13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 17

Maria-Lena WeissCDU/CSU - Strom- und Gassperren, Gas- und Strompreisdeckel

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Fraktion Die Linke, weil der Doppel-Wumms offensichtlich noch nicht so wummst, wie er soll, wollen Sie jetzt mit dem Verbot von Strom- und Gassperren dafür sorgen, dass die Wohnzimmer im Winter warm bleiben. Ich sage: Das ist einer der schlechtesten Vorschläge, die momentan auf dem Tisch liegen, und ich will Ihnen gern darlegen, warum.

Halten wir zunächst einmal fest: Wenn wir heute über Strom- und Gassperren diskutieren, dann diskutieren wir nicht mehr über die 290 000 Anschlüsse, die im Jahr 2019 gesperrt wurden, oder über die 230 000 Anschlüsse im Jahr 2020. Wir sprechen über Millionen von Strom- und Gasanschlüssen von Geringverdienern und Menschen bis weit in die Mittelschicht hinein. Jeder dritte Bürger in diesem Land hat jetzt, genau in diesem Moment, Angst, die Strom- und Gasrechnung nicht mehr bezahlen zu können. Jeder dritte Betrieb bangt um seine Existenz.

Diese dramatische Situation lässt sich nicht durch ein Verbot von Gas- und Stromsperren in die Zukunft verschieben, sondern das Problem muss jetzt bei der Wurzel gepackt werden. Sperrungen zu verbieten, das mag ein paar Monate gut gehen; aber das kann doch nicht die Lösung sein. Denn eines ist klar: An dem Tag, an dem die Politik das Verbot wieder aufhebt, fällt das Kartenhaus in sich zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es steht doch außer Frage, dass derjenige, der eine Leistung entgegengenommen hat, in diesem Fall Strom oder Gas bezogen hat, irgendwann für diese Leistung auch bezahlen muss. Egal ob heute, in einem Monat oder in einem Jahr: Dieser Tag wird zweifelsohne kommen, und dann wird das Ausmaß der Bugwelle die betroffenen Bürger schlagartig in die Realität zurückholen. – Das war der eine Punkt.

Der andere Punkt ist: Wer soll Ihren Vorschlag denn eigentlich bezahlen? Der Staat? Die Allgemeinheit? Die Energieversorger? Ihr Antrag, liebe Linke, schweigt dazu. Ich kann das verstehen; schließlich sind Sie ja fürs Verteilen da und nicht fürs Erwirtschaften zuständig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber klar ist doch, dass diese Kosten zunächst bei den Energieversorgern hängen bleiben, allen voran bei unseren 900 Stadtwerken in Deutschland – den 900 Stadtwerken, für die der Wirtschaftsminister nicht zuständig ist und an die auch Sie, wie Sie mit Ihrem Antrag zeigen, nicht denken. Durch Ihren Vorschlag, Gas- und Stromsperren zu verbieten, gefährden Sie die wirtschaftliche Existenz der Versorger und Stadtwerke, die in Vorleistung gehen, ihre Lieferzusage einhalten, aber keine Gegenleistung mehr bekommen, der Versorger, die für die Energiegrundversorgung als Teil der Daseinsvorsorge da sind und die den Kunden ohnehin schon Ratenzahlungen von mindestens sechs Monaten anbieten müssen.

Sie bestrafen also die Stadtwerke, die schon immer sozial gerecht agieren, die alles dafür tun, die Kunden vor Ort zu schonen, und für die Gas- und Stromsperren schon immer die absolute Ultima Ratio waren. Vor allem aber sorgen Sie durch Ihren Vorschlag dafür, dass der Allgemeinheit auf zweifache Weise Schaden entsteht: zum einen, weil die Preise wieder steigen werden – denn Ausfälle werden durch die zahlenden Kunden kompensiert –, und zum anderen, weil Sie den Stadtwerken die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Damit können sie ihre Gewinne nicht für die Schwimmbäder, den ÖPNV oder die Transformation zur Klimaneutralität einsetzen.

Liebe Linke, sehen Sie ein, dass uns Ihr Antrag nicht weiterhilft, und helfen Sie stattdessen mit, die Regierung davon zu überzeugen, dass die beste Entlastung und Preisbremse nicht ein Verbot von Strom- und Gassperren ist. Die beste Entlastung erreichen wir durch eine Erhöhung des Energieangebots.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage ausdrücklich: Danke, liebe Regierung, dass Sie beim Biogasdeckel den Weg frei gemacht haben! Und ich bitte Sie: Erhöhen Sie das Tempo bei der Kohle, legen Sie die Scheuklappen bei heimischer Gasförderung ab, zeigen Sie sich einsichtig bei der Kernenergie, und lassen Sie alle drei aktiven Kernkraftwerke am Netz!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Intention Ihres zweiten Antrags, liebe Linksfraktion, ist ja gut gemeint, wenn auch inhaltlich nicht umsetzbar. Sehen Sie es mir deshalb an dieser Stelle nach, wenn ich mich nicht mit Ihrem dürftigen Dreizeiler auseinandersetze, sondern mich stattdessen noch einmal klar und deutlich an Sie wende, liebe Bundesregierung. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass Sie mit der Expertenkommission Gas externen, insbesondere wirtschaftlichen Sachverstand ins Boot geholt haben. Schade, dass Sie das nicht schon vor der Sommerpause gemacht haben, als absehbar war, in welcher Situation wir uns vor dem nahenden Winter befinden würden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich appelliere an Sie: Sorgen Sie dafür, dass unsere mittelständischen Betriebe jetzt kurzfristig Entlastung bekommen. Eine Gaspreisbremse im März kommt zu spät. Bei einer Verzehnfachung der Preise am Spotmarkt können Betriebe nicht einfach fünf Monate weiterproduzieren. Eine Einmalzahlung im Dezember reicht nicht aus, um drohende Betriebsschließungen im Winter zu verhindern. Sorgen Sie dafür, dass zumindest schnelle Anpassungen am Energiekostendämpfungsprogramm und Liquiditätshilfen für spürbare Entlastung sorgen, bis die Gaspreisbremse kommt. Und vor allem: Denken Sie daran, dass mit der Gaspreisbremse erst die Hälfte getan ist. Vergessen Sie nicht das Stromproblem, und kümmern Sie sich um die Strompreise. Lassen Sie zu guter Letzt auch nicht diejenigen im Regen stehen, die am Öl hängen oder auf Pellets angewiesen sind und ebenfalls hohen Preissteigerungen ausgesetzt sind.

Liebe Bundesregierung, Ihr Kanzler hat gestern prophetenhaft verkündet, dass er Putins Gaserpressung schon im letzten Winter vorausgesehen habe. Für die Zukunft rate ich Ihnen: Verkünden Sie Ihre Prophezeiungen leiser, und handeln Sie stattdessen schneller und spürbarer. Geben Sie unseren Bürgern und Betrieben eine Perspektive, wie sie durch den Winter kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Dr. Nina Scheer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546904
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Strom- und Gassperren, Gas- und Strompreisdeckel
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