13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 7

Jens PeickSPD - Bürgergeld-Gesetz, Sozialer Arbeitsmarkt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn man der letzte Redner ist, hat man ja das Privileg, die Debatte zusammenfassen zu können. Deswegen kann ich nach dem Austausch der Argumente erst einmal feststellen: Heute ist ein guter Tag,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

ein guter Tag für unser Land, ein guter Tag für den Sozialstaat, für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land, ein guter Tag für Menschen, die Unterstützung benötigen, und – auch das ist mir besonders wichtig – ein guter Tag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Herr Stracke von der CDU hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir die Arbeiterpartei in diesem Haus sind. Ich glaube, dieser Fokus ist auch bei der gesamten Debatte ganz richtig. Denn was tun wir heute? Wir lösen ein System ab, das unter dem Namen „Hartz IV“ zu einem Synonym für die Bedrohung von Menschen wurde, das die Menschen wahrgenommen haben als eins, das ihnen nicht half, sondern das gesellschaftlichen Abstieg organisiert hat.

Ob das richtig ist oder nicht, ist an dieser Stelle mal egal. Fakt ist: Diese Wahrnehmung gab es, und sie hat gerade bei der arbeitenden Mittelschicht zu Verunsicherung geführt. Wer – so wie ich oder die Präsidentin – aus dem Ruhrgebiet kommt, der hat Strukturwandel erlebt. Der hat erlebt, wie Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen mussten und vollkommen unverschuldet arbeitslos wurden, weil Hoesch sein Stahlwerk in Dortmund geschlossen hat oder Opel sein Werk in Bochum. Und das hat immer gleich Tausende oder Zehntausende Beschäftigte gleichzeitig getroffen. Deswegen hatte man keine Chancen, in dieser Region wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

Wenn man dann zum Jobcenter musste, dann hat man sich nicht gedacht: „Gott sei Dank, da wird mir geholfen“, sondern man hat das als Belastung empfunden. Wenn die Menschen aber den Glauben an die Unterstützung durch den Sozialstaat verlieren, dann haben wir ein Problem. Deswegen werden wir das Vertrauen mit diesem Gesetz jetzt wiederherstellen. Wir schaffen einen Kulturwandel!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es wird genauso sein: ein Kulturwandel, der den arbeitenden Menschen in diesem Land sagt: Wenn ihr unverschuldet arbeitslos werdet, dann bieten wir euch Hilfe. Es wird nicht zuerst darum gehen, wie groß eure Wohnung ist, ob das Auto, das ihr euch hart erarbeitet habt, vielleicht zu teuer ist. – Nein, es wird vielmehr zuerst darum gehen: Welche Qualifikationen bringt ihr mit? Welche Unterstützung braucht ihr, um schnell wieder in Arbeit zu kommen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau dazu dient die Karenzzeit von zwei Jahren hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnung und des Vermögens: damit sich die Menschen nicht zuerst Sorgen um die Wohnung machen müssen. Dazu dient die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs: weil eine bessere Qualifikation auch bessere Perspektiven bedeutet, langfristig wieder in Arbeit zu kommen. Wir wissen doch alle, dass wir gut ausgebildete Fachkräfte brauchen. Und zu diesem Kulturwandel gehört auch der Kooperationsplan; denn Zusammenarbeit braucht eben keine Drohung. Sie braucht keine Sanktionen, sondern Zusammenarbeit braucht Augenhöhe; sie braucht Vertrauen, das geschaffen wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Genau deswegen entfristen wir auch den sozialen Arbeitsmarkt – § 16i SGB II –: weil wir niemanden abschreiben. Wir schreiben niemanden ab! Selbst nach vielen Jahren Langzeitarbeitslosigkeit werden wir den Menschen wieder eine Perspektive geben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deswegen gilt unser Dank auch den Kolleginnen und Kollegen der Jobcenter. Herr Whittaker hat gerade noch mal gesagt, es gebe ein Misstrauen. Das haben wir an dieser Stelle schon oft diskutiert. Nein, dieses Misstrauen gibt es nicht.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Doch!)

Die Kolleginnen und Kollegen – das sage ich, weil ich bis zum letzten Jahr selbst lange in der Kommunalverwaltung gearbeitet habe – geben jeden Tag ihr Bestes, und das wissen wir. Aber nicht die gute Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den Jobcentern ist das Problem – ganz im Gegenteil. Es ist doch der gesetzliche Rahmen, den wir setzen, mit dem die Menschen arbeiten. Und viele Beschäftigte sehen das genauso.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das sind die Gespräche, die ich mit den Kolleginnen und Kollegen geführt habe. Sie wissen, dass man mehr tun könnte, um den Menschen zu helfen.

Mit der Einführung des Bürgergeldes – das ist mir besonders wichtig – werden die Jobcenter zu einem Ort, in dem die Menschen Hilfe erfahren und das auch so wahrnehmen. Damit kommt der Kulturwandel auch bei den Beschäftigten an – weil die Menschen ihnen anders gegenübertreten werden.

Dieses Vertrauen brauchen wir dringend beim kommenden Strukturwandel, auch bei den Transformationen. Und das ist doch der Unterschied, Frau Schimke: Die Menschen demonstrierten nicht gegen das Bürgergeld, sondern sie demonstrieren, weil sie berechtigte Sorgen haben. Wir schaffen Sicherheit mit ganz vielen Maßnahmen: mit den Entlastungspaketen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

mit dem Abwehrschirm und auch mit diesem Gesetz für die Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, wenn die Krise schlimmer wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen ist es ein guter Tag; denn die Menschen können wieder Vertrauen in den Sozialstaat fassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546857
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Bürgergeld-Gesetz, Sozialer Arbeitsmarkt
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