13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 7

Dagmar SchmidtSPD - Bürgergeld-Gesetz, Sozialer Arbeitsmarkt

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind schwierige Zeiten, in denen wir im Moment Verantwortung tragen: hohe Energiepreise, Inflation, Sorgen um die Zukunft. Der Krieg Putins gegen die Ukraine macht uns Angst. Die Auswirkungen spüren wir alle, wir spüren sie aber unterschiedlich hart. Die einen nutzen diese Zeiten, um unsere Gesellschaft zu spalten, um die einen gegen die anderen auf den Platz zu führen und um aus den berechtigten Sorgen der Menschen ein populistisches Süppchen zu kochen.

Die anderen übernehmen in dieser Zeit Verantwortung für das ganze Land: Wir kümmern uns um diejenigen, die Arbeit haben,

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Sie machen Populismus! – Gegenruf von der SPD: Sag mal!)

und um diejenigen, die keine haben. Wir kümmern uns gerade um diejenigen, die arbeiten und trotzdem ein geringes Einkommen haben. Wir haben deshalb den Mindestlohn auf 12 Euro erhöht. Wer Vollzeit arbeitet, hat 280 Euro brutto mehr.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben deshalb den Übergangsbereich auf 2 000 Euro angehoben. Wer 1 250 Euro verdient, hat 50 Euro mehr. Deshalb haben wir das Kindergeld um 18 Euro und den Kinderzuschlag um 21 Euro erhöht.

(Zuruf von der AfD: Schäbig!)

Deswegen werden wir auch das „Wohngeld Plus“ erhöhen und das Wohngeld damit für 1,4 Millionen Menschen mehr um durchschnittlich 190 Euro im Monat deutlich erhöhen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden mit der Gas- und Wärmepreisbremse Last und Sorgen von den Schultern nehmen. Wir schützen in diesen schwierigen Zeiten diejenigen, die keine großen Reserven auf ihren Konten haben, die nicht jeden Monat etwas für die schlechten Zeiten zurücklegen konnten, die sich anstrengen und für die es oft trotzdem nicht reicht. Und wir stützen diejenigen, die keine Arbeit haben, indem wir Hartz IV überwinden und das Bürgergeld schaffen.

Man kann der Ansicht sein, dass es einen niemals trifft, dass man die beste Geschäftsidee, den sichersten Job hat, dass man selber resilient gegen alle Schicksalsschläge ist, dass man eine Gesundheit hat wie Karl Lauterbach,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

dass man auf alle Lebensrisiken vorbereitet ist. In der echten Welt gilt das aber für die allermeisten nicht. Das haben wir besonders in der Pandemie gesehen – gerade bei den Soloselbstständigen –, das gab es aber auch schon vorher: den spezialisierten Akademiker, dessen Spezialisierung nicht mehr gefragt ist, die Fachkraft mit Krebs, die Alleinerziehende mit Burn-out. Deswegen ist es richtig, dass wir Respekt vor der Lebensleistung dieser Menschen haben, dass sie keine Angst haben sollen, gleich alles zu verlieren,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

dass sie sich darauf konzentrieren können, sich neu zu orientieren, zu qualifizieren, einen Job statt einer Wohnung zu suchen, damit sie schnell wieder Anschluss und einen guten Job finden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und wo ist der Anreiz?)

Wir wollen auch eine echte Perspektive für diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite großgeworden sind, für diejenigen, die es aus der Bahn geworfen hat, die mit verschiedenen Problemen gleichzeitig kämpfen, die nicht die Chance hatten, eine gute Arbeit zu finden, und denen das Leben nicht so leichtfällt wie anderen. Es ist eine Frage des Respekts, und das machen wir: Wir unterstützen nicht von der Stange, sondern individuell, je nach persönlicher Lage; wir setzen bei den Stärken, Möglichkeiten und Vorstellungen der Arbeitslosen an, damit es am Ende Erfolg hat.

Es ist auch eine Frage des Respekts, etwas von den Menschen zu erwarten – dass sie mithelfen, dass sie mitwirken –, ihnen etwas zuzutrauen und ihnen als Partner auf dem Weg zur Seite zu stehen. Deswegen ist es nicht weniger als ein Paradigmenwechsel, den wir mit dem Bürgergeld einleiten. Es geht nicht um die schnelle Vermittlung in irgendeine Arbeit. Eine nachhaltige Vermittlung in gute Arbeit steht im Vordergrund, wenn nötig durch Qualifizierung, Ausbildung, Coaching; wenn nötig, sollen gesundheitliche und persönliche Probleme weggeräumt werden, damit eine echte Perspektive für die Menschen gelingt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht nur für den Einzelnen richtig, lieber Stephan Stracke, das ist auch für die Gesellschaft insgesamt richtig; denn auch wenn Sie es den arbeitslosen Menschen nicht gönnen:

(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Das hat keiner gesagt!)

Für unsere Wirtschaft, die dringend nicht nur nach Fach-, sondern auch nach Arbeitskräften sucht, ist es richtig. Für sie ist es nämlich wichtig, dass wir Menschen befähigen, langfristig ihren Job zu machen. Nicht Verbandsfunktionäre, aber echte Unternehmer wollen keine unmotivierte, durch Sanktionsandrohung erfolgte Bewerbung auf dem Tisch haben.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Sie wollen, dass die Menschen, die sich bewerben, die zu ihnen kommen, qualifiziert und motiviert sind,

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wie sollen die denn motiviert sein mit einer Vollversorgung?)

dass sie Lesen und Schreiben gelernt haben, dass sie, wo die Schule versagt hat, eine Ausbildung nachgeholt haben, dass sie Mut gefasst haben und am Abend stolz auf das sind, was sie leisten.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Träumen Sie weiter!)

Der soziale Arbeitsmarkt, den wir entfristen, hat uns gezeigt, dass es genau so gehen kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin stolz, dass wir heute das Bürgergeld in erster Lesung in das Parlament einbringen, darauf, dass wir in der Ampelkoalition gemeinsam schaffen, was vorher nicht möglich war: eine Grundsicherung, die kein Stigma, sondern Schutz und Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben sein wird. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Kai Whittaker.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546845
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Bürgergeld-Gesetz, Sozialer Arbeitsmarkt
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