10.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 66 / Zusatzpunkt 10

Tim KlüssendorfSPD - Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir vorgenommen, als ich in den Deutschen Bundestag gewählt worden bin, hier keinen Quatsch zu erzählen und mich immer an das zu halten, was ich auch sonst vertrete. Dementsprechend fällt es mir besonders schwer, heute zu diesem Antrag zu sprechen, weil das eine Forderung ist, die ich im Kern inhaltlich sehr unterstützenswert finde

(Beifall des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und die nicht nur meine Partei, sondern auch die grüne Partei jetzt in unterschiedlichen Beschlusslagen – auch als offizielle Beschlusslagen der Parteien – herbeigeführt hat und die, glaube ich, inhaltlich komplett richtig ist. Deswegen: Respekt vor diesem Antrag.

Wir haben gerade am Wochenende auf dem Bundeskonvent der SPD dazu eine Beschlussfassung herbeigeführt. Deswegen ist es besonders geschickt, diesen Antrag in dieser Woche zu stellen, weil Sie genau wissen, dass wir ihn ablehnen werden,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was? Warum?)

und zwar nicht, weil er von Ihnen kommt, sondern weil man auch politische Realitäten anerkennen muss.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

Wir haben in diesem Haus momentan eine Koalition, die sich nicht darauf einigen konnte, im finanzpolitischen Segment in diesem Bereich aktiv zu werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da klatschen meine guten Freunde von der FDP; das ist auch genau richtig so.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Die letzte Hoffnung: FDP!)

Es sieht vielleicht komisch aus – das muss man der Öffentlichkeit erklären –, dass wir inhaltlichen Forderungen nicht zustimmen, die wir eigentlich gut finden; aber: Wir sind in einer Koalition; wir haben Vereinbarungen getroffen. Man kann ein Land nicht auf Zuruf regieren. Man muss sich gegenseitig das Vertrauen versichern, man muss sich gegenseitig der Zustimmung versichern. Die FDP stimmt unserem Bürgergeld zu, die FDP stimmt unserer Mindestlohnerhöhung zu,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Schlimm genug!)

die FDP stimmt unserer Wohngeldreform zu. Das ist viel abverlangt. Das heißt, im Gegenzug müssen wir auch unsere Versprechen einhalten, dass wir uns finanzpolitisch auf das fokussieren, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Da gibt es noch eine Menge zu tun, was wir gemeinsam vorhaben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dennoch möchte ich noch mal unterstreichen, warum dieses Thema besonders wichtig ist. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie vielleicht Ihre Russland-Avancen und so manche außenpolitische Äußerung hier unterlassen könnten; denn dann könnten wir vielleicht irgendwann auch wirklich zu politischen Mehrheiten in diesem Parlament kommen und nicht nur zu gesellschaftlichen Mehrheiten, die es für dieses Thema gibt.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Oh! Jetzt wird es aber gefährlich!)

Dann würde es möglicherweise auch eine politische Mehrheit dafür geben.

Die Ungleichheit der Vermögen in diesem Land ist so hoch wie noch nie. Es gibt einen Wert, der besonders interessant ist, das ist der sogenannte Gini-Koeffizient. Er geht von null bis eins. Bei null nimmt er an, dass alle Menschen in diesem Land das gleiche Vermögen haben. Bei eins hat einer alles. In Deutschland haben wir momentan einen Gini-Koeffizienten von 0,82. Das ist ein extrem hoher Wert. Das ist nicht nur ein extrem hoher Wert; das ist der dritthöchste Wert von allen OECD-Staaten. Wir sind dabei weit über den Werten zum Beispiel von Frankreich, Belgien und anderen Ländern; die haben alle einen Koeffizienten um die 0,6. Das kann man auch alles noch mal nachlesen.

Das hat den Grund, dass wir in Deutschland Vermögen und Erbschaften so gut wie gar nicht besteuern. Der Anteil der Substanzsteuern an unserem Gesamtsteueraufkommen liegt bei 2 Prozent. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 5 Prozent. Ein Land wie Frankreich hat einen Anteil der vermögensbezogenen Steuern von knapp 10 Prozent; sogar in Großbritannien sind 13 Prozent des Gesamtsteueraufkommens vermögensbezogen. Das heißt, vor uns liegt noch ein ordentlicher Weg, den wir gemeinsam gehen müssen. Denn es besteht der dringende Bedarf, diese Ungleichheit abzubauen, die großen Vermögen abzuschöpfen und für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu sorgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn König [AfD]: Immer in Richtung höherer Steuern!)

Dafür wird sich auch die Sozialdemokratie einsetzen; denn – Herr Görke hat es eben schon erwähnt – wir haben große Herausforderungen zu finanzieren, die größten Krisen überhaupt. Man muss sich nur die Entlastungspakete anschauen, die wir hier geschnürt haben. Wir können uns nicht darauf einigen, wie wir die Einnahmen stärken. Wir haben jetzt ein Gutachten vom Sachverständigenrat der Bundesregierung vorliegen, worin ein Ansatz formuliert ist. Aber wir gehen immer noch nicht an das ran, was wirklich Geld bringen würde, und das sind die Vermögen der Millionäre und der Milliardäre. Das wäre geeignet, um unsere Krisen zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht eine letzte Bemerkung dazu. Wir, meine Fraktion, jetzt in der neuen Beschlusslage meine Partei, die grüne Partei und meine Parlamentarische Linke, die dazu im Sommer ein Gutachten geschrieben hat, werden uns weiterhin dafür einsetzen – dabei gucke ich in Richtung der FDP –, dass wir gesellschaftliche Mehrheiten und am Ende auch politische Mehrheiten für dieses Thema bekommen. Denn ich bin ganz fest davon überzeugt: Wenn man sich dieser Frage nicht widmet und sich den Argumenten verschließt, dann

(Frank Müller-Rosentritt [FDP]: … ist viel gewonnen!)

gefährdet man den sozialen Zusammenhalt in unserem Land nachhaltig, und das dürfen wir nicht riskieren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wir müssen den Antrag leider ablehnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist ja eine richtige Kuschelrunde hier! Die linke Kuschelrunde!)

Für die CDU/CSU hat nun der Kollege Christian Freiherr von Stetten das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547873
Wahlperiode 20
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre
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