Katrin StafflerCDU/CSU - Notfallfonds für das Wissenschaftssystem
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich würde sagen: Wir kommen aus dem Paralleluniversum, in dem es überhaupt gar keine Probleme gibt, zurück in die Realität, in der wir leider eben doch Probleme haben. Diese Probleme wollen wir lösen.
Es ist von vielen meiner Vorredner richtigerweise schon gesagt worden, wie herausragend die Bedeutung der Wissenschaft und des Wissenschaftsstandorts Deutschland ist. Gerade in der Pandemie waren es nämlich unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Tag und Nacht gearbeitet und geforscht haben, um uns wieder ein Stück weit Normalität zurückgeben zu können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und jetzt? Jetzt sind wir in einer neuen Situation, die nicht weniger schwierig als die alte ist. Leider kann uns die Wissenschaft zumindest kurzfristig nur bedingt weiterhelfen. Trotzdem forscht sie Tag für Tag an den drängenden Problemen, die wir alle haben und für die wir dringend Antworten brauchen – Fragen, die leider von den anderen Krisen im Moment überdeckt werden. Umso schlimmer ist es daher, dass die Regierung unsere Wissenschaft mit unseren Forscherinnen und Forschern in dieser Krise bislang offensichtlich so stiefmütterlich behandelt hat. Die Fortschrittsregierung, wie sie sich gern nennt – das muss man an der Stelle leider so deutlich sagen –, hat keinen Blick für sie und offensichtlich auch kein Herz für Fortschritt und Zukunft.
(Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)
Vielleicht fehlt es Ihnen auch ein Stück weit an dem richtigen und detaillierten Blick auf das, was die Forscherinnen und Forscher jeden Tag gerade beschäftigt.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, ich spreche täglich mit denen! Sie anscheinend nicht!)
Zumindest hatte ich bei der letzten Rede das Gefühl, dass der Blick dafür fehlt. Deshalb helfen wir Ihnen an der Stelle gern ein Stück weit auf die Sprünge.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht eigentlich Herr Söder in Bayern?)
Haben Sie sich zum Beispiel schon einmal Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen Temperaturunterschiede in Laboren auf bestimmte Experimente haben können?
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!)
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Kolleginnen und Kollegen von mir bestimmte Experimente nur an den Tagen angesetzt haben, für die der Wetterbericht nicht Rekordtemperaturen nach oben oder unten vorhergesagt hat,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Klimaforschung hat davor schon vor 40 Jahren gewarnt!)
weil nämlich bestimmte Bakterien und Enzyme dann keine reproduzierbaren Ergebnisse liefern. Deshalb ist es mangels Klimaanlage an diesen Tagen nicht gemacht worden, weil die Ergebnisse zu sehr abgewichen wären.
Oder lassen Sie uns einmal über die Doktorandin sprechen, die monatelang, teilweise jahrelang an bestimmten Tiermodellen gearbeitet und getüftelt hat, um ein spezielles Gen zu verändern. Dann hat sie endlich die ersten entsprechend gezüchteten Mäuse in den Käfigen, sodass sie sie für die Versuche verwenden kann, und freut sich, dass sie jetzt am Ende nur noch die Screenings und Tests durchführen muss, um die Arbeit abschließen zu können. Und dann: Stromausfall! Die Mäuse haben überhaupt keine Chance, bei sinkenden Temperaturen in den Käfigen ohne Luftfilter zu überleben. Und was ist mit der Doktorandin? Sie steht vor einem Scherbenhaufen, vor den Trümmern ihrer jahrelangen Arbeit,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das vor Putins Angriffskrieg, oder was? – Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wovon reden Sie?)
ohne eine Chance, die Ergebnisse irgendwie zurückzuholen, und ohne Chance auf die Ergebnisse, die die Wissenschaft so dringend braucht.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es da kein Notaggregat?)
– Ja, das scheint Ihnen wurscht zu sein, offensichtlich.
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Ja, ganz offensichtlich!)
Oder was ist zum Beispiel mit der Ärztin, die über Jahre hinweg Gewebeproben von Patienten mit seltenen Erkrankungen gesammelt hat, um die Proben Stück für Stück auf neue Erkenntnisse hin zu untersuchen? Man kann sich überhaupt nicht vorstellen, was für ein Schaden für die Wissenschaft entsteht – aber nicht nur für die Wissenschaft, viel schlimmer noch: auch für die betroffenen Patienten –, wenn diese Proben auf einen Schlag vernichtet werden, weil der Minus-80-Grad-Gefrierschrank zu lange keinen Strom mehr gehabt hat.
(Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tun ja gerade so, als würde überall im ganzen Land der Strom ausfallen! Wovon reden Sie?)
Frau Bundesforschungsministerin, Sie haben vor Ihrer Zeit als Ministerin viel an Universitäten und Forschungszentren gearbeitet. Viele in der Community waren begeistert, dass jetzt sozusagen eine Insiderin dieses Amt bekleiden wird.
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das ist wie beim Lauterbach! Das hat auch nicht funktioniert!)
Die Ernüchterung ist leider groß, und das zu Recht. Da hilft es, ehrlich gesagt, auch nicht, dass Sie heute im „Handelsblatt“ ankündigen, was wir hier schon lange gefordert haben und auch in unserem Antrag jetzt wieder fordern. Es hilft deswegen nicht, weil die Anhörung zu unserem Antrag von Ihnen erst auf den 30. November angesetzt worden ist. Das ist zu spät, und zwar deutlich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb der dringende Appell an Sie: Berufen Sie schnellstmöglich einen Energiegipfel für die Wissenschaft ein, hören Sie sich die Berichte von den Betroffenen an, damit Sie ein klares Bild von den Herausforderungen kriegen, die die Wissenschaft aktuell hat, und schnüren Sie dann darauf basierend ein zielgerichtetes Entlastungspaket für die Wissenschaft und richten Sie einen Notfallfonds für die besonderen Belange von Wissenschaft und Forschung ein, statt hier nach langen Ankündigungen am Ende doch nichts umzusetzen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, denken Sie an die Zukunft, denken Sie an den Fortschritt in Deutschland! Denn in aller Regel sind es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die den Grundstein für unsere Zukunft, den Grundstein für unseren Fortschritt in Deutschland und für die ganze Welt legen.
Deutschland hat ein hervorragendes System. Aber das müssen wir jetzt in dieser durchaus herausfordernden und schwierigen Situation unterstützen, anstatt es kaputtzumachen, weil die zuständige Ministerin auf dem wissenschaftlichen Auge offensichtlich blind ist
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und die Wissenschaft in der Krise von der Regierung schlichtweg vergessen worden ist.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU – Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Staffler! Och! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber den MPK-Beschluss haben Sie schon gelesen, oder? Mannomann! So substanzlos!)
Die nächste Rednerin ist Ria Schröder für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547353 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Notfallfonds für das Wissenschaftssystem |