Jan DierenSPD - Strom- und Gassperren, Gas- und Strompreisdeckel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen in den demokratischen Fraktionen!
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie können die Grünen ruhig miteinbeziehen! – Karsten Hilse [AfD]: Nicht dass Sie die Grünen ausschließen! – Gegenruf von der SPD: Ihr seid nicht gemeint!)
– Ja, da seid ihr nicht einbezogen. – Die Bundesnetzagentur berichtet, dass im Jahr 2021 knapp 235 000 Haushalten in Deutschland der Strom abgedreht wurde. Ein Vergleich: In den Städten meines Wahlkreises – Moers, Krefeld und Neukirchen-Vluyn – leben insgesamt weniger als 200 000 Haushalte. Das würde bedeuten, für alle Menschen in meinem Wahlkreis bliebe morgens das Licht aus, die Wohnung dunkel und kalt. Noch häufiger, als diese Sperren verhängt werden, werden sie aber angedroht, im Jahr 2021 über 4 Millionen Haushalten; das ist jeder zehnte Haushalt in Deutschland.
Es ist selbstverständlich richtig, dafür zu sorgen, dass Menschen in diesem Winter nicht ohne Strom und Heizung dastehen, gerade jetzt, gerade in diesem Winter. Deshalb bin ich Ihnen dankbar, werte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, dass Sie die Problematik mit Ihrem Antrag hier auf die Tagesordnung setzen. Gleichzeitig ist die Sache ein bisschen verstrickter, als es auf den ersten Blick scheint. Denn den Kundinnen und Kunden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, stehen die Unternehmen gegenüber, die ihre Rechnungen nicht bezahlt bekommen. Wenn die Energiepreise steigen und Rechnungen nicht bezahlt werden, laufen auch diese Unternehmen eventuell auf eine Zahlungsunfähigkeit zu. Uns hier stellt das vor ein politisches Dilemma, weil das auf die Alternative hinausläuft, dass entweder reihenweise Stadtwerke – und damit die Daseinsvorsorge – zusammenbrechen oder viele Menschen in Deutschland im Kalten und Dunkeln sitzen bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Strom- und Gaspreisbremse reagieren wir jetzt auf dieses Dilemma. Mit ihr wollen wir dafür sorgen, dass die Menschen in Deutschland einerseits ihre Rechnungen bezahlen können und andererseits Sperren in diesem Winter verhindert werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das kommt doch erst nach dem Winter, euer Programm!)
Jetzt äußern manche die Sorge, die Gaspreisbremse könnte unbeabsichtigt die Folge haben, den freien Markt einzuschränken, die freie Preisbildung am Markt zu beenden. Diese Sorge kann ich Ihnen nehmen.
(Karsten Hilse [AfD]: Hören Sie mal, was die Experten zu sagen haben! Bringen Sie mal Experten an das Rednerpult!)
Das wird keine unbeabsichtigte Folge sein. Das ist genau das, worum es uns geht. Es geht genau darum, in die freie Preisbildung am Markt einzugreifen; denn der freie Markt, die freie Preisbildung am Markt stellt uns immer und immer wieder vor dieses Dilemma: Entweder steigen die Preise so weit, dass die Menschen ihre Rechnung nicht bezahlen können, oder die Unternehmen, die wir so dringend brauchen, um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen, brechen zusammen.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist kein Entweder-oder! Das ist rhetorischer Unfug!)
Auf dem einen oder anderen Weg kommen wir zum selben Ergebnis: Wir schaffen es nicht, unsere Grundbedürfnisse zu decken. Ein Markt aber, der nicht dafür sorgen kann, dass wir wenigstens unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, ist ein Markt, der nicht funktioniert.
Das muss nicht so sein. Es muss ja nicht so sein, dass Unternehmen mit der Versorgung von Grundbedürfnissen – Strom, Heizung, Wasser, Wohnen – Profit machen, während die Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können, weil sie ihre Rechnung nicht mehr zahlen können. Und es sollte auch nicht so sein. Im Großen und Ganzen mag das ja noch so einigermaßen aufgehen. Aber zu welchen Problemen das immer und immer wieder führt, sehen wir in Krisen wie dieser. Und wir sehen das gerade am Beispiel der Strom- und Gassperren.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Gaspreisbremse, über die wir gerade diskutieren, so viel mehr als nur ein Instrument, das dafür sorgt, dass die Menschen ihre Rechnungen bezahlen können. Die Diskussion um die Gaspreisbremse markiert die Einsicht, dass wir nicht blind dem freien Spiel des Marktes vertrauen können, wenn es darum geht, unsere Grundbedürfnisse zu decken. Und sie markiert die Einsicht, dass wir genau dieses System ändern müssen, um dafür zu sorgen, dass Menschen in warmen Wohnungen sitzen,
(Karsten Hilse [AfD]: Pullover! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Waschlappen!)
mit ausreichend Strom und Gas versorgt sind und ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Das ist die eigentliche Aufgabe, vor der wir gerade stehen. Gehen wir sie an.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Anikó Glogowski-Merten [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546919 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | Strom- und Gassperren, Gas- und Strompreisdeckel |