13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 9

Anne KönigCDU/CSU - Wohngeld-Plus-Gesetz, Heizkostenzuschussgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast auf den Tag genau vor sieben Monaten durfte ich hier im Deutschen Bundestag meine erste Rede zum Heizkostenzuschuss halten. Seit Anfang März ist viel Zeit vergangen, und immer noch warten die Menschen in unserem Land auf strukturelle und spürbare Entlastungen. Schon damals haben wir als Union erklärt, dass Ihre Einmalhilfen der Wirklichkeit hoffnungslos hinterherhinken und bei immer weiter steigenden Preisen die Kosten der Menschen nur minimal abfedern. Ich habe im März schon darauf hingewiesen, dass die Preisexplosion längst die gesellschaftliche Mitte erreicht hat und es eben nicht nur symbolische Hilfe für wenige, sondern strukturelle Lösungen für viele braucht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn schon damals war klar, dass ein einmaliger Heizkostenzuschuss nicht reichen wird und dass es einer Wohngeldreform mit einer integrierten Klima- und Heizkostenkomponente bedarf.

Es ist für die Menschen in diesem Land bitter, dass die allermeisten Kritikpunkte aus dem Frühjahr heute noch genauso zutreffend und aktuell sind wie vor sieben Monaten; denn Ihre Herangehensweise hat sich seitdem nicht verbessert. Eine Lernkurve ist bei Ihnen mit bloßem Auge auch nicht zu erkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])

Aber fangen wir mal bei der Wurzel des Problems an. Diese Bundesregierung weigert sich hartnäckig, das Energieangebot in der gebotenen Konsequenz zu erhöhen. Ihr ist es nicht gelungen, in sieben Monaten einen Vorschlag auf europäischer Ebene zu unterbreiten, wie man Gas aus dem Merit-Order-System rausnimmt. Somit bleiben Strom- und Gaspreise bis auf Weiteres hoch. Hinzu kommt: Experten sagen uns seit Monaten voraus, dass uns eine schwere Rezession droht. Man kann nur hoffen, dass Ihr sogenannter Doppel-Wumms für Industrie und Mittelstand nicht zum Doppel-Flop wird. Irgendwer muss in Zukunft ja auch unsere Sozialleistungen erwirtschaften, und wir können nur mit einer starken Wirtschaft unseren Wohlstand erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sehr richtig!)

Zurzeit vergrößert Ihre Politik nicht nur den ökonomischen Schaden, sondern führt auch zu gesamtgesellschaftlichen und sozialen Verwerfungen. Denken Sie bitte auch darüber mal nach: Was sollen eigentlich all diejenigen, die arbeiten gehen und kein Wohngeld und keinen Heizkostenzuschuss erhalten, tun? Auch die Unterstützung für die arbeitende Mitte ist jetzt notwendiger denn je. Zudem braucht es für Geringverdiener und Rentner, die knapp oberhalb des Empfängerkreises liegen, ebenfalls Lösungen; alles andere wäre ungerecht.

(Zuruf der Abg. [Marianne Schieder [SPD])

Da es sich heute um die erste Lesung handelt und wir die Regierung im Interesse der Menschen kritisch-konstruktiv begleiten wollen, will ich Ihnen gerne die wichtigsten Kritikpunkte noch einmal darlegen. Das tue ich in der Hoffnung, dass Sie diese Kritikpunkte dieses Mal auch aufgreifen und endlich Verbesserungen vornehmen.

Erstens. Sowohl der Heizkostenzuschuss als auch das Wohngeld Plus in ihrer jetzigen Form behandeln höchstens die Symptome. Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden. Erweitern Sie also das Energieangebot, und reduzieren Sie dadurch die Preise!

Zweitens. Lösen Sie zumindest bei diesem Gesetz einmal Ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ein! Da heißt es nämlich richtigerweise auf Seite 8: „Wir wollen Gesetze verständlicher machen.“ Stattdessen konfrontieren Sie nun den Bürger mit folgender Formulierung aus Anlage 3 – ich zitiere –:

Das ungerundete monatliche Wohngeld ergibt sich durch Einsetzen der Werte für „a“, „b“, „c“ (Anlage 2) und für „M“ und „Y“ in die Formel nach § 19 Absatz 1 Satz 1 und durch Ausführen der vier folgenden Rechenschritte: … z1 = a + b · M + c · Y, z2 = z1 · Y, z3 = M – z2, z4 = 1,15 · z3.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Damit provozieren Sie wahrscheinlich Hunderttausende Anrufe bei den Wohngeldstellen vor Ort, weil bei Ihrem Gesetz niemand weiß, ob ihm Wohngeld Plus überhaupt zusteht. Sorgen Sie da bitte für Klarheit!

(Beifall bei der CDU/CSU – Daniel Föst [FDP]: Das geht dann online! Aber das versteht die CDU/CSU wohl nicht!)

Drittens. Insbesondere der Heizkostenzuschuss erscheint nicht zielgenau. Der festgelegte Betrag kann sowohl in die eine als auch in die andere Richtung stark vom tatsächlichen Preis zum Zeitpunkt des Bedarfs abweichen. Da entstehen Ungerechtigkeiten mit Ansage. Während es für den einen Teil der Empfänger ein auskömmlicher Zuschuss sein kann, weil sie gegebenenfalls in einem energetisch guten Gebäude wohnen, wissen andere immer noch nicht, wie sie die Preisexplosion mit der Einmalzahlung schultern sollen. Wenn Sie die Betroffenen nicht zielgenauer bezuschussen, können Sie quasi jetzt schon über das nächste Nachbesserungsgesetz nachdenken.

Viertens. Bedauerlicherweise ist das Geld mit der Verabschiedung von Gesetzen ja noch lange nicht bei den Bürgern. Der Aufgabenzuwachs bei den Wohngeldbehörden führt durch die Verdreifachung der Zahl der Anträge zu langen Wartezeiten. Pro Erstantrag für Wohngeld werden laut Ihren Ausführungen 92 Minuten benötigt. Ich warne davor, die zu erwartende Antragsflut auf dem Rücken der Mitarbeiter in den Behörden auszutragen. Eine Bundesregierung, die ihren Personalkörper so schamlos aufgestockt hat wie die Ihre, muss es jetzt schaffen, die Wohngeldbehörden durch Umschichten und Abordnen von Personal auch wirksam zu unterstützen. Im Übrigen braucht es auch hier eine echte Digitalisierungsoffensive, damit das Geld schneller bei den Menschen ankommt.

Abschließend sei gesagt: Handeln Sie vor allem weitsichtig! Sieben Monate mussten vergehen, bis Sie wieder tätig wurden. Und jetzt sind wir schon längst in der Heizperiode. Nehmen Sie die notwendigen Verbesserungen an Ihrem Gesetzentwurf im Interesse der Menschen vor! Dann sind wir auch gerne bereit, zuzustimmen. Aber zu einem Weiter-so Ihrer unausgegorenen und unzureichenden Krisenpolitik werden wir keinen Beitrag leisten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die nächste Rednerin ist für die FDP-Fraktion Sandra Weeser.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546893
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Wohngeld-Plus-Gesetz, Heizkostenzuschussgesetz
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