21.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 26

Kevin KühnertSPD - Stabilisierungsfondsgesetz, Beschluss Art. 115 II GG

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Vorfeld dieser Debatte über den WSF habe ich in die Protokolle des Deutschen Bundestages geschaut, um mir zu vergegenwärtigen, wie das eigentlich aussah, als vor zweieinhalb Jahren der WSF, damals unter den frisch aufkommenden Bedingungen der Coronapandemie, auf den Weg gebracht wurde. Es ist ganz erstaunlich, welche Zitate man in der damaligen Plenardebatte zu diesem Thema finden kann. Ich möchte einen kleinen Ausschnitt präsentieren, damit Sie ein Gefühl dafür kriegen, wie relativ manche Wertevorstellungen von einigen hier im Haus sind.

Damals wurde an diesem Pult zum Beispiel geäußert:

Es gibt Situationen, da muss man vielleicht auch Entscheidungen treffen, deren Wirkung man nicht bis zum langen Ende bedenken und sehen kann. Aber man muss Entscheidungen treffen, um in der Situation die größte Not zu bekämpfen.

Das hat der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, hier im Plenum gesagt.

(Otto Fricke [FDP]: Oh!)

Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender Herr Brinkhaus, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, sagte Folgendes:

Wir werden in dieser Krise, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch entscheiden; denn das Schlimmste, das man in einer Krise machen kann, ist, sich wegzuducken und nichts zu tun, zu warten, bis der Sturm vorübergeht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das sind weise Worte, die Herr Brinkhaus damals gesprochen hat. Aber leider wollen Sie sich heute, in einer vergleichbaren Situation der Krise und mit genau diesem Instrument vor Augen, nicht mehr so recht daran erinnern.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sie entscheiden doch nichts in der Sache! Das ist doch das Problem! Sie wollen nur über Geld entscheiden! Kein einziges Element Ihres Abwehrschirms steht heute zur Debatte!)

Es geht noch weiter: Sie haben damals in der Debatte im Deutschen Bundestag den damaligen demokratischen Oppositionsfraktionen, Grünen und FDP, großherzig dafür gedankt, dass sie trotz einer unklaren Gemengelage, in der nicht bis ins letzte Detail schon alles entschieden war, ihre staatspolitische Verantwortung auch in der Opposition wahrgenommen und eingelöst haben, dass die demokratische Mehrheit zusammensteht.

(Otto Fricke [FDP]: Genau so!)

Warum sind Sie heute eigentlich nicht zur selben staatsmännischen und ‑fräulichen Tat fähig, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD, beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)

Stattdessen verstecken Sie sich hinter ziemlich fadenscheinigen Argumenten: 200 Milliarden Euro, aber man wisse ja gar nicht so genau, wofür das eigentlich aufgewendet werden solle.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sie wissen gar nicht, wofür es ist!)

Sagen Sie das eigentlich auch Ihren sechs Ministerpräsidenten, die in der Ministerpräsidentenkonferenz unter Punkt 4 genau dafür ihre Zustimmung gegeben haben?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Unter der Nennung von 200 Milliarden Euro als Rahmen für die Kreditermächtigung steht dort in einzelnen Bulletpoints – Sie können das alles nachlesen –, wofür genau das am Ende gedacht ist:

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Völliger Quatsch!)

zur Implementierung einer Gaspreisbremse für den Grundbedarf und für die Industrie in Deutschland, zur Absicherung, und zwar kurzfristig, der Strompreisbremse in Deutschland, für die Liquiditätshilfen für Betriebe, gerade für die energieintensiven, in Deutschland und vieles anderen mehr.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Dann legen Sie doch einen Gesetzentwurf vor!)

Da steht das drin. Das hat Ihren Ministerpräsidenten gereicht, um zu sagen: Jawohl, dahinter versammeln wir uns.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Reines Gelaber!)

Vielleicht ist das einfach der Unterschied zwischen Leuten, die Verantwortung tragen in einem Land, und Leuten, die es jetzt einfach mal ganz nett finden, aus der Opposition heraus ein bisschen krakeelen zu können.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

In Ihrem Entschließungsantrag, den ich sehr genau gelesen habe, steht, „mit vollen Händen“ würde das Geld jetzt ausgegeben werden, „übermäßige Haushaltspolster“ lege die Regierung hier an. Das ist eine verräterische Sprache, die da zum Ausdruck kommt. Denn „übermäßige Haushaltspolster“ unterstellt nicht, wer vielleicht noch ein paar Detailfragen zur genauen Umsetzung hat,

(Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Sie legen ja nichts vor!)

sondern „übermäßige Haushaltspolster“ unterstellt jemand, der findet, dass das einfach eine unangemessen große Hausnummer ist, über die wir hier sprechen. Das wäre aber eine spannende Einschätzung in Zeiten, in denen BDI und andere davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren vielleicht noch viel mehr brauchen werden, um die Volkswirtschaft in Deutschland und die Gesellschaft durch diese Krise zu bekommen. Sie kleckern schon am Anfang der Krise.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sie wissen gar nicht, worüber Sie heute entscheiden!)

Sehen Sie: Es ist das gute Recht der demokratischen Opposition, die Regierungskoalition zu kritisieren, Ungeduld zum Ausdruck zu bringen und auch harte Fragen zu stellen. Es ist auch das gute Recht der demokratischen Opposition, dabei keine wirklich greifbaren eigenen Pläne vorzulegen, wie wir auch heute in der Debatte noch mal gemerkt haben.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie waren doch gar nicht da in der Debatte! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind doch erst vor zehn Minuten reingekommen!)

Wir erwarten aber von der demokratischen Opposition Klarheit und Wahrheit darüber, wo sie eigentlich selbst in dieser Debatte steht. Dazu gehört, dass man nicht behauptet, aus politisch handwerklichen Gründen heute nicht zuzustimmen, wenn man eigentlich aus politisch taktischen Gründen nicht zustimmen will.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie wollen heute aus politisch taktischen Gründen nicht zustimmen, weil die nächsten Monate schwierig und ungewiss werden und Sie da lieber kein Risiko eingehen.

(Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Sie haben keine einzige Frage beantwortet!)

Stehen Sie doch einfach dazu und schreiben Sie dann nicht in Ihren Entschließungsantrag: „Es braucht eine pragmatische Politik, die das Wohl des Landes über wahl- und parteitaktische Fragen stellt.“ Diesem Anspruch werden Sie heute leider selbst nicht gerecht. Das erledigt die Koalition für Sie. Wir schreiten daher jetzt zur Tat und stimmen zu.

Ich danke Ihnen recht herzlich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547561
Wahlperiode 20
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Stabilisierungsfondsgesetz, Beschluss Art. 115 II GG
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