Frank Müller-RosentrittFDP - Aktuelle Stunde - Warburg-Steuerskandal
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Journalist Sebastian Huld hat vorgestern auf ntv einen Onlinebeitrag mit dem Titel „Ist Olaf Scholz ein Lügner?“ veröffentlicht. Er setzt sich darin mit dem neuen Buch „Die Akte Scholz: Der Kanzler, das Geld und die Macht“ auseinander. Bereits in der Unterüberschrift heißt es: „Einen schlagenden Beweis für Scholz’ Verstrickung in die Cum-ex-Affäre bleiben die Autoren schuldig.“
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Dann zitieren Sie mal weiter!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, auch wenn das Erscheinen eines Buches ein eher nachrangiger Anlass für eine Aktuelle Stunde ist, steht es Ihnen selbstverständlich in einer pluralen und lebendigen Demokratie als Oppositionsfraktion zu, so zu verfahren.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Der Bundeskanzler und seine Glaubwürdigkeit sind kein nachrangiger Anlass!)
Das ist allerdings schon äußerst verwegen, wenn man bedenkt, dass das über Jahre von Ihrer Partei, von Wolfgang Schäuble geführte Bundesfinanzministerium diesem illegalen Treiben, den Cum-ex-Geschäften, jahrelang untätig zugesehen hat.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Der hat die beendet! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Schäuble hat die beendet!)
Und am Ende stellen Sie sich hier im Bundestag hin, um auf den ehemaligen Ersten Bürgermeister Scholz zu zeigen. Aber Sie wissen doch selbst am besten: Wenn Sie mit einem Finger auf Olaf Scholz zeigen, zeigen Sie mit drei Fingern auf sich zurück.
(Heiterkeit des Abg. Markus Herbrand [FDP])
Das ist doch unglaublich!
Von 2009 bis 2017 war Wolfgang Schäuble, den ich übrigens als Bundestagspräsidenten in der letzten Wahlperiode sehr schätzte, Finanzminister. Von 2011 an wusste man von diesem unfassbaren Gebaren, und erst kurz vor dem Ende seiner Zeit als Finanzminister wurde letztendlich all dieses Geschäftsgebaren verboten. Da kann ich nur sagen: Wolfgang Schäuble – cum tempore.
(Zuruf des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])
Wir Liberalen stehen für das Rechtsprinzip und auch die Steuergerechtigkeit ein. Dazu zählt für uns, dass wir Straftaten auch konsequent verfolgen möchten. Ich möchte an dieser Stelle mit Erlaubnis des Präsidiums meinen geschätzten Kollegen Florian Toncar zitieren. Er sagte am 9. September 2020 hier an dieser Stelle in der Debatte „Cum/Ex-Steuerdeals der Warburg-Bank und Rolle der Politik“ als Vertreter der Oppositionsfraktion FDP an die Adresse des damaligen Bundesfinanzministers Scholz – ich zitiere –:
Ich unterstelle, dass das, was wir inzwischen von Ihnen erfahren haben, vollständig ist und dass wir nicht auf weitere Dinge stoßen, die Ihnen bekannt waren, die aber bisher nicht genannt worden sind.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Genau das stimmt ja nicht! – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Genau! Das kann man eben nicht unterstellen!)
Das ist, glaube ich, auch eine Frage des Respekts vor parlamentarischen Institutionen.
Eine Aufarbeitung dieser Cum-ex-Geschäfte der Warburg Bank, der Beteiligung oder eben Nichtbeteiligung des damaligen Hamburger Bürgermeisters Scholz fand statt, findet statt und wird auch so lange stattfinden, wie sich Anschuldigungen und Beweise ergeben sollten. Aber die Unschuldsvermutung gilt eben auch für einen ehemaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs. Aber legen Sie dies bitte nicht als „in dubio pro reo“ aus. Denn auch wenn viele Zweifel an dieser Sache hegen: Es gibt eben aktuell keinen Angeklagten Olaf Scholz.
(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: So ist es!)
Eine Strafanzeige gegen Olaf Scholz scheiterte in zwei Instanzen. Nach der Staatsanwaltschaft sieht auch die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg keinen Anfangsverdacht der möglichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Hat auch keiner von uns behauptet! Es geht nicht um Strafrecht! Es geht um Glaubwürdigkeit!)
Und wer steht auch völlig zu Unrecht – darauf möchte ich auch eingehen – unter Generalverdacht? Das ist durch diese eine Verfehlung einer Bank die Bankenbranche an sich, getreu dem Motto: Alle Banken betrügen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hat doch keiner behauptet!)
Dabei sind es doch die Banken, die zentraler Bestandteil der Wirtschaft sind und welche das Geld für die Finanzierung zur Verfügung stellen. Über 90 Prozent aller Investitionen in Deutschland werden von privaten Investoren und Unternehmern getätigt und mithilfe unserer Banken finanziert. Deshalb sollte man in diesen Zeiten alles dafür tun, um diesen Motor am Laufen zu halten, und Banken gerade in ohnehin rezessiven Zeiten nicht mit zusätzlichen Kapitalanforderungen belasten.
Die drohenden enormen Zusatzbelastungen durch den antizyklischen und sektoralen Kapitalpuffer, welche zu Zeiten bester Konjunktur ausgedacht wurden, um eine Überhitzung zu vermeiden, legen die Axt an zukünftige Finanzierungen, welche aber gerade bei der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft, bei der Schaffung von Wohnraum sowie bei der Bildung von Wohneigentum dringend benötigt werden. Hunderte Milliarden Euro an Kapital werden dem Markt somit nicht zur Verfügung stehen, oder Kredite werden durch den Regulator – zusätzlich zu den ohnehin schon gestiegenen Zinsen – so teuer, dass es fast unmöglich wird, die verabredeten 400 000 Wohnungen, die wir bauen wollen, zu bauen.
Meine Damen und Herren der Union, das, was ich gerade ausgeführt habe, wäre mal eine Aktuelle Stunde wert; eine solche würde die Wirtschaft und das Land nach vorne bringen.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Können Sie gerne beantragen!)
Stattdessen reden wir heute über ein Buch. Wie klein kann man sich eigentlich nur machen, liebe Union? Wobei ich die Fähigkeiten der Autoren Schröm und Hollenstein in keinster Weise hier heute in Abrede stellen möchte.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Zitieren Sie doch mal den Herrn Toncar zu Herrn Scholz! – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Genau! Mehr Toncar-Zitate wären gut!)
Anders als zu Unionszeiten im Finanzministerium wird das BMF unter Christian Lindner und seinem Team um Katja Hessel und Florian Toncar den Kampf gegen Finanzkriminalität im Gegensatz zu Ihnen deutlich ausweiten.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Die Kritik von Toncar an Scholz fehlte!)
Dazu bündeln wir Kompetenzen unter dem Dach einer neuen Behörde. Außerdem stärken wir die Financial Intelligence Unit als zentrale Stelle für Geldwäscheverdachtsmeldungen und errichten auch eine neue Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht, die auch die Aufsicht über den Nichtfinanzsektor koordiniert. Das BMF will – und dafür bin ich dem Finanzminister sehr dankbar – Steuerfairness stärken und insbesondere schwere Fälle der Steuerhinterziehung und aggressive Steuergestaltung bekämpfen.
Ein letzter Satz in eigener liberaler Sache: Könnten wir Liberale überall die Finanzen selbst verwalten und bewahren, hätten wir nicht – wie bei Ihnen – Cum-ex, sondern das Prädikat „summa cum laude“.
Vielen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546943 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Warburg-Steuerskandal |