13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Zusatzpunkt 3

Alexander ThromCDU/CSU - Migrationspolitischen Sonderweg in Europa sofort beenden

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(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist absehbar: Dieses Jahr wird das Jahr mit der höchsten Fluchtzuwanderung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sein. Das, was ich hier von der Ampel dazu höre, wie Sie mit dieser großen Herausforderung umgehen wollen, ist völlig unangemessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Geschuldet ist das natürlich vor allem dem unsäglichen Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine. Die ukrainischen Flüchtlinge haben unsere volle Solidarität; daran gibt es keinen Zweifel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Aber bis heute sind auch 150 000 Menschen irregulär über die Grenze gekommen, insbesondere aus Südosteuropa; es werden 200 000 in diesem Jahr sein. Wir haben davor gewarnt. Die Ampel hat die Lage unterschätzt. Noch in diesem Frühjahr hat die Innenministerin sich für zusätzliche Aufnahmeprogramme auf europäischer Ebene von der Koalition der Willigen feiern lassen. Jetzt hat sie getwittert – ich habe es gestern schon im Innenausschuss verraten: ich habe erstmals einen Tweet der Innenministerin gelikt –, dass sie illegale Einreisen stoppen will. Wunderbar! Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Das hat allerdings einen kleinen Shitstorm ausgelöst. Das haben wir heute auch bei den Grünen, bei der SPD und bei den Jusos gemerkt, die genau dies so nicht wollen.

(Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können auch mal was bei uns liken! – Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich mache auch ganz gute Tweets, Herr Throm! Die kann man liken!)

Das zeigt doch, dass Sie ein Problem damit haben, was Sie in der Ampelkoalition tatsächlich wollen, Herr Kollege Thomae. Das zeigt auch den deutschen Sonderweg der Ampelkoalition, den Sie in der Migrationspolitik in Europa fahren. Sie wollen diesen Paradigmenwechsel,

(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie wollen Anreize schaffen, Sie wollen weitere Öffnungen, Sie wollen weitere Zuwanderung. Und das löst in der Tat Pull-Effekte aus.

(Widerspruch des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Es ist nicht nur das Chancen-Aufenthaltsrecht, es sind nicht nur Kettenduldungen. Da sagen Sie die Unwahrheit; da führen Sie die Leute in die Irre.

(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Throm, zeigen Sie mir doch mal einen wissenschaftlichen Beleg für den Pull-Effekt! Zeigen Sie mir eine Studie! Können Sie nicht!)

Auch ein Gestatteter, der noch im Asylverfahren ist, kann, wenn er seit fünf Jahren hier ist, Ihr Chancen-Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau! – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie schaffen dieses Recht nur, weil Sie damit Personen mit ungeklärter Identität die Brücke in ein Daueraufenthaltsrecht bauen wollen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau! So ist es!)

Alle anderen Geduldeten brauchen diese Brücke nicht; da gibt es schon andere Lösungen.

Und was noch viel schlimmer ist: Bei Ihnen gelten als Jugendliche zukünftig Personen bis 27 Jahre, jedenfalls wenn sie Ausländer sind. Sie wollen allen, die maximal 27 Jahre alt sind und länger als drei Jahre hier sind, zukünftig ein Daueraufenthaltsrecht verschaffen. Wenn das kein Anreiz in der Welt ist, dann weiß ich es auch nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Leif-Erik Holm [AfD] – Zuruf des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Nein, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, sind – –

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion, von Herrn Demir?

Ja, jederzeit, gerne. – Das gibt mir die Gelegenheit, auch noch auf das zu antworten, was Sie, Herr Demir, gerade vorhin gesagt haben.

Darum geht es ja auch, Herr Throm. – Danke schön, dass Sie das zulassen.

Immer.

Zwei Fragen. Zum Ersten: Solidarität mit den ukrainischen Geflüchteten. Das finde ich sehr gut, und das ist auch selbstverständlich. Ich frage mich nur: Warum gibt es bei Ihnen nicht auch Solidarität mit anderen Geflüchteten aus anderen Ländern,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

die, wenn sie hierhinkommen, wahrscheinlich auch eine Anerkennung bekommen? Also, ich frage Sie das ganz offen.

Die zweite Frage betrifft wieder das Chancen-Aufenthaltsrecht; wir hatten die Diskussion mit Herrn Seif gestern auch. Sie haben gerade behauptet, dass bei den Menschen, die jetzt das Bleiberecht bekommen, die Identität nicht geklärt sei usw. Das Chancen-Aufenthaltsrecht für dieses eine Jahr ist ja dafür da, dass die Identität dieser Personen innerhalb dieser Zeit geklärt wird. Wenn das gemacht worden ist, dann kriegen sie eine Chance.

Warum möchten Sie diesen Menschen keine Chance geben, vor allem im Kontext des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes? Darin sind wir uns ja einig; auch Sie möchten Menschen in diesem Land haben, die den Fachkräftemangel minimieren. Warum nicht zusätzlich mit diesen Menschen?

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Also, das sind drei Fragen, Frau Präsidentin. Ich brauche entsprechend Zeit, darauf antworten zu können.

Zunächst zu der Frage der Solidarität. Sie haben vorhin in Ihrer Rede auf das Recht auf Asyl abgehoben. Das stellt auch überhaupt niemand infrage. Aber geltendes europäisches Recht ist eben auch, dass es keinen Anspruch darauf gibt, sich auszusuchen, in welches Land man geht. Man hat kein Recht auf freie Durchreise!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Und die Menschen, die nach Deutschland kommen, kommen aus sicheren Drittstaaten. Deswegen fordern wir, dass wir genau dieses Recht zukünftig durchsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Ehrhorn [AfD]: Das ist echt witzig!)

Zweiter Punkt: Chancen-Aufenthaltsrecht. Alle Geduldeten – mit Ausnahme derjenigen mit ungeklärter Identität – haben nach aktuell geltendem Recht die Möglichkeit, nach sechs bzw. acht Jahren das Recht auf Daueraufenthalt zu erwirken, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Es gibt eine einzige Gruppe von Geduldeten, die diese Möglichkeit nicht haben: Das sind diejenigen mit einer ungeklärten Identität. – Unser Staat hat bisher immer unisono über alle demokratischen Fraktionen hinweg gesagt:

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: „Demokratische Fraktionen“! Das fällt euch noch auf die Füße!)

Wir wollen wissen, wer bei uns in Deutschland lebt. Dies ist auch eine Frage der inneren Sicherheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihr Chancen-Aufenthaltsrecht ist nur notwendig, um dieser Personengruppe abzuhelfen und ihr die Möglichkeit zu geben, in diesem Jahr ihre Identität zu offenbaren.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

Das machen sie bisher nämlich deshalb nicht, weil sie dann abgeschoben werden würden.

(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Wahrheit ist: Ihr Chancen-Aufenthaltsrecht ist Ihre Rückführungsoffensive.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja, genau! – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie bereinigen damit die Abschiebestatistik. Aber Sie schaffen keine gerechten Lösungen für diejenigen, die unser Land eigentlich verlassen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Leif-Erik Holm [AfD])

Jetzt zur dritten Frage zu dem Thema der Fachkräfte.

Aber bitte ganz kurz.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Er hat drei Fragen gestellt! Er kriegt auch drei Antworten! Das ist so! Ob es gefällt oder nicht gefällt!)

Diejenigen, die das Chancen-Aufenthaltsrecht nutzen sollen, sind keine Fachkräfte. Sie müssen ihren Lebensunterhalt auch nicht vollständig sichern, sondern nur überwiegend. Deswegen ist es nicht richtig, Un- und Minderqualifizierten einen legalen Weg nach Deutschland zu geben. Auch dass die FDP beispielsweise die Balkanregel auf Maghreb, Indien, Nigeria und Gambia ausweiten will, ist, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, in der Tat der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU – Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Throm, können Sie eigentlich den Unterschied erklären zwischen Fluchtmigration und Fachkräfteeinwanderung? – Zuruf des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Diese Bundesregierung ist auf europäischer Ebene der migrationspolitische Geisterfahrer.

(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben so unfassbar wenig Ahnung! Das ist immer wieder beeindruckend! – Gegenruf der Abg. Nina Warken [CDU/CSU]: Das sagen Sie mit Ihrer „langjährigen Erfahrung“ hier? Ich glaube, Sie haben hier die wenigste Ahnung!)

Alle europäischen Länder begrenzen mit nationalen Maßnahmen illegale Migration, soweit dies möglich ist. Einzig Deutschland unter der Ampelregierung geht genau den entgegengesetzten Weg und öffnet und liberalisiert und schafft zusätzliche Anreize, nach Deutschland zu kommen im Rahmen von Fluchtmigration. Dies ist falsch. Das schadet am Ende unserer Gesellschaft, und das schadet auch der Anerkennung für die Menschen, die hier tatsächlich unseren Schutz nötig haben.

Kein Land in Europa folgt Ihnen. Alle sind dankbar, dass Deutschland diese Lasten, die Sie offensichtlich bereit sind auf sich zu nehmen, für die europäischen Länder übernimmt. Unsere Forderung ist: Hören Sie mit diesem Irrweg auf, und kehren Sie um, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort erhält Gülistan Yüksel für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546867
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Migrationspolitischen Sonderweg in Europa sofort beenden
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