Alexander MüllerFDP - Bundeswehr in Irak
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen gilt unsere Aufmerksamkeit dem Schicksal des ukrainischen Volkes. Täglich sehen wir die furchtbaren Bilder; oft sind Zivilisten die Opfer dieses Krieges. Solidarisch unterstützen wir daher die Ukraine bei ihrem mutigen Verteidigungskampf: mit Geld, Ausrüstung und Ausbildung.
(Beifall bei der FDP)
Denn eines muss klar sein: Wir stehen an der Seite von Demokratie, Völkerrecht und Freiheit. Kein Aggressor darf mit gewaltsamen Aktionen Erfolg haben. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass unsere internationale Verantwortung für Stabilität und Frieden über Europa hinausgeht, auch in den Irak.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir unsere Bundeswehr in die Welt schicken, dann müssen wir uns vorher immer folgende Fragen stellen: Erstens. Was ist unser strategisches Interesse? Zweitens. Welche Ziele wollen wir erreichen? Drittens. Welche Fähigkeiten und Ressourcen brauchen wir dafür? Viertens. Wie messen wir den Erfolg oder Misserfolg, und wie gehen wir mit diesen Erkenntnissen um?
Darauf will ich kurz eingehen. Erstens: unser strategisches Interesse. Wir müssen uns ehrlich machen, dass Deutschland Interessen in der Welt hat. Die Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten, ein gewaltfreies und friedliches Miteinander und auch freie Handelswege gehören dazu. In diesem Jahr gewinnt die Diskussion über eine Führungsrolle Deutschlands an Momentum, eine Rolle, die wir allein aufgrund unserer wirtschaftlichen Bedeutung und unserer Geografie ohnehin innehaben. Ich stimme dieser Idee zu und warne schon mal: Wir müssen unsere Strategie klar definieren, auch um der an uns herangetragenen Bitte, eine solche Rolle einzunehmen, gerecht zu werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens: unsere Ziele. Unsere Strategie muss die Grundlage für die Ziele bei all unserem internationalen Handeln sein. Die Verteidigung der Werte in der Ukraine ist ein Beispiel dafür, aber auch die Unterstützung der kurdischen Peschmerga zum Schutz vor dem IS‑Terror. Nur wenn Bundeswehrmandate ein klares Ziel haben, motivieren wir unsere Soldatinnen und Soldaten, und auch unser Grundgesetz verlangt von uns klare Zielvorgaben. Für mich steht am Anfang jedes Bundeswehrmandats die Frage: Können wir es verantworten, die Gesundheit und das Leben unserer Soldatinnen und Soldaten für diese Ziele zu riskieren?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drittens die Frage: Welche Fähigkeiten und Ressourcen benötigen wir zur Erreichung? Für jeden Bundeswehreinsatz, aber auch bei Waffenabgaben brauchen wir eine realistische Einschätzung, welche Auswirkungen auf unsere vorhandenen Ressourcen dadurch zu erwarten sind. Welche Fähigkeiten verbleiben bei der Bundeswehr noch für die Landes- und Bündnisverteidigung hier bei uns? Wie schnell können wir die Lücken wieder auffüllen? Welches Risiko gehen wir ein? Wir prüfen zum Beispiel intensiv, ob und wie wir ein gigantisches Flächenland wie Mali mit unserem Ressourcenansatz stabilisieren können.
Viertens müssen wir uns natürlich fragen: Wie messen wir das Erreichte, und wie gehen wir mit den Erkenntnissen um? In Afghanistan haben wir uns diese Frage nicht ausreichend gestellt – ein Fehler, der nun durch einen Untersuchungsausschuss aufgeklärt wird. Mein Eindruck ist, dass Dauereinsätze in der Vergangenheit bisweilen immer weiter verlängert wurden, ohne dass man kritisch geprüft hatte, ob unser Ansatz noch passend ist und Erfolg verspricht.
(Beifall bei der FDP)
Genau zu dem Irakmandat liegt uns jetzt der erste Überprüfungsbericht vor. Unser Einsatz leistet wichtige Beiträge zur Stabilisierung, aber: Die Ziele sind noch nicht erreicht. Fazit des Berichts ist eine klare Empfehlung zur Fortführung unseres Engagements. Weil sich der IS in der Tiefe des Landes noch immer organisieren kann und vereinzelt weiter zuschlägt, sollte die internationale Präsenz zur Ausbildung und Stabilisierung fortgesetzt werden. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten einen besonderen Beitrag zum Nation Building im Irak, zum Aufbau von gegenseitigem Vertrauen. Ich bin zuversichtlich, dass der Irak eine echte Chance auf eine gute Zukunft hat, allein aufgrund seines Reichtums an Rohstoffen. Der große Nachbar Iran versucht, überall in der Region zu destabilisieren und zu zündeln, aber im Irak fruchten diese Bemühungen nicht so gut, auch aufgrund der internationalen Unterstützung.
(Beifall bei der FDP)
Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat jahrelang auf die Evaluierung unserer Einsätze gedrängt, welche wir jetzt in der Ampelkoalition zur Regel gemacht haben. Auch unsere neue nationale Sicherheitsstrategie, welche bereits in Arbeit ist, wird uns helfen, Interessen, Ziele und Fähigkeiten genauer zu definieren. Bundesfinanzminister Lindner hat mit dem 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr die Grundlage geschaffen, unsere verloren gegangenen Fähigkeiten schnell wieder zurückzugewinnen.
Ich danke unseren mutigen Soldatinnen und Soldaten in unseren weltweiten Einsätzen. Ich bitte Sie um die Zustimmung zu diesem Mandat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547182 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehr in Irak |