20.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 63 / Zusatzpunkt 4

Sepp MüllerCDU/CSU - GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen ja mit etwas Gutem anfangen. Das Gute ist, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen endlich ein Gesetz vorgelegt bekommen haben und nicht nur von Ankündigungen leben müssen. Das Gute ist auch, liebe Ampel, dass Sie sich bei einigen Dingen auf den Weg gemacht haben, die wir vorher kritisiert haben. – Nach 20 Sekunden könnte ich meine Rede daher eigentlich beenden. Ihr habt aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem beim Thema Leistungskürzung zwei Dinge meines und unseres Erachtens nicht richtig geregelt.

Das Erste ist die Neupatientenregelung. Hier gilt zukünftig: Jeder neue Patient, der in den letzten zwei Jahren kurzfristig einen Termin bekommen hat, weil sein Arzt zusätzliche Zeiten zur Verfügung gestellt hat, hat jetzt dazu keine Möglichkeit mehr. Das ist die Leistungskürzung Nummer eins.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Gesundheitsminister, Sie haben eine Leistungskürzung auf den Weg gebracht, und das ist die Abschaffung der Neupatientenregelung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das zweite Thema ist wesentlich wichtiger, weil es Menschen mit seltenen Erkrankungen betrifft, Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht von der Mehrheitsmeinung vertreten sind: Menschen mit Mukoviszidose, mit MS, mit ME/CFS. Sie haben im Gesetz eine Regelung auf den Weg gebracht, die vorsieht, dass die Umsatzschwelle für die entsprechenden Medikamente gegen diese seltenen Erkrankungen deutlich abgesenkt wird. Trotz aller Kritik aus der Pharmaindustrie, diese Schwelle anzuheben, haben Sie darauf nicht reagiert.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: MS ist keine seltene Krankheit!)

– Gut, dass Sie das sagen; darauf habe ich gewartet.

Bevor Sie jetzt auf das, was Sie erwartet haben, antworten: Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Sehr gerne.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Fragen Sie mal, was es bei Paula zu essen gab! Das würde mich interessieren! – Gegenruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sellerieschnitzel!)

Herr Müller, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass es zu diesem Gesetzentwurf 17 Änderungsanträge im parlamentarischen Verfahren gegeben hat und einige der Punkte, die Sie gerade angemarkert haben, verändert worden sind?

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Aber zum Schlechteren!)

Wir haben unter anderem die Umsatzschwelle für die Orphan-Drugs-Regelung – Sie haben sie gerade angesprochen – wieder deutlich angehoben. Und wir haben gerade wegen des MS-Präparats eine Veränderung vorgenommen; auch daran wird deutlich, dass wir auf die verschiedenen Anmerkungen aus der Sachverständigenanhörung eingegangen sind. Weiterhin haben wir an verschiedensten Stellen Abhilfen geschaffen, beispielsweise bei der Belastung der Ärzteschaft.

(Stephan Pilsinger [CDU/CSU]: Frage!)

Wir haben ein neues System. Wir haben die Neupatientenregelung gestrichen, die nachweislich nicht zur Aufnahme neuer Patienten und zusätzlichen Beratungen geführt hat.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Also lügen die Ärzte?)

Vielmehr haben wir eine Regelung eingeführt, die belohnt, wenn Ärzte sich erstens für eine Terminvermittlung einsetzen, zweitens zusätzliche Termine auch tatsächlich einrichten. Haben Sie das zur Kenntnis genommen? Wenn ja, dann können Sie eigentlich das, was Sie gerade unterstellt haben, nicht aufrechterhalten.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Also sind alle Ärzte Lügner, die genau das Gegenteil sagen?)

Vielen Dank, Frau Kollegin, das gibt mir die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass eine verfaulte Banane, wenn Sie sie neu einpacken, immer noch verfault bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben die Umsatzschwelle bei der Nutzenbewertung von 50 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro gesenkt. Das bedeutet für Menschen mit seltenen Erkrankungen, deren Medikamente einen deutlich geringeren Anteil an der Tablettenproduktion insgesamt haben – und da war der Einwurf in der Expertenanhörung vollkommen richtig –, dass die Pharmaindustrie sagt: Das wird sich finanziell nicht mehr lohnen, belasst es bei 50 Millionen Euro. – In den letzten Jahren sind zahlreiche Medikamente für Menschen mit seltenen Erkrankungen auf den Weg gebracht worden – das wissen Sie, Frau Kollegin –, weil wir gemeinsam mit der Sozialdemokratie die Schwelle auf 50 Millionen Euro angehoben haben. Und was machen jetzt die Grünen? Was macht jetzt die FDP? Sie senken die Schwelle. Sie zeigen den Menschen mit seltenen Erkrankungen die Rote Karte, und das finde ich sehr bedauerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)

Neben Ihren 17 Änderungsanträgen, wo Sie vieles auf halber Strecke haben stehen lassen, liegt heute auch ein Entschließungsantrag von uns vor. Setzen Sie Ihren Koalitionsvertrag um. Beteiligen Sie sich eins zu eins an den Krankenversicherungsbeiträgen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Hier geht es um 10 Milliarden Euro. Warum sollen Sie das tun? 10 Milliarden Euro sind bei den riesigen Wumms-Paketen, die Sie raushauen, ja fast schon Peanuts. Aber was bedeutet das im Umkehrschluss, wenn Sie dies nicht machen? Für einen GKV-Patienten im Arbeitslosengeld‑II-Bezug zahlt das Jobcenter 110 Euro. Für einen privat krankenversicherten Hartz‑IV-Empfänger zahlt das Jobcenter 380 Euro. Das ist nicht gerecht, liebe Sozialdemokratie. Hier müsst ihr nachschärfen. Den entsprechenden Antrag legen wir euch vor.

(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brauchen Sie mir nicht zu erzählen!)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Janosch Dahmen? Das erhöht natürlich Ihre Redezeit dramatisch.

Sehr geehrter Herr Präsident, da bereits eine Zwischenfrage von den Grünen kam, würde ich darauf verzichten, da die Tagesordnung heute noch sehr lang ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich bedanke mich herzlich bei Ihnen, Herr Müller.

Sie haben immer noch die Möglichkeit zu einer Kurzintervention, Herr Kollege.

Neben dieser Aufforderung, die Krankenversicherungsbeiträge für ALG‑II-Empfänger aus dem Bundeshaushalt auch volkswirtschaftlich zu betrachten, geben wir Ihnen auch noch andere Themen an die Hand, unter anderem die richtige Finanzierung unseres Pflegesystems, die richtige Finanzierung der Krankenhäuser. Nicht nur ankündigen, Herr Minister, machen! Das ist Ihre Aufgabe. Und da versagt diese Ampelregierung mit diesem Gesetz. Deswegen lehnen wir das ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind Ihre Finanzierungsvorschläge? Im Haushaltsausschuss kein einziger! – Gegenruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU]: Die Wahrheit tut schon ganz schön weh!)

Personen

Dokumente
Beschlussempfehlung und Bericht
Drucksache 20/4086
a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 20/3448, 20/3713, 20/4001 Nr. 1.4 - Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) b) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache 20/2375 - Soforthilfeprogramm für Krankenhäuser zur Abfederung unvorhersehbarer inflationsbedingter Kostensteigerungen c) zu dem Antrag der Fraktion der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der AfD - Drucksache 20/2360 - Abschaffung der Budgetierung für Ärzte d) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Marc Bernhard, René Bochmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 20/3532 - Bevorzugung von Importarzneimitteln beenden - Arzneimittelsicherheit verbessern e) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 20/3533 - Lieferengpässe bei Arzneimitteln wirksam begrenzen - Abhängigkeit der Arzneimittelversorgung vom Nicht-EU-Ausland abbauen f) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 20/3536 - Abschaffung des DRG-Systems im Krankenhaus und Einführung des Prospektiv-Regionalen-Pauschalensystems g) zu dem Antrag der Fraktion der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der der AfD - Drucksache 20/3537 - Verfahren der Nutzenbewertung und Preisfindung im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz auch auf Medizinalcannabis anwenden und damit gleichzeitig die Anwendungssicherheit verbessern und die Krankenkassen entlasten h) zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Susanne Ferschl, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/3484 - Kassendefizite solidarisch überwinden - Erhöhung der Beitragssätze durch die Krankenkassen verhindern i) zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Ates Gürpinar, Susanne Ferschl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/3485 - Mehrwertsteuer auf Arzneimittel absenken - Anhebung der Zusatzbeiträge für gesetzlich Krankenversicherte verhindern
von: Ausschuss für Gesundheit

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547415
Wahlperiode 20
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
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