Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehr in Irak
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Irakeinsatz der Bundeswehr mit auf den Weg gebracht, wir haben ihn immer unterstützt. Ich sehe auch für die Zukunft die Notwendigkeit für einen solchen Einsatz. Es hat in der Phase, als wir entschieden hatten, dorthin zu gehen, einer wichtigen, für viele auch schweren Entscheidung bedurft: Wir haben uns entschieden, in ein Krisengebiet, an die kurdischen Peschmerga, Handwaffen und Panzerabwehrraketen zu liefern. Die Lieferung von Waffen in Krisengebiete war in Deutschland zuvor eher ein Tabu gewesen. Aber es war richtig; denn – Sie haben es dargestellt – der IS ist erfolgreich bekämpft worden, vor allem durch die Soldatinnen und Soldaten der kurdischen Peschmerga. Damit konnte dort das systematische Morden des IS an Jesidinnen und Jesiden, aber auch an Christen und Christinnen und anderen Bevölkerungsgruppen gestoppt werden. Das war ein großes Verdienst dieses Einsatzes in der Anfangsphase.
Wir werden dem Mandat voraussichtlich zustimmen. Wir hatten uns allerdings bei der Debatte um das Mandat vor neun Monaten von der Bundesregierung deutlich mehr versprochen, was die Überprüfung der Einsatzgrundlagen und die Perspektiven dieses Einsatzes angeht. Wir machen im Grunde so weiter wie bisher. Wenn ich den 15-seitigen Überprüfungsbericht lese, so finde ich keine Zahlen dazu – auch die Zahl, die Sie hier genannt haben, habe ich in dem Bericht nicht gefunden –, was wir eigentlich konkret mit unserem Einsatz erreicht haben. Da steht zwar genau drin, wie viele Soldaten der Bundeswehr für welchen Zweck dort eingesetzt sind. Aber Angaben dazu, was das konkret bedeutet, wie viele Kräfte wir ausgebildet haben, was diejenigen, die wir ausgebildet haben, denn jetzt machen, ob man möglicherweise gucken muss, wie man die Ausbildung verbessert und ihre Effizienz steigert, vermisse ich in diesem Bericht.
Was wir noch viel mehr in diesem Bericht vermissen, ist die politische Perspektive für die Region; denn es kann nicht sein, dass wir diesen, wie ich finde, richtigen Einsatz immer wieder fortsetzen, ohne uns darum zu kümmern, dass eines Tages dieser Einsatz vielleicht überflüssig wird.
Ich stelle ganz konkret die Frage an die Bundesregierung: Was ist eigentlich Ihre Haltung zur Situation in Bagdad, wo es jetzt seit einem Jahr keine Regierungsbildung gibt, wo es allerdings starke politische Kräfte gibt? Wir haben es vor wenigen Wochen gesehen: Da gibt es offensichtlich einen Oppositionsführer, der in der Lage ist, innerhalb von wenigen Stunden Hunderttausende von Menschen auf die Straße zu bringen. Wenn er dann den Schalter umlegt und „Stopp!“ sagt, dann wird dieser Protest plötzlich eingestellt. Damit wurde demonstriert, wer tatsächlich die Macht auf der Straße in dem Land hat. Gibt es nicht die Notwendigkeit, auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Kräften, die in dem Land wirklich mächtig sind, hinzuwirken?
Welche Möglichkeiten haben wir, den Einfluss des Iran im Irak weiter deutlich zurückzudrängen? Er ist allgegenwärtig, und die Rolle des Iran im Irak ist ein zentrales Problem für den Irak. Welche Rolle messen wir den Kurden im Norden des Irak, die sich uns als verlässliche Partner erwiesen haben, im Hinblick auf die zukünftige politische Entwicklung zu?
Antworten auf all diese Fragen fehlen uns. Deswegen haben wir leider einen ein wenig faden Beigeschmack, wenn wir diesem Mandat vermutlich wieder zustimmen werden. Es ist in der Entwicklung kein wirklicher Fortschritt erkennbar, und das hat auch ein wenig damit zu tun, dass wir vielleicht selbst noch nicht die genaue Perspektive kennen.
Ich denke dabei nicht nur an die Menschen im Lande, sondern auch an unsere Soldatinnen und Soldaten – ich freue mich, dass die Wehrbeauftragte da ist –, die immer wieder Raketenangriffen ausgesetzt sind, die also keineswegs in einem gemütlichen, ungefährdeten Einsatz sind, sondern immer wieder auch Bunker und Shelter aufsuchen müssen, Opfer von feindlichen Aktivitäten werden können und natürlich die Frage stellen: Was macht dieser Einsatz für einen Sinn, wo können wir tatsächlich wirksam helfen, und wo ist der Fortschritt, den wir mit unserem Einsatz erreichen wollen?
In diesem Sinne wäre mein dringender Rat, dass wir bis zur Beratung des Mandats nächste Woche von der Regierung doch noch etwas Konkreteres zu den politischen Schlussfolgerungen hören, sodass ich nicht im Prinzip die Worte wiederholen muss, die mein Kollege Norbert Röttgen vor knapp neun Monaten hier gesprochen hat: Was ist das politische Konzept, in das dieser Einsatz sinnvoll eingebettet ist? Die Antwort darauf vermissen wir nach wie vor.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Lamya Kaddor das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547179 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehr in Irak |