch ist.

(Enrico Komning [AfD]: Das wird doch aber nichts, Frau Kollegin!)

Denn in der Schwierigkeit liegt irgendwann die Möglichkeit der Chance.

(Enrico Komning [AfD]: Die steigen alle aus!)

– Wie gesagt, vielleicht steigen wir mit aus. Das ist die Frage. Auch wir müssen uns vielleicht bewegen.

(Enrico Komning [AfD]: Ja, wir sollten dann auch irgendwann aussteigen!)

Ich baue trotzdem auf die Ampel, dass sie es als links-grüne Regierung in der Hand hat, diesen Schritt zu machen. So wie vielleicht nur eine Regierung mit grüner Beteiligung eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durchsetzen kann, können Sie vielleicht einen restriktiveren und dann von den meisten Mitgliedsländern der EU getragenen Kurs gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Das ist jetzt aber Ironie! – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon ein bisschen hinten durch die Brust ins Auge!)

Denn Fakt ist: Wir leben nun einmal in einem Schengenraum. Es ist schon angesprochen worden: Diese gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik ist Primärrecht. Wir können eben nicht sagen: Wir gehen einfach raus; wir machen das, was wir wollen. – Das ist natürlich ein Problem. Bedenke die Folgen! Wenn Deutschland, das Mitverursacher der letzten Jahre war, plötzlich sagt: „Wir gehen aus diesem wesentlichen Teil raus. Es ist uns doch egal, was andere EU-Länder alles sagen und denken“, dann haben wir ein Problem. Deshalb halten wir diesen Lösungsweg nicht für den richtigen.

Schauen wir uns die aktuelle Lage an. Wir haben in diesem Jahr durch diesen schrecklichen Krieg bedauerlicherweise über 1 Million registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine, die wir natürlich aufnehmen, wenn in der Nachbarschaft Krieg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben absehbar wahrscheinlich über 200 000 irreguläre Asylgesuche. Heute erst haben wir den Bericht der Innenministerin im Innenausschuss gehört.

Uns erreichen Hilferufe der Bürgermeister und der Landräte, die die Regierung anflehen: Bitte helft uns! Wir schaffen es nicht mehr. Wir haben keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr. Unterstützt uns finanziell! Wir schaffen es nicht mehr.

(Paul Ziemiak [CDU/CSU]: So sieht es aus!)

Die Zahlen gehen jetzt schon in Richtung von 2015. Es ist nun einmal so – der Ex-Bundespräsident Joachim Gauck hatte recht –: Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich würde ergänzen: Effektiv helfen kann nur, wer sich nicht selbst überfordert.

Deshalb verstehe ich die weiteren Signale nicht. Sie meinen es gut; aber Sie werden das Land überfordern. Sie werden dazu beitragen, dass immer mehr Leute AfD wählen.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie denn das Land überfordert, als Sie 2015 die Menschen aufgenommen haben? Nein, haben Sie nicht!)

Ich verstehe es nicht! Die Leute sind unzufrieden. Die Leute haben Ängste. Leider haben die Leute Ängste ob der aktuellen Entwicklung, und leider werden einige einen Sündenbock suchen. Deshalb müssen wir versuchen, die Ängste ernst zu nehmen

(Martin Reichardt [AfD]: Probleme müssen gelöst werden!)

und das überschaubar zu halten, damit wir helfen können.

Nun zu einigen Vorschlägen der gemeinsamen Lösung, die wir unterbreiten. Es sollten – das ist von meinem Kollegen schon angesprochen worden – Vorabprüfungen der Asylverfahren an den Außengrenzen vorgenommen werden, sodass diejenigen, deren Schutzgesuche keine Aussicht auf Erfolg haben, von Vornherein keinen Zutritt in die EU haben. Es braucht ein funktionierendes System in der EU. Sekundärmigration müssen wir unterbinden. Das ist schwierig, aber wir müssen nun einmal reden, reden, reden. Das hilft mehr, als immer nur kluge Reden – – mit anderen reden.

(Lachen des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim nächsten Mal vorher überlegen, was man sagen will!)

Schließlich geht es auch um die Erweiterung des Familienbegriffs. Auch das führt zu einer Sogwirkung, die wir im Moment – leider Gottes – nicht gebrauchen können.

Sie sehen: Es ist sehr viel zu tun.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Sie haben vielleicht mehr Möglichkeiten als eine andere Regierung. Fast alle anderen Länder der EU wollen einen restriktiven Kurs. Blockieren Sie diesen gemeinsamen Weg nicht – zum Wohle Europas, zum Wohle des Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Gülistan Yüksel.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546826
Wahlperiode 20
Sitzung 59
Tagesordnungspunkt Opt-Out vom Gemeinsamen Europäischen Asylsystem
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