13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 12

Stefan NackeCDU/CSU - Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vermischt die Ampel Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Sie betreiben mit der einmaligen Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner Krisenpolitik, mit der Anhebung der Midijobgrenze Ordnungspolitik, die unabsehbare Konsequenzen hat. Es ist nicht schwer, zu erkennen, was hinter dieser unlogischen Verquickung von Krisen- und Ordnungspolitik steht: Sie wollen, dass das eine Thema in der öffentlichen Diskussion das andere überlagert. Sie schieben der populären Energiepreispauschale ihre Midijobreform einfach unter und versuchen, unseren Sozialstaat unbemerkt umzubauen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Ist doch etwas Positives!)

Aber schauen wir uns die Energiepreispauschale erst mal genauer an. Um es gleich vorweg zu sagen: Wir sind froh, dass die Rentnerinnen und Versorgungsempfänger endlich auch zu ihrem Recht kommen. Die Union hat das schon im Frühjahr des Jahres gefordert.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Was wollen Sie denn jetzt eigentlich?)

Damals wollte die Ampel sich die 6,4 Milliarden Euro sparen und hat deshalb nur den einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen eine Pauschale gewährt. Jetzt wird zu prüfen sein, ob wirklich alle Rentner mit dieser Pauschale erreicht werden – Stichwort: Bundesversorgungsgesetz, gesetzliche Unfallversicherung, berufsständische Versorgungswerke, Renten aus privaten Verträgen.

Ich habe im Mai auf meine drei schriftlichen Fragen an die Ampelregierung, warum die Rentnerinnen und Rentner die Pauschale nicht bekommen, dreimal die gleiche Antwort erhalten – Zitat –: Mit der Energiepreispauschale sollten nur diejenigen begünstigt werden, denen typischerweise Fahrtkosten im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit entstehen. Die Pauschale sei ein Ausgleich für gestiegene Wegeaufwendungen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

Dafür haben Sie damals, zu Recht, viel Kritik einstecken müssen. Nun versuchen Sie, diesen Fehler zu beheben, allerdings mit einer völlig anderen Begründung. Jetzt sagen Sie in der Gesetzesbegründung nicht mehr, die Fahrtkosten seien ausschlaggebend, sondern die hohen Lebenshaltungskosten der Bürgerinnen und Bürger aufgrund der – Zitat – „anhaltend steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise“.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja auch eine neue Situation seit ein paar Monaten!)

Da frage ich mich: Warum bekommen angesichts dieser Begründung denn nur die Rentner und nicht alle in der Bevölkerung erneut die Pauschale?

(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Maßnahmen gegen die kalte Progression zum Beispiel!)

In meinen Augen ist gute Politik immer auch eine Frage des richtigen Timings. Das hat die Ampel leider nicht. Während die Menschen sich fragen, wie sie über den Winter kommen sollen, streiten sich Herr Lindner und Herr Habeck öffentlich und präsentieren uns über Wochen völlig widersprüchliche Vorschläge. Ja, wie denn nun: die Preise mit einem Gaspreisdeckel senken oder die Preise mit einer Gasumlage erhöhen? Und was macht Kanzler Scholz? Nach der Bazooka holt er nun zum 200-Milliarden-Euro-Doppel-Wumms aus. Mit heißer Nadel gestrickt, wird eine Kommission eingesetzt, die ein tragfähiges Konzept ausarbeiten soll. Sie hätte aber nicht erst Ende September berufen werden dürfen. Ihr schlechtes politisches Timing ist schuld daran, dass jetzt nur noch das Prinzip Gießkanne – davon war ja schon die Rede – möglich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit, wer die Leidtragenden Ihrer unausgewogenen Politik sein werden: unsere Kinder; denn die werden das bezahlen müssen, und das ist nicht generationengerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun zum zweiten Teil Ihres ebenfalls mit heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurfs, der Anhebung der Midijobgrenze von 1 600 auf 2 000 Euro. Sie wollen die Beschäftigten um rund 1,3 Milliarden Euro entlasten, aber durch unlautere Geschäfte zulasten Dritter. Denn Sie nehmen 800 Millionen Euro aus den Kassen der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und erhöhen einseitig die Arbeitgeberbeiträge um 500 Millionen Euro. Damit verteilen Sie Geld, das Ihnen nicht gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oberflächlich betrachtet klingen Beitragsentlastungen für Beschäftigte erst einmal gut. Wenn wir genauer hinschauen, ist es aber nicht so, dass die geringeren Rentenversicherungsbeiträge auch zu geringeren Renten führen. Es entsteht also eine Finanzierungslücke. Das Äquivalenzprinzip, also die Grundlage der Rente – Versicherungs- und nicht Sozialleistung –, wird durch diese Anhebung weiter ausgehöhlt. Die Differenz muss die Solidargemeinschaft der Beitragszahler tragen. In sowieso schwierigen Zeiten die Rentenversicherung weiter zu schwächen, ist verantwortungslos.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe den Eindruck, dass Sie symbolpolitisch eine Gleichzeitigkeit herstellen wollen. Auf der einen Seite wollen Sie Ihr Manko aus dem Frühjahr ausgleichen, indem Sie den Rentnerinnen und Versorgungsempfängern die Energiepreispauschale zugestehen, die Sie ihnen bisher mit fadenscheinigen Argumenten vorenthalten haben. Auf der anderen Seite tun Sie so, als ob Sie sich um die arbeitende Bevölkerung bemühen, verändern aber nachhaltig die Anreizstrukturen in Richtung mehr Teilzeitarbeit, obwohl wir doch das Gegenteil brauchen, nämlich viel mehr Menschen in Vollzeitverträgen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Genau!)

Gute Politik wäre, den Menschen klar zu sagen: Es war ungerecht, die Rentnerinnen und Rentner im Frühjahr von der Energiepreispauschale auszuschließen; diesen Fehler beheben wir jetzt. – Dafür hätten Sie von uns Lob bekommen.

So wirkt das, was Sie in diesem Gesetzentwurf vorhaben, nicht wie gute Politik, sondern einfach nur wie Politik nach Gutsherrenart.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Michael Gerdes, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546957
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende
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