Daniel SchneiderSPD - Meeresschutzgebiet im Weddellmeer der Antarktis
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Antrag geht es um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und um Vorhaben von elementarer Bedeutung für die Menschheit. Wir haben schon vieles davon gehört. Ich kann nicht versprechen, dass sich hier wenig wiederholen wird; aber es ist eben wichtig.
Wir wollen heute wie zuletzt vor zwei Jahren ein wichtiges und möglichst einstimmiges Signal hinaus in die Welt senden. Wir fordern nun die Bundesregierung dazu auf, sich international auf höchsten diplomatischen Ebenen für den Schutz des antarktischen Weddellmeeres sowie für weitere wichtige Regelungen im globalen Meeresschutz einzusetzen.
Schon in der kommenden Woche beginnt die jährliche CCAMLR-Tagung in Australien. Ebendiese Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis arbeitet seit 2009 an der Einrichtung eines repräsentativen Netzwerkes von Meeresschutzgebieten rund um den Kontinent. Ich will hier noch ein paar Punkte anbringen, die zeigen, warum globaler Meeresschutz für uns alle so wichtig ist, bevor ich zum 8 000 Seemeilen weit entfernten Weddellmeer übergehe.
Die Weltmeere bedecken mehr als 70 Prozent der planetaren Oberfläche und sind Heimat unzähliger Tier- und Pflanzenarten. Ihre Fischbestände bilden eine wichtige Einkommens- und Nahrungsquelle für Milliarden von Menschen. Die Ozeane sind weltweit der wichtigste Sauerstoffproduzent. Jeder zweite Atemzug, den wir tätigen, kommt quasi aus dem Meer.
Unsere Meere sind gigantische Kohlenstoff- und Wärmespeicher. Sie haben über 90 Prozent der atmosphärischen Erhitzung aufgenommen, mehr als ein Drittel der menschengemachten CO2-Emissionen absorbiert und tragen so ganz natürlich zur Stabilität unseres Klimasystems bei. Hinzu kommen die ebenfalls überlebenswichtigen Funktionen beim Küstenschutz und natürlich die ganze Romantik und unsere Sehnsüchte, die wir alle mit den Meeren verbinden.
Doch die marinen Ökosysteme stehen unter enormem Nutzungsdruck und reagieren oft sehr sensibel auf die kleinsten Veränderungen. Ich muss auch an die drei großen Krisen unserer Zeit erinnern, die nicht nur an Land herrschen, sondern auch unsere Meere bedrohen: die Klimakrise, das Artensterben und eben auch die Verschmutzung bzw. die Vermüllung unseres Planeten.
In Deutschland stellen wir die ambitionierte Verfolgung unserer Meeresoffensive durch unsere Beitritte zum Blue Leaders Club, zur High Ambition Coalition for Nature and People sowie zur Global Ocean Alliance unter Beweis. Die Namen dieser wichtigen Initiativen sind schwer zu merken, recht kompliziert. Aber das große gemeinsame Ziel, das uns in dieser Dekade alle eint, ist ganz klar und ganz einfach und dabei auch absolut alternativlos: Es geht um den effektiven Schutz von mindestens 30 Prozent unserer Weltmeere bis zum Jahre 2030.
In diesem Sinne unterstützen wir auch das geplante BBNJ-Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt auf hoher See, also jenseits der nationalen Zuständigkeiten oder Rechtsprechungen, ein noch fehlendes internationales Rahmenwerk für immerhin 43 Prozent der Erdoberfläche.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jetzt zurück ins Südpolarmeer, ich sagte es gerade: 8 000 Seemeilen von hier – ein Ort, wo die Uhren langsamer ticken und unsere Forscherinnen und Forscher eine sensationelle Artenvielfalt, wie wir sie sonst nur aus tropischen Korallenriffen kennen, entdecken. Unter dem Meereis wachsen Eisalgen und Bakterien, welche von Krill und anderen Kleinstlebewesen abgeweidet werden. Dieses Zooplankton ist wichtig für das Leben in der Tiefe – das haben wir gerade schon gehört – und zahlreicher Fische, Robben und Wale. Das Weddellmeer ist Heimat der legendären Kaiserpinguine und ein riesiges Brutgebiet für viele große Vögel, so etwa für den Antarktischen Sturmvogel.
Die Folgen des Klimawandels werden hier aufgrund der Eisbedeckung und der Ozeanströmungen erst wesentlich später spürbar werden. Deshalb wollen wir diesen Rückzugsort für kälteliebende Arten erhalten, um ihnen die Chance zu bieten, sich an die schleichenden Veränderungen ihres Lebensraumes anzupassen. Wir müssen möglichst schnell die Emissionen von Treibhausgasen radikal drosseln und für effektiven Schutz der marinen Biodiversität sorgen. Dazu brauchen wir großflächige Nullnutzungszonen und ein wissenschaftlich basiertes Monitoring der Artenvielfalt.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, um einmal Danke zu sagen. Ich bedanke mich in unser aller Namen bei unseren sehr engagierten Meeresschützerinnen und Meeresschützern, beispielsweise vom World Future Council, von der Deutschen Umwelthilfe oder auch von Greenpeace, vom NABU, vom WWF und vielen anderen. Da kann man ruhig auch mal Danke sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Sie vertreten unsere Interessen überaus engagiert und natürlich auch überaus kompetent und mahnen immer wieder die wachsende Dringlichkeit angesichts der steigenden Temperaturen und des Abschmelzens der Gletscher und Eisflächen an.
Doch im Rahmen der CCAMLR herrscht das Prinzip der Einstimmigkeit. China und Russland sind jetzt noch die letzten Länder mit Blockadehaltung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen: Es geht um industriellen Fischfang, dabei leider auch um Krill als Futter in Aquakulturen oder als Nahrungsergänzungsmittel, Stichwort „Omega 3“.
Dabei ist es so wichtig, dass die internationale Fischfangflotte einen möglichst großen Bogen um die bisher nahezu unberührten Regionen der Antarktis macht. Aber die Geschichte des Rossmeeres macht Mut; wir haben es gerade auch von dem Kollegen Mack gehört. Rund zehn Jahre hat es gedauert, bis die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow im Jahre 2016 den Durchbruch hinter verschlossenen Türen erreichten. Russland gab schließlich seine Blockadehaltung auf.
Was auch Mut macht, ist die Erinnerung daran, dass CCAMLR aus dem Antarktis-Vertrag hervorgegangen ist. Vor über 60 Jahren beendete dieses erste internationale Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg den Wettlauf der verfeindeten Blöcke um territoriale Ansprüche und bewahrte mitten im Kalten Krieg die Lebenswelten vor kommerziellem Rohstoffabbau und militärischer Nutzung. Noch heute bildet der Antarktis-Vertrag die Grundlage für die friedliche Zusammenarbeit der Völker im Dienste der Wissenschaft.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam diesen Antrag beschließen, damit sich die Bundesregierung bei bilateralen und multilateralen Treffen sowie demnächst beim ersten Besuch von Olaf Scholz in Peking sowie bei weiteren sich bietenden Gelegenheiten für den globalen Meeresschutz einsetzen wird. – Wo steht eigentlich immer die Zeit? Ach, da!
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Das Weddellmeer wäre – das haben wir gerade auch schon gehört – das größte Meeresschutzgebiet der Welt. Das wissenschaftliche Fundament dafür liefert das Alfred-Wegener-Institut, das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, mit Sitz in Bremerhaven, unweit der schönen Hafenstadt Cuxhaven an der Nordseeküste.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. – Herr Kollege Schneider, solange es da vorn nicht blinkt, können Sie unbesorgt weiterreden. Wenn es blinkt, ist das der Hinweis darauf – mein stiller Ruf an Sie –, zum Ende zu kommen.
Nächster Redner ist der Kollege Andreas Bleck, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547620 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Meeresschutzgebiet im Weddellmeer der Antarktis |