13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Zusatzpunkt 3

Josip JuratovicSPD - Migrationspolitischen Sonderweg in Europa sofort beenden

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der CDU/CSU gibt es einen richtigen Satz: „Deutschland muss seinen humanitären Verpflichtungen gerecht werden“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ansonsten ist dieser Antrag sehr konfus, da hier Fragen der Migrationspolitik und Asylrechtsfragen vermischt werden.

Migrationspolitik ist mehr als nur Asylrecht. Bei Migrationspolitik geht es in erster Linie um Integration in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt. Deswegen werden wir, wie im Koalitionsvertrag gefordert, Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland machen. Dies befördert die reguläre Migration, die automatisch die irreguläre reduziert. Denn Fakt ist: Angesichts der fehlenden 400 000 Beschäftigten in Deutschland brauchen wir die Migration, die es im europäischen Raum so nicht mehr gibt.

Deshalb begrüße ich ausdrücklich die Maßnahmen der Bundesregierung, wie zum Beispiel das Chancen-Aufenthaltsrecht. Dieses bietet auch den jungen Menschen, die zu uns flüchten, sich hier integrieren und sich zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen sowie sich beruflich einbringen, die Möglichkeit, hier bleiben zu können, statt in der Ungewissheit der Duldungen zu verharren.

Kolleginnen und Kollegen und gerade Herr Throm, Sie kennen doch die Diskussionen, die man täglich in seinem Wahlkreis führt. Gerade die Unternehmer und Ausbilder verstehen die Welt nicht mehr, wenn sie junge Migrantinnen und Migranten integrieren und ausbilden, die dann abgeschoben werden, während wir händeringend nach Fachkräften suchen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Throm [CDU/CSU]: Wenn sie ausgebildet werden, werden sie nicht abgeschoben! – Nina Warken [CDU/CSU]: Quatsch! Es gibt doch Regelungen!)

Mit anderen Worten: Wer die reguläre Migration stärken und die irreguläre Migration reduzieren will, dem helfen keine zusätzlichen Schranken. Vielmehr müssen wir als Demokratinnen und Demokraten einen rechtlichen Rahmen auf der Grundlage von mehr Menschlichkeit statt reiner Bürokratie schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das verlangen Millionen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern von uns, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz helfen, das menschliche Gesicht unserer Gesellschaft zu wahren. Das müssen wir tun, statt hier, wie verschiedene Kollegen der CDU/CSU, halbherziges Lob zu bekunden.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn es schon eine Veränderung geben soll, muss man sich im europäischen Rahmen Gedanken machen, wie wir die bestehenden Konventionen anpassen, indem wir die Fluchtursachen neu definieren und anerkennen, sodass zum Beispiel neben Krieg auch Umweltschäden und Hungersnöte als Fluchtursachen berücksichtigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dabei muss man sich Gedanken machen, wie wir angesichts von weltweit 90 Millionen Flüchtlingen Fluchtursachen bekämpfen, anstatt neue bürokratische Hürden zu errichten oder gar Zäune an den Grenzen aufzustellen. So ist es meines Erachtens nach zum Beispiel wichtig, dass wir in unserer Außen- und Entwicklungspolitik neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern auch den Sozialstaat konditionell als wichtigen Bestandteil der Demokratie exportieren.

Zum Schluss – ich kann es mir als gläubiger Christ in der sozialdemokratischen Partei nicht verkneifen –: Gerade Sie von der Union als christliche Partei sollten wissen: Jesus Christus war der prominenteste Flüchtling.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Der hätte auch Asylrecht bekommen!)

Alles, was Sie mit Ihrer Politik gegenüber den Flüchtlingen tun, tun Sie Jesus Christus an.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Throm [CDU/CSU]: Unverschämtheit!)

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546879
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Migrationspolitischen Sonderweg in Europa sofort beenden
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