Carsten LinnemannCDU/CSU - Mittelstandspolitik
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was mich freut, ist, dass es in diesem Hause keinen Dissens über die Bedeutung des Mittelstandes für den Standort Deutschland gibt. Das ist einzigartig, was wir hier haben – wenn ich allein darüber nachdenke, dass wir 80 Prozent Personengesellschaften haben, die mit dem eigenen Vermögen volle Pulle Verantwortung übernehmen, bei denen Risiko und Handlung in einer Hand liegen, wenn ich sehe, wie sich alle vor Ort einsetzen, damit dieses Land zusammenhält, im Vereinswesen, überall. Ich denke an hohe Exporte, an Hidden Champions, die sich nach der Wiedervereinigung extrem in die internationale Arbeitsteilung eingeklinkt haben.
Wenn ich mir jetzt die aktuelle konjunkturelle Lage anschaue, und zwar nur die Frühindikatoren – Auftragseingang negativ, ifo-Geschäftsklimaindex sehr kritisch, der Konsumklimaindex der GfK so niedrig wie seit 10 oder 15 Jahren nicht mehr –, und feststelle, dass die Produktion selbst im verarbeitenden Gewerbe rückgängig ist, dann muss ich zu dem Schluss kommen, dass der Mittelstand in den letzten Jahrzehnten noch nie so unter Druck stand wie im Moment, dass da Menschen abends mit Problemen ins Bett gehen und morgens aufstehen und sich die Frage stellen: Wie gestalte ich die Zukunft?
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Das ist sehr, sehr richtig!)
Wenn Sie mit den Menschen reden, dann merken Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, dass sie nicht denselben Schluss ziehen wie Sie in Ihrem Antrag. Ja, Sie sprechen da Punkte an, die umtreiben, die Energiepolitik etc. Aber mich lässt der Verdacht nicht los, dass Sie bewusst ein Sammelsurium von Punkten in den Antrag reinziehen – von Gutmenschen über Covid bis hin zu Flüchtlingen und vielem mehr –, das mit der Realität, die mir geschildert wird, wenn ich in der jetzigen existenziellen Phase mit Mittelständlern spreche, nichts zu tun hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich habe gestern Abend mit Mittelständlern gesprochen. Ich hatte mich aufgeregt, weil mein Heimatverein ein Spiel verloren hatte, und habe dann direkt bei sechs Mittelständlern angerufen. Ich habe mich mit ihren Problemen auseinandergesetzt. Alle sechs haben da drei Themen genannt. Erstens: das Thema Energiekosten. Wie geht es da weiter? Zweitens: das Thema Arbeitskräfte. Drittens: das Thema Lieferengpässe.
Beim Thema Energiekosten hatte ich einen Metallverarbeiter am Telefon, der letztes Jahr 200 000 Euro an Energiekosten gezahlt hat. Dieses Jahr waren es 1,4 Millionen Euro Energiekosten bei 8 Millionen Euro Umsatz. – Da hat man mal eine Vorstellung, wie es denen geht.
Zum Thema Lieferengpässe: Ich war vor zwei Wochen bei Claas. Die haben auf dem Hof 748 Mähdrescher stehen, die nicht verkauft werden können, vor allem, weil bestimmte Teile fehlen. – Das sind die Dinge, die die umtreiben.
(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])
In dieser Gemengelage, wo es wirklich um die Existenz von vielen, vielen Mittelständlern geht, erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie handelt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben das übrigens bei Corona gemacht: Anfang bis Mitte März 2020 brach in Heinsberg Corona aus. Ende März lag ein Konzept vor. Anfang April wurden 7,3 Milliarden Euro freigegeben. Innerhalb von wenigen Wochen haben wir die Mittelständler unterstützt.
Wie ist es heute, nach neun Monaten schrecklichem Krieg? Sie haben im Sommer im Rahmen einer Konzertierten Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zusammengesessen, haben dann gesagt: Wir treffen uns im Herbst wieder und entscheiden dann. – Im Herbst haben Sie sich wieder getroffen. Dann wurde eine Gaspreiskommission ins Leben gerufen. Jetzt weiß man so langsam, wo es hingehen soll. Aber dem Mittelstand hilft es immer noch nicht so richtig, weil er das Geld nicht im Januar kriegt, sondern erst irgendwann im März. Die Planungssicherheit ist also nicht da. Das heißt, am Ende muss der Mittelstand nach Ausbruch dieses schrecklichen Krieges ein Jahr warten,
(Beifall bei der CDU/CSU)
um zumindest mal ein bisschen Planungssicherheit zu bekommen.
(Marianne Schieder [SPD]: Das stimmt doch nicht!)
Wir haben bei Corona bewiesen, dass wir schnell handeln können. Der Mittelstand braucht – erstens – Planungssicherheit. Er braucht in diesen Zeiten – zweitens – keine neuen Belastungen. Ich würde mich – drittens – freuen, wenn man treffsicher und einigermaßen konzentriert diejenigen unterstützt, die es wirklich brauchen, und nicht die Gießkanne nutzt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich das Wort dem Kollegen Maik Außendorf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547779 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 65 |
Tagesordnungspunkt | Mittelstandspolitik |