09.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 65 / Tagesordnungspunkt 5

Dirk WieseSPD - Vereinbarte Debatte - Bekämpfung von Antisemitismus

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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Der heutige 9. November ist kein normaler Tag. Es ist ein Tag zum Innehalten, zum Erinnern, an dem wir den Blick in die Vergangenheit richten müssen; denn der 9. November wird zu Recht als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet. An diesem Tag nahmen viele Schicksale in diesem Land in den letzten Jahrzehnten eine unerwartete, hoffnungsvolle, aber auch grausame Wendung. Am 9. November 1989 haben viele in der ehemaligen DDR neue Hoffnung auf eine Zukunft mit mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten für sich und ihre Familien geschöpft, und es war ein guter Tag für unser heute wiedervereinigtes Land.

Der 9. November 1938 war aber das genaue Gegenteil. Im nationalsozialistischen Deutschland kommt es zu organisierten Übergriffen gegen Jüdinnen und Juden; jüdische Läden, Institutionen werden zerstört, Synagogen brennen, werden verwüstet, bei mir im Sauerland unter anderem in Arnsberg, Meschede und Brilon. Polizei und Feuerwehr hatten damals die Weisung, nicht einzugreifen, wollten es oftmals auch gar nicht. Bürgerinnen und Bürger, Nachbarn machten aktiv mit oder schauten weg.

In dieser Nacht haben jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger vielleicht endgültig erkannt: Dieser Terrorstaat hat sich gegen sie entschieden. Er hat über ihr Schicksal befunden und es für nicht schützenswert, ja nicht lebenswert erachtet. Und dieser Hass gegen unsere jüdischen Mitbürger mündete in dem schrecklichsten Zivilisationsbruch unserer Geschichte, dem Menschheitsverbrechen der Shoah.

Ich sage ganz deutlich: Für unsere Verantwortung vor der Geschichte gibt es keinen Schlussstrich. Der 9. November ist hierfür Mahnung und Warnung an uns alle zugleich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Der Kampf gegen Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens sind unsere gemeinsame Aufgabe und die Aufgabe aller Demokraten hier im Haus. Denn das vergangene Jahr hat es uns doch gezeigt: Jüdisches Leben gehört seit 1 700 Jahren zu unserem Land, zu unserer Geschichte, und es ist ein Teil von uns. Gerade deshalb sind wir alle verpflichtet, gegen Judenhass und Judenfeindschaft aufzustehen und zu handeln. Das ist die Lehre, die wir aus der Geschichte ziehen müssen. Gerade die jüngere Generation steht hier in der Verantwortung, gerade in einer Zeit, wo wir uns die Frage stellen müssen, wie Erinnerungskultur zukünftig möglich ist, wenn die Zeitzeugen nicht mehr unter uns sind.

Kolleginnen und Kollegen, erheben wir deshalb gemeinsam unsere Stimme gegen jede Form des Antisemitismus, egal, in welchem Gewand er daherkommt, und egal, wie er sich in der Neuzeit ausbreitet, sei es mit verschwörungstheoretischen Vorurteilen während der Finanzkrise, während der Coronapandemie, wo es abscheulichste Vergleiche gerade mit Anne Frank gegeben hat. Gerade in diesen Zeiten, wo Hass und Hetze einer lauten Minderheit zuzunehmen scheinen, sind wir gemeinsam gefordert. Klären wir darum auf, wo Verschwörungserzählungen und Diffamierungen jüdische Menschen treffen. Stehen wir gemeinsam auf, und geben wir dem Antisemitismus in der Mitte unserer Gesellschaft keinen Platz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wiese. – Das Wort hat nunmehr der Kollege Jürgen Hardt, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547728
Wahlperiode 20
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - Bekämpfung von Antisemitismus
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