20.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 19

Peter HeidtFDP - Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die furchtbaren Bilder, die ich ständig im Fernsehen sehe, ob aus der Ukraine, dem Iran, aus Syrien, Armenien, Aserbaidschan – die Liste ist lang und wird immer länger –, machen mich immer wieder fassungslos. Jeden Tag geschehen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf der ganzen Welt. Wir Freien Demokraten sind zutiefst davon überzeugt: Jedes Kriegsverbrechen muss bestraft werden, wo auch immer es in der Welt begangen wird und von wem auch immer.

Mit den Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs tragen wir der Weiterentwicklung der Technik, die immer neue und oft auch grausamere Waffen hervorbringt, sowie weiteren Handlungsformen der Kriegsführung Rechnung. Der Kreativität der Grausamkeiten scheinen ja keine Grenzen gesetzt zu sein. So tragen wir dazu bei, dass der Internationale Strafgerichtshof auch in Zukunft handlungsfähig ist. Wir Freien Demokraten stehen seit jeher für die Einhaltung der universellen Menschenrechte weltweit. Menschenrechte sind für fast alle – wohl nur nicht für die AfD – die Grundlage jeder liberalen, freien Gesellschaft. Sie schaffen die Basis für Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade in dieser Zeit der Autokratisierung, der Entdemokratisierung von Gesellschaften weltweit – auch hier in Europa – müssen wir zeigen, dass Menschenrechtsverletzungen geahndet werden und die Täter nicht davonkommen. Der Internationale Strafgerichtshof spielt dabei eine zentrale Rolle; deshalb sind die Änderungen, die wir jetzt vornehmen, so wichtig. Aber es bedarf weiterer Reformen, auch bei unserem nationalen Völkerstrafrecht in Deutschland. So sollte zum Beispiel in der Strafprozessordnung das Nebenklagerecht für Opfer von Kriegsverbrechen explizit ausgebaut und aufgenommen werden, und im Gerichtsverfassungsgesetz sollte der betroffenen Bevölkerung die sprachliche Teilhabe an Völkerstrafverfahren ermöglicht werden.

Gerade der Ukrainekrieg führt uns die Grenzen unserer Handlungsmöglichkeiten im Bereich des internationalen Völkerstrafrechts deutlich vor Augen. Zwar können wir im Rahmen des Weltrechtsprinzips Kriegsverbrechen überall auf der Welt verfolgen und auch Täter hier in Deutschland vor Gericht bringen, aber ausgerechnet das Verbrechen der Aggression, das Putin begangen hat, also die Ausführung eines Angriffskrieges, kann vom Tribunal in Den Haag derzeit nicht verfolgt werden, da Russland seine Unterschrift unter das Gründungsstatut in Den Haag wohlweislich zurückgezogen hat.

Um Russland also zur Rechenschaft zu ziehen, bedürfte es einer entsprechenden Resolution im UN-Sicherheitsrat, zu der es aber nicht kommen wird, da Russland im Sicherheitsrat ein Vetorecht besitzt. Dass ein Land dem Römischen Statut nicht beitritt und als UN-Vetomacht im Sicherheitsrat einen Antrag zur Aufnahme von Ermittlungen gegen sich selbst blockieren kann, ist schmerzlich und untergräbt unsere Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dass Putin derzeit nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, muss angesichts des unsäglichen Leids, das Russland täglich über die Ukraine bringt, wie ein Hohn auf viele Menschen wirken.

Deshalb müssen wir den Internationalen Strafgerichtshof in die Lage versetzen, zum Verbrechen der Aggression künftig auch dann ermitteln zu können, wenn der betroffene Staat nicht Unterzeichnerstaat des Römischen Statutes ist. Damit würden wir der Durchsetzung des Völkerrechts eine enorme Schlagkraft verleihen. Und wir würden als internationale Gemeinschaft auch deutlich machen, dass sich niemand hinter einem Nichtbeitritt zum Statut verstecken kann, dass weder der Nichtbeitritt noch ein Vetorecht davor schützen, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Auch wenn wir hier sicherlich dicke Bretter bohren und jahrelange Überzeugungsarbeit leisten müssen, ist das ein Ziel, für das es sich meiner Auffassung nach lohnt zu kämpfen.

Die Freien Demokraten denken aber auch über eine Übergangslösung in Form eines Sondertribunals für die Verbrechen in der Ukraine nach. So – und ich fürchte, nur so – wird es uns gelingen, direkt gegen Putin und seine engsten Vertrauten vorzugehen. Damit zeigen wir nicht nur den Opfern, sondern der ganzen Welt, dass die internationale Gemeinschaft kein zahnloser Tiger ist; gerade auch mit Blick auf Taiwan sollten wir dies als enorm wichtig erachten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Andrej Hunko das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547502
Wahlperiode 20
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs
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