13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 9

Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Wohngeld-Plus-Gesetz, Heizkostenzuschussgesetz

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir am Anfang eine Vorbemerkung. Ich finde, es gibt seit dem Beginn dieses furchtbaren Angriffskrieges auf die Ukraine und der Energiepreiskrise fast schon so ein bisschen ein Schema in der Ampel: Wir als Union machen Vorschläge für notwendige Maßnahmen. Wir sehen dann aber, dass die Ampel zögert, dass sie zaudert, dass sie mal grün blinkt, mal gelb. Meistens steht sie aber auf Rot. Irgendwann, nach viel Streit – auch in der Koalition –, bewegt sich die Ampel dann doch. Aber es ist zu spät, halbherzig, und meistens sind die Maßnahmen dann auch noch mit handwerklichen Mängeln versehen. Das war beim ersten Entlastungspaket so, das war beim ersten Heizkostenzuschuss so, das war und ist ja immer noch bei der Frage der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke so. So war es bei der Senkung der Umsatzsteuer auf Energieträger; so ist es bei der Gasumlage, die Murks war.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war bei der Mietpreisbremse auch so, Herr Kollege!)

So ist es beim Gaspreisdeckel, von dem wir immer noch nicht wissen, wie er genau ausgestaltet ist. Bisher ist nur klar: Er wird frühestens im März in Kraft treten, also nach dem Winter. Das ist ungefähr so – das hat meine Kollegin Julia Klöckner gestern sehr gut gesagt –, wie wenn man jemanden nach dem Winter fragt: Ich habe hier ein paar tolle Winterreifen für dich, möchtest du die nicht kaufen? Das ist viel zu spät. Die Menschen brauchen jetzt Klarheit, sie brauchen jetzt eine Entlastung, und da kommen Sie nicht hinterher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genauso ist es auch bei der Reform des Wohngelds. Bereits im März dieses Jahres haben wir als Union in einem Entschließungsantrag einen höheren Zuschuss bei den Heizkosten gefordert. Wir haben gefordert, die Umsatzsteuer auf Gas zu senken, den Kreis der Wohngeldberechtigten auszuweiten und das Wohngeld an die Energiekosten zu koppeln. Jetzt, Mitte Oktober, sieben Monate später, ziehen Sie als Ampel endlich nach. Das ist viel zu spät. Sie haben über Monate die Unsicherheit und die Sorgen und Nöte der Menschen nicht ernst genommen. Die warme Wohnung, meine Damen und Herren, darf doch nicht zur Schuldenfalle werden, genauso wie ein Heizlüfter kein Statussymbol sein darf. Deswegen müssen Sie schneller sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel.

Frau Ministerin, Sie haben die Kommunen angesprochen, Sie haben ihnen dafür gedankt, dass sie sich jetzt schon vorbereiten. Ich weiß nicht, ob Sie mal mit den Kommunen gesprochen haben; viele Kollegen aus meiner Fraktion – das weiß ich – und ich haben das getan. Die Kommunen wissen überhaupt nicht, wo ihnen der Kopf steht, weil das alles so lange gedauert hat. Schon heute gibt es in den Wohngeldstellen einen großen Antragsstau. Wenn sich aber jetzt die Zahl der Wohngeldberechtigten auf 2 Millionen fast mehr als verdreifacht, dann fehlt es an allem: Es fehlt an Personal, es fehlt an ausreichenden Büros, es fehlt an der technischen Infrastruktur. Nichts davon konnte entsprechend vorbereitet werden, weil es einfach keine Klarheit gab, weil der Gesetzentwurf erst jetzt – sieben Monate später – kommt.

Deswegen – das muss man auch klar sagen –: Wenn die Wohngeldreform, wie geplant, zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll, dann wird die Umsetzung aller Voraussicht nach nicht funktionieren. Das ist dann aber nicht die Schuld der Kommunen; das ist die Schuld dieser Bundesregierung, die viel zu spät gehandelt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte die Kritik an zwei, drei Punkten festmachen. Im Gesetzentwurf stellen Sie unter anderem in Aussicht, dass Auszahlungen vorläufig genehmigt werden. Ich habe mich dann gefragt: Was ist eigentlich der Inhalt dieser vorläufigen Prüfung? Wenn man mit den Mitarbeitern in den Wohngeldstellen in den Kommunen spricht, dann hört man: Na ja, ich weiß das auch nicht so richtig. Die vorläufige Prüfung entspricht im Kern eigentlich der endgültigen Prüfung. – Das bedeutet dann aber, dass sie nicht einen Verwaltungsvorgang bearbeiten und prüfen, ob jemand Anspruch auf Wohngeld hat, und ihm das dann auszahlen, nein, die Mitarbeiter bearbeiten zweimal den gleichen Vorgang: Sie müssen den Antrag erst einmal vorläufig prüfen und dann endgültig prüfen, aber mit den gleichen Schemata. Damit verdoppeln Sie den Personalaufwand, damit verdoppeln Sie den Verwaltungsaufwand, und Sie verdoppeln damit am Ende auch die Probleme. Das ist nicht in Ordnung. Damit schaffen Sie nur Verunsicherung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch handwerklich hat Ihr Vorschlag viele Mängel. Ich will das einmal an der Systematik der Mietenstufen festmachen – die sollen neu festgelegt werden –, die für die Berechnung des Wohngeldes ganz zentral ist. Sie wollen zum Beispiel, dass die Stadt Münster – jeder weiß, wie die Wohnungsmarktsituation in einer Studentenstadt wie Münster ist, nämlich außerordentlich angespannt – in die gleiche Mietenstufe eingeordnet wird wie Mühlheim an der Ruhr oder Pirna. Das kann man doch keinem erzählen. Man muss sich doch nur mal die Mietensituation dort anschauen. Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Das hat schon was mit Realitätsverweigerung zu tun, was Sie hier machen.

Aber mit Realitätsverweigerung hat die Bauministerin spätestens seit dem „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ ein bisschen Erfahrungen. Über Monate hat man das Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen, wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Jeder wusste eigentlich, dass das nicht realistisch war; trotzdem hat man das monatelang aufrechterhalten und monatelang auf einer falschen Tatsachengrundlage verhandelt und damit am Ende verhindert, dass richtige und auch schwierige Entscheidungen getroffen wurden. Ich kann nur sagen – das gilt für das Wohngeld, die Mietenstufen wie auch für viele andere Stellen –: Mehr Realität würde dieser Ampel guttun, meine Damen und Herren.

Vielleicht noch ein letzter Punkt, der mir auch wichtig ist. Eine Klimakomponente beim Wohngeld einzuführen, ist richtig. An den energetischen Zustand anzuknüpfen, ist richtig; dass man es belohnt, wenn ein Vermieter energetisch saniert, ist richtig. Und dass sich das natürlich auch im Wohngeld widerspiegeln muss, weil es am Ende auch höhere Mieten bedeutet, ist auch richtig. Nur, davon steht in Ihrem Gesetz nichts. Sie führen zwar eine Klimakomponente ein, aber der energetische Zustand eines Gebäudes, also das, worauf es bei der Klimakomponente eigentlich ankommen sollte, spielt überhaupt keine Rolle. Jeder, ganz pauschal, erhält diesen Zuschlag. Das ist eine Mogelpackung, genauso wie die CO2-Bepreisung, die Sie vorgeschlagen haben, worüber Sie jetzt in der Ampel streiten. Das ist auch eine Mogelpackung. Das kann so nicht bleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir als Union unterstützen ausdrücklich die Reform des Wohngeldes. Wir dürfen die Menschen in dieser Energiekrise nicht alleine lassen. Nutzen Sie jetzt die verbleibenden Wochen, um in aller Ernsthaftigkeit die Einkommen richtig zu definieren, Bagatellgrenzen bei Rückforderungen einzuführen, eine Klimakomponente einzuführen, die wirklich ihren Namen verdient.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Damit werden Sie dem Ernst der Lage gerecht. Das, was Sie hier vorgelegt haben, wird der Lage nicht gerecht. Und deswegen können wir das in dieser Form nicht mittragen.

Vielen Dank meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Julia Verlinden für Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546883
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Wohngeld-Plus-Gesetz, Heizkostenzuschussgesetz
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