20.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 7

Axel SchäferSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal gibt es besondere Zufälle, was die Redeabfolge anbelangt.

(Zuruf von der AfD)

Ich habe mich mit meinem Vorredner vor fast 50 Jahren in Bochum darüber gestritten,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Bei der DKP?)

inwieweit wir die Intervention der Sowjetunion und anderer Warschauer-Pakt-Staaten zur Niederschlagung des Prager Frühlings verurteilen und dagegenstehen. Einer der härtesten Repräsentanten der DKP vom MSB Spartakus war Robert Farle.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, das stimmt! Das stimmt!)

Der Verteidiger der Niederschlagung des Prager Frühlings Anfang der 70er-Jahre bei Bochumer Debatten ist heute derjenige, der versucht, den ukrainischen Präsidenten zu diffamieren und niederzumachen. Das war eine Rede der Schande, die wir heute gehört haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ist es, genau so!)

Es ist vielleicht auch ein besonderes Drama in der deutschen Geschichte, dass man von einem Stalinisten zu einem Rechtsextremisten mutieren kann. Ich bin froh, dass es so wenige davon noch in Deutschland gibt. Und es ist gut, dass wir die Diskussion heute so geführt haben, wie wir sie auf dieser Seite des Hauses miteinander geführt haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns angesichts der historischen Dimension die Dinge ein bisschen stärker einordnen. Das, was wir heute zu bewerkstelligen haben, ist tatsächlich die größte Herausforderung seit 1945, und deshalb müssen wir genau solche Maßstäbe anlegen. Selbst die deutsche Wiedervereinigung ist nur zum Teil vergleichbar. Aber die Erfahrung damals war – damals regierten FDP und CDU/CSU; die SPD hatte die Mehrheit im Bundesrat –: Keine der Parteien hatte eine Blaupause, keine hatte ein Konzept für die deutsche Wiedervereinigung. Trotzdem ist es gemeinsam gelungen, dieses Ereignis zu einer Erfolgsgeschichte zu machen, worauf wir zu Recht drauf stolz sein können.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das war mit Russland, übrigens! Ohne Gorbatschow wäre nichts gewesen!)

Es war möglich, weil wir hier Debatten geführt haben. Es war damals möglich, weil auch die Opposition SPD insgesamt zugestimmt hat. Ich bin ganz sicher: Auch die Opposition CDU/CSU wird den Vorschlägen – auch was die 200 Milliarden Euro anbelangt – zustimmen; ansonsten würden Sie weder Ihrer deutschen noch Ihrer europäischen Verantwortung gerecht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Dann müssten Sie mal liefern! Dann müssten Sie mal liefern!)

Und da sind wir beim Liefern.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Keine Blankoschecks!)

Wir hatten ja das große Glück – das ist auch historisch –, dass bei der Zeitenwende von 1969 hin zur Entspannungspolitik einer Bundeskanzler wurde, der schon als Außenminister damit begonnen hatte. Und als es darum ging, das Europäische Währungssystem zu entwickeln bis hin zur Direktwahl des Europäischen Parlaments, hatten wir einen Bundeskanzler, der vorher schon Finanzminister war. Ich finde, es ist gut, dass wir jetzt wieder einen Bundeskanzler haben, der schon als Finanzminister in Europa gezeigt hat – Stichwort „Wiederaufbaufonds“, Stichwort „Globale Mindestbesteuerung“ –, dass er in der Lage ist, zu europäischen Lösungen zu kommen, die jetzt auch praktisch umgesetzt werden. Und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, weil wir bei Europa sind: Es wird darauf ankommen, dass wir weiterhin kritisch diskutieren, was mehr sozial, konservativ, liberal, ökologisch usw. ist. Aber eines dürfen wir nicht: Wir dürfen nicht zulassen, dass die Regeln, die wir gemeinsam beschlossen haben, infrage gestellt werden. Die Regeln, die wir gemeinsam beschlossen haben, werden jedoch derzeit infrage gestellt, und zwar nicht nur durch Regierungen in Ungarn – eine frühere christdemokratische Partei, die aus der EVP ausgetreten ist – oder Polen, sondern in Zukunft auch in Italien und Schweden, wo Christdemokraten zusammen mit Postfaschisten – da hängt noch der Mussolini beim Senatspräsidenten in der Wohnung – bzw. gestützt durch die antidemokratischen Schwedendemokraten regieren. Genau das haben sie 2023 auch in Spanien so vor.

Die Union in Europa, die Christdemokraten, die EVP wird sich entscheiden müssen, ob sie diese Wertegemeinschaft, die uns hier verbindet, verteidigt oder ob sie aus parteitaktischen Gründen mit Rechtsradikalen und Rechtsextremisten, die mit der AfD in einer Fraktion des Europäischen Parlaments sind, paktiert. Genau darum wird es gehen. Wo die SPD steht, wo diese Koalition steht mit Olaf Scholz, mit Finanzminister Lindner, mit Habeck und mit Baerbock, das ist völlig klar. Deshalb werden wir das auch genau so hinbekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547339
Wahlperiode 20
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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