Gunther KrichbaumCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, wir haben zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine heute Morgen sehr entschlossene Worte von Ihnen gehört. Das begrüßen wir ausdrücklich. Wir hätten uns aber diese Rede mit diesem Inhalt schon vor einem halben Jahr gewünscht. Diese Entschlossenheit haben Sie immer vermissen lassen.
Fakt ist, dass ohne die Zögerlichkeit, ohne das Zaudern, insbesondere beim Thema der Waffenlieferungen, viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn auch wir in Deutschland früher gehandelt hätten. Das war allerdings nicht der Fall.
Sie haben auch über Europa geredet. Die Frage, die sich mir stellt: Welches Europa meinen Sie eigentlich? Ist es ein Europa der Gemeinsamkeiten, oder ist es ein Europa der Alleingänge? Sie haben nichts gesagt zu Frankreich; Sie haben nichts gesagt zu China; Sie haben nichts gesagt zu den USA.
Gestern wurden die deutsch-französischen Regierungskonsultationen abgesagt mit der Begründung, dass vier Minister Ihres Kabinetts Paralleltermine hätten, keine Zeit hätten.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Verrückt!)
Ist Ihnen in diesem Augenblick eigentlich bewusst, wo wir doch ohnehin alle wissen, dass diese Begründung vorgeschoben ist, welch unglaublicher Affront es gegenüber Frankreich ist, zu sagen: „Die haben Besseres zu tun, als an den deutsch-französischen Regierungskonsultationen teilzunehmen“? Das ist ein Schaden, den Sie hier dem Verhältnis von Deutschland und Frankreich zufügen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir hätten genügend Themen mit unseren französischen Freunden zu besprechen, etwa wie es bei FCAS weitergeht. Sie haben auf Ihre Prager Rede Bezug genommen. Da hatten Sie auch vom Raketenabwehrschild gesprochen – mit Frankreich null Komma null kommuniziert. Überhaupt kam das deutsch-französische Verhältnis in der Prager Rede gar nicht vor. Dass sich Frankreich dann darin nicht wiederfindet, darf wohl kaum erstaunen.
Wir hätten uns gewünscht, dass Sie heute Morgen beispielweise noch etwas zum Thema der Europäischen Politischen Gemeinschaft gesagt hätten. Welche Perspektive wird den Beitrittskandidaten geboten? Das ist ein Vorschlag, der ebenfalls von Macron kam. Kein Wort dazu!
Gehen wir weiter, kommen wir zu China. Sie werden Anfang November China bereisen – wiederum ein Alleingang, nicht mit den europäischen Freunden und Partnern kommuniziert. Es wäre die Gelegenheit gewesen – ähnlich hat es Präsident Macron im Übrigen auch einmal gemacht: dass er Bundeskanzlerin Merkel, Jean-Claude Juncker und auch den chinesischen Präsidenten an einen Tisch geholt hat –, über die Dinge zu sprechen, die uns in Europa gemeinsam bewegen. Wenn wir wissen, dass zwei Drittel aller Halbleiter weltweit aus Taiwan kommen, wenn wir wissen, dass eine hundertprozentige Abhängigkeit von China bei Antibiotika besteht, dann wäre es schon sinnvoll, diese Dinge europäisch anzugehen und nicht in einem nationalen Alleingang.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir sehen einen weiteren Alleingang. Das ist dieser Wummi-Wumms mit 200 Milliarden Euro. Auch hier: null Komma null mit den europäischen Partnern kommuniziert, abermals Sendepause. Es wäre gut gewesen, auch hier im Vorfeld, wie es im Übrigen früher der Fall war, mit Frankreich und den anderen europäischen Freunden zu sprechen. Richtig ist, dass wir hier die deutsche Wirtschaft unterstützen. Falsch ist, das alleine zu machen und ohne jede Kommunikation mit unseren Freunden.
Ebenfalls einen Alleingang ohne jede Kommunikation gab es beim Thema Energie. Es ist gut, dass jetzt die Laufzeit der Kernkraftwerke verlängert wird. Aber wir dürfen uns doch hier nicht in die eigene Tasche lügen. Es ist ein Streckbetrieb bis April. Es wäre besser gewesen, dem Vorschlag auch der FDP zu folgen und die Laufzeit der AKWs generell zu verlängern. Das wäre jetzt erforderlich gewesen, zumal wir in Europa auch an dieser Stelle kritisch beäugt werden. Es heißt nämlich: Wenn ihr Deutschen jetzt die Angebotsseite verknappt, dann verteuert sich nicht nur die Energie für euch, sondern eben auch für uns; denn Strom ist ein Gut, das international gehandelt wird, und Angebot und Nachfrage regeln nun einmal den Preis.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Finanzminister Lindner, ich muss Ihnen schon auch sagen: Ich persönlich jedenfalls war erstaunt, dass, als es um die 200 Milliarden Euro ging, Sie als Finanzminister nicht ein anderes Preisschild drangehängt haben. Sie hätten nämlich locker sagen können: Ich mache es als Finanzminister zur Bedingung, dass die Laufzeiten der AKWs entsprechend verlängert werden, und dann erteile ich als Finanzminister auch meine Zustimmung. – Das war ein schwerer strategischer Fehler, den Sie hier innerhalb der Verhandlungen gemacht haben, und das müssen Sie sich eben auch ankreiden lassen.
Wir haben keinen Fortgang beim Thema CETA. Wie geht es hier voran? Heute Morgen wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, hier einmal etwas dazu zu sagen, Klarheit zu schaffen.
(Zuruf des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])
Das wird zum x-ten Mal hier im Deutschen Bundestag verschoben. Das ist ein Affront gegenüber Kanada.
(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Töns [SPD]: Wir hatten eine Anhörung! Habt ihr daran teilgenommen?)
Stattdessen möchte Ihr Wirtschaftsminister das Handelsabkommen mit Chile wieder aufmachen. Vielleicht sollte man auch einmal daran denken, dass die Handelspolitik eine Kompetenz ist, die zu 100 Prozent bei der Europäischen Union liegt und nicht beim Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland.
Deswegen war diese Regierungserklärung eine Rede der verpassten Chancen. Generell sollte vielleicht das afrikanische Sprichwort beherzigt werden: Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Aber wenn du weit gehen willst, dann gehe gemeinsam. – Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit in diesen kritischen Tagen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die nächste Rednerin ist Ariane Fäscher für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547333 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |