Hermann GröheCDU/CSU - Bürgergeld-Gesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ja, Herr Minister, es geht um Menschen wie den von Ihnen genannten Langzeitarbeitslosen, die wir besser in Arbeit vermitteln, besser unterstützen wollen. Deswegen ist es richtig, dass Sie den sozialen Arbeitsmarkt, den wir gemeinsam geschaffen haben, entfristen. Aber es ist völlig verfehlt, dass Sie im Bereich der Integration in Arbeit 600 Millionen Euro kürzen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Tun Sie doch nicht so, als helfe ein neuer Name, wenn Sie beim Geld für die Jobcenter kürzen!
Für uns als Union war stets klar: Vorfahrt für Vermittlung. Wir halten am Fordern fest; aber wir müssen beim Fördern besser werden.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir auch! Einfach mal ins Gesetz schauen!)
Wir wollen nicht, dass alles so bleibt, wie Sie es permanent unterstellen.
Bis heute verweigern Sie jede sachliche Debatte über die grundsätzlichen Webfehler Ihres Gesetzes. Ich dachte zunächst, das sei die Ampelangst vor Argumenten. Inzwischen weiß ich: Sie haben sogar vor unseren Fragen Angst.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist doch ungeheuerlich, dass Sie es der Opposition verweigern, den Bundesrechnungshof in einer Anhörung dieses Parlaments zu befragen – eine Institution, deren Mitgliedern das Grundgesetz richterliche Unabhängigkeit zuschreibt.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Peinlich! – Zurufe der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Christian Dürr [FDP] und Jens Teutrine [FDP])
Sie wollen diese Antworten nicht im Parlament hören. Unglaublich!
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Glauben Sie eigentlich im Ernst, die Arroganz der Mehrheit im Bundestag erhöht die Chancen auf eine Mehrheit im Bundesrat? Wer empfiehlt Ihnen eigentlich so absurde Strategien? Das ist doch unglaublich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ja, die Zeit wird knapp. Wir wollen am 1. Januar bessere Bedingungen für die Menschen, die langzeitarbeitslos sind.
(Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Aber der Kabinettszeitplan ist der Kabinettszeitplan der Ampel; der Parlamentszeitplan ist der Parlamentszeitplan der Ampel. Wir haben zu keiner Zeit irgendetwas verzögert. Im Gegenteil: Es waren die Arbeitsministerinnen und ‑minister der Union, die vor einer Woche an Sie als Fraktionen der Ampel geschrieben haben, um welche grundsätzlichen Bedenken es ging.
(Christian Dürr [FDP]: Umso spannender wäre es doch, zu wissen, warum Sie nur die Regelsätze erhöhen wollen, aber nicht die Arbeitsanreize! Das finde ich viel spannender!)
Wir wollten uns ein Vermittlungsverfahren ersparen; wir wollten Ihnen die Gelegenheit geben, sich zu korrigieren. Sie haben sie ungenutzt verstreichen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Sie nölen am Verfahren rum! Aber es ist spannend, zu wissen, warum die Union gegen Arbeitsanreize ist! Das wäre spannend für mich zu wissen!)
Trotz aller persönlichen Herabsetzungen sei mal darauf hingewiesen: Die Personalräte der Jobcenter drängen auf eine Verschiebung.
(Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Lesen Sie den Brandbrief! – Sie drängen darauf – –
(Christian Dürr [FDP]: Es gibt kein substanzielles Argument!)
– Nein, ich weiß, dass Sie das – –
(Christian Dürr [FDP]: Es gibt kein substanzielles Argument, kein einziges! Absurd! Das ist ja absurd! Sie sind doch in Wahrheit gegen Arbeitsanreize! Absurd! – Gegenruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU]: Jetzt hören Sie doch mal zu, Menschenskinder! Was ist denn das für ein Benehmen!)
– Herr Dürr, also auf dem Schulhof gilt: Wer brüllt, hat unrecht. – Für Herrn Dürr gilt das sogar im Parlament.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen, meine Herren, also das ist originell.
Also, jetzt lassen Sie mich mal etwas zu den Personalräten sagen. Dass die FDP sich nicht dafür interessiert, ist ja in Ordnung. Aber so kaltschnäuzig, wie die SPD mit diesen Personalräten umgeht, sollten Sie aufhören, andere über Mitbestimmung zu belehren. Das ist die Wahrheit!
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Oh Gott! Absurd! – Zuruf des Abg. Takis Mehmet Ali [SPD])
Da schreiben Ihnen Personalräte, dass die Kolleginnen und Kollegen den Tränen nahe sind, und schlagen vor, die Regelsatzerhöhung vorzuziehen. Das ist der Vorschlag von Friedrich Merz. Sie wischen dies vom Tisch.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Christian Dürr [FDP]: Ja, gegen neue Arbeitsanreize, nur höhere Regelsätze! Wenn mir meine Koalitionspartner das vorgeschlagen hätten, hätte ich gelacht! Wie absurd, Herr Gröhe! Absurd!)
Meine Damen, meine Herren, wir sind für die möglichst zeitnahe Erhöhung; darum geht es. Es geht niemandem darum, irgendjemanden gegeneinander auszuspielen. Es geht darum, ein Ja zu den höheren Regelsätzen zu haben und die Lage der Menschen mit geringem Einkommen in den Blick zu nehmen.
Herr Klingbeil, ich zitiere einen Ihrer Vorgänger, Sigmar Gabriel. Er sagt, er sei kein besonderer Fan des Bürgergelds. Dann geht es weiter: Es führe dazu – Zitat Gabriel –, „dass diejenigen, die als wenig Qualifizierte im Handwerk arbeiten, im Zweifel keinen ökonomischen Anreiz mehr haben, arbeiten zu gehen“. Ihr Vorgänger! Bei Ihrem Niveau müssten Sie jetzt „Genosse Trump“ sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Sigmar Gabriel hat es leider genauso wenig kapiert wie Sie!)
Das ist nur arg peinlich.
Und Christian Lindner erklärt, wenn der Regelsatz steige, dann müsse der Grundfreibetrag erhöht werden. Damit räumt er genau ein, dass wir recht haben.
(Christian Dürr [FDP]: Hä? Wir erhöhen doch den Grundfreibetrag, Herr Gröhe! Wir erhöhen doch den Grundfreibetrag! Das ist ja absurd! – Johannes Vogel [FDP]: Aber wir erhöhen ja heute den Grundfreibetrag!)
Ich befürchte nur, der FDP-Vorsitzende Lindner würde ihm vorwerfen, das sei ein Schäbigkeitswettbewerb. So ist das, wenn man ein bisschen schizophren argumentiert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie wollen es heute ablehnen, den Regelsatz zu erhöhen. Aber dann haben Sie am Montag kein Recht, die Länder damit unter Druck zu setzen, man müsse Ihrem Gesetz uneingeschränkt zustimmen, sonst enthalte man Arbeitslosen die fällige Erhöhung vor.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ist es! – Zurufe der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ab heute gibt es eine Namensliste: Wer war dafür, und wer war dagegen? Das ist sehr eindeutig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da Sie am liebsten schreien, sage ich Ihnen: „Mit Denkverboten kommen Sie nicht weiter“, und ich sage sehr deutlich: „Wir wollen nicht lediglich eine Erhöhung der Regelsätze. Wir haben Vorschläge gemacht – –
(Johannes Vogel [FDP]: Ach was! – Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum lehnen Sie denn dann den Rest ab? – Zuruf des Abg. Jens Teutrine [FDP])
– Wir lehnen auch nicht alles bei Ihnen ab, um das klar zu sagen.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn nicht?)
Zum Erhöhen der Hinzuverdienstgrenzen haben wir uns als Unionsfraktion bekannt.
(Christian Dürr [FDP]: Der einzige Vorschlag ist, die Regelsätze zu erhöhen! Na super!)
– Nein, das stimmt einfach nicht. – Aber Sie packen die zentralen Webfehler des Gesetzes nicht an.
(Johannes Vogel [FDP]: Welche?)
Es geht eben im Kern um ein Schonvermögen bei einer Bedarfsgemeinschaft mit zwei Kindern von 150 000 Euro,
(Rasha Nasr [SPD]: Bingo!)
das man besitzen und trotzdem Bürgergeld bekommen kann. Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann von einem solchen Vermögen nur träumen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Rasha Nasr [SPD])
Und wissen Sie was? Sie gefährden damit die Fairness. Sie gefährden damit die Fairness in diesem Land.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Lest euern Gesetzentwurf! – Zuruf der Abg. Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber was viel schlimmer ist: Sie gefährden damit die Chancen auf Vermittlung in Arbeit.
(Saskia Esken [SPD]: Schäbig!)
Erlauben Sie mir, einen Landrat zu zitieren:
Es ist unerklärlich, dass in einer Zeit, in der die Gesellschaft zur Bewältigung von Krisen und ihren Aufgaben zwingend das Arbeitskräftepotenzial erhöhen muss, die Wege aus der Arbeitslosigkeit eingeschränkt und die Wege in die Arbeitslosigkeit erleichtert werden.
(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)
Dieser Landrat, Peter Bohlmann, ist Mitglied der SPD in Niedersachsen, Herr Klingbeil – wahrscheinlich auch so ein „Genosse Trump“.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist doch ungeheuerlich: Sie preisen sich für die angeblich größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren; aber Sie wischen weg die Kritik des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Sie wischen weg die Kritik des Deutschen Städtetages. Sie wischen weg die Kritik des Landkreistages.
(Zurufe der Abg. Anke Hennig [SPD] und Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wie viel ideologische Verbohrtheit braucht man eigentlich, um so mit der Kritik derjenigen umzugehen, die unseren Sozialstaat vor Ort tragen?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit dieser Arroganz bringen Sie den Sozialstaat nicht nach vorne; mit dieser Arroganz werden Sie scheitern.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Anke Hennig [SPD] und Christian Dürr [FDP] – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Diese arrogante Truppe! Unglaublich! So schnell lernt man Arroganz!)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Britta Haßelmann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547798 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 66 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld-Gesetz |