Dieter StierCDU/CSU - Änderung des Tierarzneimittelgesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Minister Özdemir! Meine Damen und Herren! Zahlen – das ist bekannt – sind unbestechlich. Nüchtern beschreiben sie die Realität, ohne Wenn und Aber. Eine dieser sehr nüchternen Zahlen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erst im August vorgelegt. Das erfreuliche Ergebnis: Der Antibiotikaeinsatz in Deutschland ist drastisch zurückgegangen, um satte 100 Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Ja, ich will die Zahl gerne wiederholen: 100 Tonnen weniger Antibiotika, die zum Einsatz kamen.
Ich denke, das ist eine beachtliche, das ist eine sehr konkrete Erfolgsmeldung, die aber das von Ihnen, Herr Minister, geführte Bundeslandwirtschaftsministerium in einer extra dünnen und sehr trockenen Pressemitteilung versteckt hat. Warum? Weil dieser Erfolg eben nicht der Erfolg der im Amt befindlichen Bundesregierung ist – das muss man klar sagen –, sondern das ist der Erfolg der letzten Regierungen, der unionsgeführten Bundesregierungen, die diesen Durchbruch erst konkret erreicht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Seit 2011 ist der Einsatz von Antibiotika damit um 65 Prozent gesunken. Sie ernten jetzt die Früchte von einem Baum, den Sie selbst nicht gepflanzt haben.
(Zuruf der Abg. Zaklin Nastic [DIE LINKE])
Doch anstatt diese Entwicklung zu begrüßen, sie angemessen zu würdigen und den Landwirten und der Tierärzteschaft öffentlich für ihre große Umsicht zu danken, präsentieren Sie waghalsige Legenden. Nicht die Landwirte hätten verantwortlich gehandelt – diese Fähigkeiten sprechen Sie ihnen ab –; vielmehr seien lediglich die Tierzahlen gesunken und das sei wohl der einzig wahre Grund für den Rückgang. Ich glaube, mit dieser bizarren Deutung fallen Sie all jenen in den Rücken, die seit Jahren sehr hart und engagiert an der Antibiotikareduktion gearbeitet haben und damit einen großen Schritt in Richtung Vermeidung von Resistenzen gegangen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wir als Unionsfraktion sagen an dieser Stelle ganz klar: Der größte Dank gilt allen Landwirten und allen Tierärzten im Land, die dieses Ergebnis überhaupt erst möglich gemacht haben. Es ist allein deren Erfolg. Die Tierhalterinnen und Tierhalter, aber auch die Veterinäre im Land haben unter schwierigen Bedingungen eine beeindruckende Leistung vollbracht, und das verdient unsere größte Anerkennung.
Jetzt sage ich Ihnen von der Fortschrittskoalition: Wenn Ihnen schon dort wenig Dank an die Praktiker über die Lippen kommen will, dann sollten Sie wenigstens bei der heute anstehenden Gesetzgebung die positive Entwicklung anerkennend berücksichtigen. Doch auch hier weit gefehlt: Sie wollen trotz dieser großen Erfolge unsere Landwirte jetzt noch härter an die Leine nehmen und auch bei den Tierärzten die Zügel noch einmal richtig straffen. Vernunft ist dabei leider nicht der Maßstab. Im vorliegenden Gesetzentwurf finden wir mehr Bürokratie, mehr Vorschriften, mehr Reglementierung. Sie planen ein Tierarzneimittelgesetz ohne Maß und Mitte, maximale Verschärfung ohne Rücksicht auf die Realität. Fernab jeder Kenntnis von der Praxis wird ein bürokratisches Monster geschaffen, welches von den Verbänden bereits scharfe Kritik erfahren hat.
Sie wollen dafür nicht einmal selbst einstehen. Ich will hier nur ein Beispiel herausgreifen: In der Begründung des Gesetzentwurfes verweisen Sie geschickt auf die EU. Sie vermitteln den Eindruck, die EU‑Verordnung würde das alles jetzt sofort zwingend nötig machen. Das ist falsch. Die EU‑Verordnung fordert tatsächlich erst für das Jahr 2024 die erweiterte Datenübermittlung, die Sie schon jetzt vorzeitig mit der Brechstange erzwingen wollten, und das, obwohl die nötigen Voraussetzungen hierzu noch gar nicht geschaffen worden sind. Sie brauchen zumindest die nötigen Übermittlungsstrukturen, wenn Sie zugleich auch noch die Nutzungsarten – wie Sie das vorhin bekannt gegeben haben – erweitern wollen. Ich frage mich: Wie soll das sonst gehen?
Ihr Eifer in der Sache zeigt mir vor allem eins: Sie waren noch nie so weit weg vom Alltag unserer Landwirte und Tierärzte wie heute. Ich bin der Meinung, das wird so nicht funktionieren. Mit utopischen Vorgaben setzen Sie auch das bisher Erreichte leichtfertig aufs Spiel, und am Ende wundern wir uns wieder, warum die Tierhalter undankbar sind, wo sie doch immer nur das Beste für alle wollen. Ihnen muss aber klar sein: Antibiotikaminimierung kann nur mit und nicht gegen die Tierhalter erreicht werden. Es muss – das haben Sie zu Recht gesagt; und da stimme ich Ihnen auch zu – möglich sein, kranke Tiere vernünftig zu behandeln; denn das ist gelebter Tierschutz.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Wir beraten heute – ich will auch das noch sagen – ein relativ junges Gesetz, wofür wir den Bereich der Tierarzneimittel – auch das ist Ihnen bekannt – aus dem Arzneimittelgesetz herausgelöst haben. Unstreitig ist: Wir müssen auch diese Rechtsnorm fortentwickeln.
Aber klar ist auch: An Ihrem Gesetzentwurf gibt es viel zu verbessern. Ich freue mich deshalb sehr auf die Expertenanhörung, welche wir am Montag durchführen, und auf die Beratungen im Ausschuss. Dort, Herr Minister, haben Sie die Möglichkeit, Ihre Fehler zu korrigieren. Wir wollen Sie gerne dabei unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Franziska Kersten, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547002 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Tierarzneimittelgesetzes |