21.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 28

Nils SchmidSPD - Bundeswehreinsatz in Irak

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rede gern über die durchdachte Strategie der Bundesregierung, die hinter diesem Mandat steht.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Konjunktiv müssen Sie sagen: „redete“!)

Wir wissen, dass der Irak vor einer unverändert hohen Herausforderung steht, was die Sicherheitslage anbelangt, und um die damit verbundenen Einschränkungen einer stabilen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung. Deshalb sind wir der Auffassung, dass, gerade weil der Irak ein potenzieller Stabilitätsanker im Nahen Osten sein kann, wir die Mission der Bundeswehr in Bagdad und in Erbil und auch das Element der Unterstützung der Luftwaffe in Jordanien weiter unterstützen sollten.

Die politische Lage im Irak ist durch ein zerklüftetes Parlament mit schwieriger Regierungsbildung gekennzeichnet. Aber – Frau Nanni hat es angesprochen – es ist vom Parlament jetzt immerhin ein neuer Staatspräsident gewählt worden. Es gibt eine Regierungsmehrheit, eine Koalition, die sich gebildet hat. Für den Nahen Osten ist es durchaus ungewöhnlich, aber begrüßenswert, dass der Ort dieser politischen Machtentfaltung das Parlament ist und dass man versucht, solche regulären Prozesse der Regierungsbildung über die Stärkung von Institutionen hinzubekommen.

Ich kann Ihnen sagen, dass die Unterstützung und Absicherung dieser Staatlichkeit durch die Bundeswehreinsätze ein ganz wichtiger Baustein ist und dass uns gerade die politischen Eliten des Irak im Parlament und in der Regierung gespiegelt haben, dass sie den Einsatz der Bundeswehr wünschen. Wir waren mit einer kleinen Delegation der SPD im September vor Ort. Ob es Parlamentarier waren, ob es Regierungsvertreter waren – klare Ansage: Dieser Einsatz der Bundeswehr ist politisch gewollt. Unsere Bundeswehrsoldatinnen und ‑soldaten sind im Irak willkommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir haben auch einen Evaluierungsbericht vorgelegt, um zu dokumentieren, dass die Bundesregierung gerade auch im Irak den vernetzten Ansatz verfolgt. Ein besonders erfolgreiches Element dieser Evaluierung ist die Feststellung der Tatsache, dass in den letzten Monaten und Jahren Millionen von Binnenvertriebenen, die vor dem IS geflohen sind, zurückkehren konnten und dass damit humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe und der Sicherheitsaspekt Hand in Hand gehen. Es gibt aus meiner Sicht wenig Einsatzbereiche, in denen durch diesen vernetzten Ansatz während der Einsatzzeit der Bundeswehr schon so viele Fortschritte gesehen wurden. Deshalb ist gerade im Sinne des Verständnisses von menschlicher Sicherheit dieser Einsatz einer, den wir breit unterstützen sollten.

Ich will aber auch nicht verhehlen, dass es Sorgen gibt. Gerade von der Reise, die wir dorthin gemacht haben, bringen wir solche Sorgen mit:

Eine betrifft die Flüchtlingslager in Syrien, wo sich Zehntausende überwiegend syrische und vor allem auch irakische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aufhalten. Das sind wahre Brutstätten des Terrorismus. Viele dieser Flüchtlingslager in Syrien sind unter Kontrolle des IS. Wir können noch so viele Militäreinsätze fahren: Wenn immer wieder eine neue Generation von Terroristinnen und Terroristen heranwächst, dann kommen wir aus der Spirale der Gewalt nicht heraus. Deshalb müssen wir dem Irak helfen, seine Staatsbürgerinnen und Staatsbürger möglichst aus diesen Lagern herauszuholen und im Irak wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

Der zweite Problempunkt ist die Lage der Jesiden. Die Rückkehr nach Sindschar, einem angestammten Siedlungsgebiet der Jesidinnen und Jesiden, ist leider noch nicht möglich. Immer nur die Rückkehrhoffnung vorzuhalten, ist zu wenig. Wir müssen damit rechnen, dass auf Jahre hinweg Teile der Jesidinnen und Jesiden eben nicht in ihre Heimat zurückkehren können, und deshalb festen Aufenthalt und auch eine wirtschaftliche und eine Bildungsperspektive in anderen Gebieten des Nordiraks brauchen. Wir brauchen neue Ansätze in der Zusammenarbeit mit den irakischen Behörden, um diesen Flüchtlingen ein menschenwürdiges Dasein anzubieten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Schließlich stehen sowohl die Regionalverwaltung im Norden des Iraks, in Kurdistan, wie auch die Zentralregierung in Bagdad vor einer großen Herausforderung. Die letzten Jahre im Irak waren geprägt von dem Einsatz von Sicherheitskräften, der Wiederherstellung von Sicherheit, der Stärkung der Sicherheitskräfte. Jetzt geht es darum, den nächsten Schritt zu gehen, nämlich die zivilen staatlichen Institutionen wieder aufzubauen und zu stärken. Der Sicherheitsstaat muss zu einem zivilen Staat werden. Die Peschmerga im Nordirak müssen Verwalter werden: in den Ministerien, in der staatlichen Verwaltung.

Und – lassen Sie es uns offen benennen – im gesamten Irak ist Korruption ein Riesenproblem. Deshalb ist die Stärkung der zivilen Verwaltung, der Unabhängigkeit der Justiz, die Stärkung der Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben etwas, was wir ebenfalls im Rahmen des vernetzten Ansatzes unbedingt unterstützen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt noch einiges zu tun. Wir haben klare Vorstellungen davon, wo wir gemeinsam mit unseren Partnern im Irak ansetzen sollten. Wir sind dort ein geschätzter Partner. Deshalb bitte ich um Zustimmung für dieses Mandat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank. – Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die namentliche Abstimmung demnächst geschlossen wird. Wer also noch abstimmen will, möge das bitte in den nächsten Minuten tun.

Ich gebe jetzt das Wort Jan Nolte für die AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547586
Wahlperiode 20
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Irak
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