13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Zusatzpunkt 11

Volker UllrichCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Warburg-Steuerskandal

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in herausfordernden Zeiten für demokratische Institutionen. Die Stärkung der Glaubwürdigkeit in diese und ihre zentralen Repräsentanten ist eine der wichtigsten Fragen. Dass der Cum-ex- und Cum-cum-Skandal insgesamt weiter aufgearbeitet werden muss, ist selbstverständlich. Es geht aber um spezielle Fragen im Warburg-Scholz-Skandal, und diese dürfen wir nicht einfach wegdiskutieren.

Die Hamburger Finanzbehörde hat im Jahr 2016 vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht die Möglichkeit genutzt, zu Unrecht erstattete Kapitalertragsteuer in Höhe von 47 Millionen Euro von der Warburg Bank zurückzufordern. Im Jahr 2017 wurden weitere 43 Millionen Euro erst nach zweimaliger Weisung durch das Bundesfinanzministerium vonseiten der Hamburger Verwaltung zurückgefordert. Die Übernahme von politischer Verantwortung für diesen Komplex ist bis heute ungeklärt. Diese fordern wir ein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])

Der heutige Bundeskanzler hat sich im Zeitraum von September 2016 bis November 2017 insgesamt dreimal mit dem Chef der Hamburger Warburg Bank getroffen und ihm sogar telefonisch geraten, eine Stellungnahme aus Sicht der Privatbank an den damaligen Finanzsenator Tschentscher zu schicken. Die Öffentlichkeit hat von diesen Treffen aufgrund der Auswertung sichergestellter Tagebücher des beschuldigten Bankmanagers erfahren. Dass der heutige Bundeskanzler selbst die Anzahl der Treffen, nämlich drei, nicht von sich aus, sondern nur auf Vorhalt und schrittweise einräumte, ist wenig transparent und enttäuschend.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD] – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Und wenig glaubwürdig!)

Wer ein Amt an der Spitze einer Regierung hat, der muss sich die Frage gefallen lassen und sie beantworten, weswegen er mehrmals den Chef einer Bank trifft, gegen den bereits zu diesem Zeitpunkt wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wird

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Dann dürfte Friedrich Merz aber nie Staatschef werden! Das wäre dann schwierig!)

und weshalb eine Rückforderung der Finanzbehörde im Raum steht. Politisch klug war das nicht.

(Beifall der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])

Der Bundeskanzler hat ausgeführt, dass er keine konkreten Erinnerungen an diese Treffen habe. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Der Punkt ist aber auch, dass er gesagt hat, er habe auf jeden Fall politisch keinen Einfluss genommen. Die Frage ist also: Er erinnert sich nicht an die Treffen, aber daran, dass keine Einflussnahme erfolgt ist. Beides passt nicht zusammen. Hier muss Aufklärung erfolgen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben ein staatspolitisches Interesse daran, dass unser Land in Krisenzeiten durch eine sachlich richtige und moralisch gefestigte politische Führung regiert wird.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Ja! – Michael Schrodi [SPD]: Sehr gut, dass Olaf Scholz dafür steht!)

Ein zumindest in groben Zügen vorhandenes Erinnerungsvermögen an Termine und Sachverhalte aus der jüngeren Vergangenheit ist eine Eigenschaft, die man von einem Bundeskanzler verlangen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es darf nicht das Bild bleiben, der Bundeskanzler habe an nicht unerhebliche Sachverhalte keine Erinnerung. Im Interesse seiner eigenen Glaubwürdigkeit sollte der Bundeskanzler diesem Eindruck nachdrücklich entgegenwirken. Die Bitte geht also heute von diesem Haus an den Bundeskanzler: Geben Sie der Transparenz und der Aufklärung im Sinne der Glaubwürdigkeit den Vorzug gegenüber Erinnerungslücken und Vergessen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass diese Aufklärung nottut und dass die Einforderung von Transparenz zentral ist, muss auch im Interesse der regierenden Koalition sein. Schließlich heißt es auf Seite 9 des Koalitionsvertrags – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Man muss nicht mehr um Erlaubnis fragen!)

Wir wollen durch mehr Transparenz unsere Demokratie stärken. Uns leiten die Prinzipien offenen Regierungshandelns – Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit.

(Markus Herbrand [FDP]: Ganz genau!)

Dieser Anspruch an Transparenz muss in der Sache Warburg und im Komplex „Nicht zurückgeforderte Steuerschuld“ eindeutig eingelöst werden. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit unserer Demokratie insgesamt.

(Michael Schrodi [SPD]: Dann gehen Sie zu dem Ausschussvorsitzenden! Herr Rainer ist doch CDU-Mitglied, oder?)

Die Akte Cum-ex darf nicht geschlossen werden, solange nicht auch dieser Warburg-Komplex aufgeklärt ist.

(Michael Schrodi [SPD]: Da müssen Sie Herrn Rainer ansprechen! Das müssen Sie fraktionsintern klären!)

Da bitte ich um die Mitwirkung aller, die daran beteiligt sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Das Wort hat nunmehr der Kollege Tim Klüssendorf, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546938
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Warburg-Steuerskandal
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