09.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 65 / Zusatzpunkt 1

Derya Türk-NachbaurSPD - Unterstützung der Protestbewegung im Iran

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen und andere! Für all die mutigen Frauen und Männer im Iran, die durch ihren Protest ihr Leben riskieren, gibt es kein Zurück mehr. So paradox es auch klingen mag: Die vereinte Kraft auf der Straße ist für sie der Garant fürs Überleben und Überwinden eines mordendenden Mullah-Regimes. Sie können und dürfen jetzt nicht aufhören. Denn der Mut und der Wille dieser Frauen und Männer sind stärker als der staatlich verordnete Terror gegen sie. Genau deshalb, Herr Röttgen, wird diese Revolution nicht scheitern.

Es ist etwas ganz Besonderes, heute, am 9. November, über die Kraft der Straße zu sprechen, an dem Tag, an dem vor 33 Jahren mittels Protesten das Ende eines Unrechtsstaats eingeläutet wurde und das Ende der Teilung Deutschlands endlich Wahrheit wurde. Viel wurde in den letzten Wochen über die Protestbewegung im Iran gesprochen. Alle demokratischen Parteien haben sich mit den mutigen Frauen und Männern solidarisiert. Wir sind auf Demos gegangen, haben das brutale Vorgehen gegen Demonstrierende aufs Schärfste verurteilt und haben uns solidarisch in den sozialen Netzwerken geäußert. Das war und bleibt wichtig; das reicht aber nicht aus.

Wir sind dem Kampf um Freiheit etwas mehr schuldig. Die Waffen der Protestierenden sind ihre Füße, die sie auf die Straßen tragen, die Haare, die sie offen im Wind wehen lassen, die Worte, die sie in Tweets und dann in Songtexte verpacken, die Bilder des Unrechts, das sie auf Leinwänden zu Kunstwerken verarbeiten. Bekämpft werden sie mit Schlagstöcken, Schrotflinten, scharfer Munition, Peitschenhieben und sexueller Gewalt. Es geht um Terror, es geht um Folter, es geht darum, über die Leichen des eigenen Volkes zu gehen, um an der Macht zu bleiben.

Wir haben es mehrfach gehört: über 14 000 Inhaftierte, über 300 Tote, davon 45 Kinder. Das sind die Zahlen, die gestern kursierten. Über die Dunkelziffer, über die Tausenden von Verletzten, die in Krankenhäusern nicht behandelt werden dürfen, werden wir noch ausführlich sprechen müssen. All das macht ein Staat, der als Mitglied der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkennt und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert. Die iranische Verfassung erhält sogar einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dass das aber nicht mehr als nur Lippenbekenntnisse sind, wissen wir nicht erst seit dem 16. September, seit dem Tag, an dem Jina Mahsa Amini auf brutalste Weise zu Tode kam, weil sie ihr Kopftuch nicht so trug, wie es die Sittenpolizei gerne gehabt hätte.

Wir haben vielleicht zu lange weggeschaut. Auch wir haben zugelassen, dass jahrzehntelang Folter und Missbrauch, Willkür und Korruption dieses Land geprägt haben. Es ist Zeit, dass wir uns eindeutig positionieren: für die Menschenrechte, für Freiheit, für Chancengleichheit, für Rechtsstaatlichkeit und für eine würdevolle Behandlung aller. Sich zu positionieren, heißt in diesem Fall auch, konkret zu sanktionieren. Deshalb ist jeder einzelne der 25 Punkte aus dem Forderungskatalog dieses gemeinsamen Antrags so richtig und genauso wichtig. Es ist gut, dass wir unsere Sanktionen ausweiten, und es ist gut, dass wir den Druck erhöhen. Wenn es nach mir persönlich ginge und wenn es rechtlich möglich wäre, würde ich sie sogar auf die 227 Abgeordneten ausweiten, die ihre Bereitschaft gezeigt haben, 14 000 Inhaftierte hinzurichten.

„Krieg gegen Gott“ – das ist kein Krieg gegen Gott. Liebe Mullahs, um bei Ihrem Wording zu bleiben: Wenn es ein Krieg ist, dann ist das ein Krieg gegen die Unterdrückung, gegen Menschenverachtung und für die Freiheit und Selbstbestimmung. Dieser Krieg wird ohne Waffen geführt. Wir Demokratinnen und Demokraten in diesem Parlament stehen an der Seite dieser Demonstrierenden: Jin, Jiyan, Azadi.

Danke.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Türk-Nachbaur. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Thomas Erndl, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547746
Wahlperiode 20
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Unterstützung der Protestbewegung im Iran
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