13.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 16

Franziska KerstenSPD - Änderung des Tierarzneimittelgesetzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie einige von Ihnen wissen: Ich bin selbst Tierärztin. Die Veterinärmedizin blickt auf eine über 4 000-jährige Geschichte zurück und hat ihre Wurzeln in allen Hochkulturen der Welt. Das zentrale Element, um die Gesundheit von Tieren wiederherzustellen, sind Arzneimittel. Die rechtlichen Regelungen dazu sind für die tierärztliche Tätigkeit elementar.

In unserem Land waren die grundlegenden Rechtsvorschriften für Human- und Tierarzneimittel traditionell gemeinsam im Arzneimittelgesetz geregelt. Einen umfassenden Wandel gab es hier mit der EU-Verordnung 2019/6 über Tierarzneimittel. Seit dem 28. Januar 2022 gilt diese Verordnung nun unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Zur Flankierung der Verordnung wurde in einem intensiven parlamentarischen Verfahren ein eigenständiges Stammgesetz, das Tierarzneimittelgesetz, geschaffen, welches am selben Tag in Kraft trat. So weit, so gut.

Bestandteil des neuen Gesetzes sind auch Regelungen zum Einsatz von Antibiotika. Wir brauchen wirksame Antibiotika, um bakterielle Infektionen bei Mensch und Tier auch in Zukunft erfolgreich behandeln zu können. Wenn Antibiotika aber unkontrolliert eingesetzt werden, kann das zu Resistenzen führen. Schwerwiegende Folge ist, dass Medikamente dann nicht mehr wirksam sind.

Mit der 16. AMG-Novelle von 2014 wurde daher das nationale Antibiotikaminimierungskonzept für die Tierhaltung umgesetzt. Das Konzept funktioniert folgendermaßen: Alle Betriebe ab einer bestimmten Größe, die Rinder, Schweine, Hühner oder Puten zur Mast halten, müssen Antibiotikaanwendungen an die zuständigen Landesbehörden melden. Aus diesen Daten werden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bundesweite Kennzeichen zur Tiertherapiehäufigkeit errechnet.

Überschreitet nun die individuelle Antibiotikaanwendung in einem Betrieb bestimmte Grenzen im Vergleich zu den bundesweiten Kennzahlen, muss der Tierhalter mit der Tierärztin Reduzierungsmaßnahmen ergreifen oder in einem nächsten Schritt einen schriftlichen Maßnahmeplan aufstellen. Werden diese Regeln nicht befolgt, kann als strengste Sanktion sogar das Ruhen der Tierhaltung für bis zu drei Jahre angeordnet werden. Seit dem Beginn der Erfassung von Antibiotikaanwendungen im Jahr 2011 ist es mit diesem Konzept schon zu einer Reduktion von rund 60 Prozent des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung gekommen, und das ist ein echter Erfolg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ingo Bodtke [FDP])

Doch weshalb müssen wir uns jetzt schon wieder mit Änderungen am Tierarzneimittelgesetz befassen, wo es doch noch nicht einmal ein Jahr in Kraft ist? Diese Frage kann ich Ihnen beantworten: Die vorhin erwähnte EU-Verordnung 2019/6 sieht vor, dass ab 2023 schrittweise alle Daten zum Antibiotikaverbrauch an die Europäische Arzneimittel-Agentur, EMA, gemeldet werden müssen. Allerdings waren zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zum Tierarzneimittelgesetz weder der EU-Rechtsakt zur Methodik der Datenerfassung noch derjenige zum Datenformat erlassen worden. Die Durchführungsverordnung zum Datenformat stammt vom 16. Februar diesen Jahres.

Außerdem wurde zum Antibiotikaminimierungskonzept eine Evaluierung durchgeführt. Darauf aufbauend liegen jetzt Eckpunkte für die weiter gehende Ausgestaltung des Konzepts vor. Das alles wird nun mit der Änderung des Tierarzneimittelgesetzes zusammengeführt und umgesetzt. Zusätzliche Nutzungsarten werden in das Antibiotikaminimierungskonzept aufgenommen: Milchrinder, Saugferkel, Zuchtsauen sowie Lege- und Junghennen. Zu den Arzneimittelanwendungen bei allen Nutzungsarten werden zukünftig umfassend Daten gesammelt und an die EMA übermittelt. Die Maßnahmen zur Antibiotikareduktion sollen weiter ausdifferenziert werden.

Um auf den Anfang meiner Rede zurückzukommen: Wir haben hierbei auch die Anwendung von Reserveantibiotika im Blick und müssen eine weitere Ausbreitung von Resistenzen vermindern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es gibt auch Alternativen zu Antibiotika, und damit meine ich nicht nur die Möglichkeit, Tiere zu impfen, um den Bedarf an Antibiotika zu verringern. Die Verbesserung der Biosicherheit durch konsequente Umsetzung der Hygienestandards in landwirtschaftlichen Betrieben verhindert Infektionen. Der Schlüssel zur Tiergesundheit und einem verminderten Antibiotikaeinsatz ist eine bessere Tierhaltung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Tiere müssen genug Platz und Auslauf, gutes Futter sowie Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Hier wollen und müssen wir beim Umbau der Tierhaltung für mehr Tierwohl ansetzen. Hierzu hat die Borchert-Kommission in den letzten Jahren umfassende Vorschläge erarbeitet.

Dieser Umbau muss in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt werden. Dazu kommen Anpassung des Bau-, Genehmigungs- und Emissionsrechtes. Das Vorhaben muss mit ausreichend Finanzmitteln ausgestattet und von einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung – wie wir heute von unserem Minister schon gehört haben – flankiert werden. Das ist der richtige Weg. Denn das beste Mittel zur dauerhaften Reduktion des Antibiotikaeinsatzes ist die Vorsorge durch den Umbau der Tierhaltung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Stephan Protschka, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547003
Wahlperiode 20
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Änderung des Tierarzneimittelgesetzes
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