Carsten Schneider - Berichte Ostdeutschland 2022, Stand der Deutschen Einheit 2021
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für das Aufsetzen dieses Jahresberichtes zur heutigen Debatte hier im Bundestag. Wir hatten am 3. Oktober die Feierlichkeiten in Erfurt. Ich danke auch sehr der Bundestagspräsidentin für ihre Rede dort.
Ich habe eine Veränderung vorgenommen: Es wird nicht der übliche Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit vorgelegt, sondern ich wollte einen Bericht zum Auftakt der Legislatur erstellen, der den Blick ein wenig weitet und auch die Zivilgesellschaft einbindet. Im nächsten Jahr wird es den üblichen Jahresbericht wieder geben, um ihn hier zu diskutieren.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Schade!)
Für meinen Bericht habe ich 16 Gastautorinnen und ‑autoren eingeladen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründen, aus unterschiedlichen Regionen, die kritisch über den derzeitigen Stand, insbesondere aber über die großen Chancen und Potenziale Ostdeutschlands schreiben. Die Beiträge zeigen die Umsetzungsschwierigkeiten, die Herausforderungen, aber auch die Freiheit, die sich in Ostdeutschland Bahn gebrochen hat, die dieses Land geprägt hat und Deutschland insgesamt stärker gemacht hat. Es sind in den vergangenen Jahren eine neue eigene Energie und Dynamik entstanden und vor allen Dingen auch ein neues Selbstbewusstsein. Ich lege den Schwerpunkt in dem Bericht insbesondere auf die Gestaltungschancen und auf die vielen aktiven Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die sich für die Gesellschaft und für die Demokratie einsetzen.
Der Titel lautet „Ein neuer Blick“; denn zu lange standen die Defizite Ostdeutschlands im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Der Vergleichsmaßstab war stets der Westen, zu dem der Osten aufschließen sollte. Ein neuer Blick, das bedeutet auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass ostdeutsche Besonderheiten nicht einfach irgendwann verschwinden werden. Sie fordern und bereichern unser Land. Das heutige Deutschland ist kein Westdeutschland plus, sondern ein neues, vielfältiges Land inmitten Europas.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wahr ist übrigens auch – das hat man bei vielen Debatten über den Soli, der natürlich auch im Osten gezahlt wurde, in den vergangenen 30 Jahren erlebt –: Westdeutschland allein wäre heute auch ein ärmeres Land,
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
und das nicht nur ökonomisch oder kulturell, sondern, wie ich glaube, auch menschlich.
Die gute Entwicklung Ostdeutschlands belegen ja auch die vielen Unternehmensansiedlungen der jüngsten Zeit. Ich war erst am Montag in Magdeburg, habe mit Vertretern des Chipherstellers Intel gesprochen, der dort investiert – begleitet und unterstützt durch die Bundesregierung und auch die Landesregierung. Tausende Arbeitsplätze im Bereich der Halbleiterindustrie werden dort entstehen.
Ein neuer Blick, das heißt jedoch nicht, die Probleme zu verschweigen. Im Gegenteil: Die Herausforderungen des Ostens und auch Unzufriedenheiten werden offen benannt, und sie stehen auf der Agenda dieser Bundesregierung oben.
Da sind zum Beispiel die niedrigen Einkommen. Zum Glück hat der Bundestag beschlossen, den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 – vielen Dank für die Mehrheit, die das mitgetragen hat – auf 12 Euro zu erhöhen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das bedeutet für über 1 Million Menschen höhere Einkommen. Allein im Landkreis Sonneberg im schönen Thüringen verdienten 44 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weniger als 12 Euro. Das heißt, 44 Prozent dieser Menschen haben von dieser Mindestlohnerhöhung profitiert. Das ist das Mindeste, was wir tun können; den Rest müssen die Tarifparteien bewerkstelligen. Dafür – für mehr Tarifbindung, für gewerkschaftliche Organisierung und die Organisierung der Unternehmen in Verbänden – haben sie die volle Unterstützung durch die Bundesregierung und den Bundeskanzler.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Oder nehmen wir – bezogen auf die Defizite – die Tatsache, dass die Ostdeutschen zwar 17 Prozent der Bevölkerung ausmachen, aber nur 3,5 Prozent der Führungspositionen bekleiden. Da läuft etwas schief in Deutschland, und zwar in allen Bereichen. Deshalb arbeiten wir als Bundesregierung und mit meinem Stab an einem Konzept für den Bund, um die Vielfalt unserer Gesellschaft – nicht nur bezogen auf Ostdeutsche, sondern auch auf Menschen mit Migrationshintergrund – zu erhöhen und diese Repräsentanzlücke, die auch die Akzeptanz von demokratischen Entscheidungen beeinflusst, zu verkleinern und mehr Ostdeutsche, insbesondere Frauen, in Führungspositionen zu bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielen Dank für die Unterstützung in den vergangenen neun Monaten. Vielen Dank insbesondere auch für die Unterstützung des Zukunftszentrums und für die Entscheidungen, die wir insbesondere zur Unterstützung der Chemie- und der Raffineriestandorte treffen konnten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es folgt für die CDU/CSU-Fraktion Friedrich Merz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547147 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Berichte Ostdeutschland 2022, Stand der Deutschen Einheit 2021 |