21.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 28

Kristian KlinckSPD - Bundeswehreinsatz in Irak

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Dichter Muti Ibn Iyas schrieb einst über seine Heimatstadt Bagdad – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

Es war Morgen in Bagdad, wir zechten, … unsere Gläser waren wie wirbelnde Sterne. … über unseren Köpfen Kronen aus goldenem Jasmin.

Ibn Iyas schrieb dies zur Blütezeit Bagdads, etwa zur Zeit Karl des Großen, als die westliche, abendländische Geschichte begann. Zu diesem Zeitpunkt war es schon etwa 1 000 Jahre her, dass Alexander in Babylon eingezogen war, und es war 4 000 Jahre her, dass die Sumerinnen und Sumerer im Zweistromland damit begannen, das fruchtbare Land zu bewirtschaften.

Meine Damen und Herren, der heutige Irak ist eines der ältesten Siedlungsgebiete der Menschheit. Er könnte aufgrund seiner natürlichen Ressourcen und der Begabung seiner Menschen ein wohlhabendes Land sein, doch die Situation ist dort oftmals schwierig. Ethnische und religiöse Bruchlinien bestehen fort. Lange Zeit wurde um die Regierungsbildung gerungen.

Und doch gibt es Fortschritte, und es gibt Hoffnung. Die höchsten Staatsämter wurden neu besetzt. Es bilden sich Ansätze eines demokratischen Parteiensystems auf echter politischer Grundlage über ethnisch-religiöse Grenzen hinweg. Den irakischen Sicherheitskräften gelingt es immer besser, im Land für Sicherheit zu sorgen. Das zeigt der Überprüfungsbericht, den die Ampelkoalition auf den Weg gebracht hat. Wir Ampelparteien halten es für wichtig, dass Mandate geprüft werden. Das ist ein echter Fortschritt im Regierungshandeln. Wenn das schon früher Standard gewesen wäre, hätten wir uns eine Menge Ärger erspart.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, die Ziele des Irakeinsatzes sind realistisch: einen Beitrag zur Stabilisierung der Region zu leisten, insbesondere durch den Fähigkeitsaufbau der Streit- und Sicherheitskräfte. Damit die neue Regierung handeln kann, damit die Wirtschaft sich erholen kann, damit Kinder zur Schule gehen können, benötigt der Irak vor allem eines: Er braucht Sicherheit. Dass Sicherheit die Grundlage von allem ist, zeigen die kurdischen Autonomiegebiete, in denen sich im Schutz der Sicherheitskräfte ein lebendiges, wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben entwickelt hat. Unser gemeinsames Ziel lautet, ein vergleichbares Sicherheitsversprechen auf den gesamten Irak zu übertragen. Wenn gute Regierungsführung, Volksbildung und weitere Demokratisierung folgen, wird der Irak einen sehr positiven Weg gehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein solches freiheitliches und zivilisiertes Gesellschaftsmodell wäre für die gesamte Region attraktiv. Doch ein solches Modell hat auch Feinde. Der sogenannte „Islamische Staat“ ist im Irak nach wie vor aktiv, und wir müssen ihm weiterhin entschieden entgegentreten. Und: Das rückständige und brutale Mullah-Regime im Iran verfolgt das Ziel, den Irak zu destabilisieren. Geld, Propaganda, Drohnenangriffe, Raketenbeschuss: Der Iran setzt alle Mittel ein. Das iranische Regime hat mit dem brutalen Mord an Mahsa Amini und vielen anderen Menschen auf schändlichste Weise gezeigt, dass es längst jede Legitimität verloren hat. Mit unserer Entscheidung für das Mandat zeigen wir: Wir lassen den Mullahs Übergriffe auf den Irak nicht durchgehen. Wir stehen an der Seite des Irak.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

In diesem Zusammenhang war mein Vorredner von der AfD wohl nicht völlig transparent. Sehr geehrter Herr Nolte, völkerrechtliche Vorbehalte gegen das Mandat sind unsubstanziell. Mir drängt sich vielmehr die Frage auf, ob die Gründe für die Ablehnung Ihrer Fraktion nicht darin liegen, dass der Iran ein enger Verbündeter für den Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine ist

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

und dass die politische Nähe Ihrer Fraktion zu Putin in dieser Frage mittlerweile handlungsleitend geworden ist. Die AfD gibt ein verheerendes Bild ab, nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Enrico Komning [AfD]: Sie erzählen Unsinn, Herr Abgeordneter!)

Meine Damen und Herren, niemandem von uns fällt es leicht, unsere Soldatinnen und Soldaten in einen Auslandseinsatz zu schicken und sie für Monate von ihren Familien zu trennen. Ich weiß, dass Sie alle diese Verantwortung sehr ernst nehmen. Deswegen bekräftige ich: Der Auftrag der Bundeswehr im Irak ist sinnvoll, er ist legitim, und die Bundeswehr erfüllt ihn gut. Der Dienst unserer Soldatinnen und Soldaten verdient die allergrößte Anerkennung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, ein letzter Gedanke. Wenn wir heute auf den Irak schauen, stellen sich Fragen, die so alt sind wie die ersten Hochkulturen: Wie können wir Sicherheit für alle schaffen? Wie kann es gelingen, die Ressourcen der Natur so gut und nachhaltig zu nutzen, dass alle Menschen ein gutes Leben führen können? Das sind Grundfragen der Menschheitsgeschichte, ja, des Menschseins an sich, und vor diesen Grundfragen sind wir alle gleich. Wenn wir auf den Irak schauen, schauen wir auch auf uns selbst. Deswegen sagen wir den Irakerinnen und Irakern: Wir stehen an eurer Seite. Ihr könnt euch selbst helfen, ihr könnt euch eine gute Zukunft aufbauen, und bei eurer Selbsthilfe unterstützen wir euch. Deutschland steht an der Seite des Irak – im Sinne der Freiheit, im Sinne der Zivilisation und im Sinne der Menschlichkeit. Deswegen stimmen wir dem Mandat zu.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Thomas Röwekamp hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547592
Wahlperiode 20
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Irak
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