10.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 20

Sebastian HartmannSPD - Änderung des Europawahlgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wieder an der Zeit, mehr Demokratie zu wagen. Es war ein großartiger Erfolg, als Bundeskanzler Willy Brandt, direkt folgend aus seiner damaligen Regierungserklärung, die unter dem Titel „Mehr Demokratie wagen“ stand, es 1970 geschafft hat, eine große Mehrheit im Deutschen Bundestag, nämlich auch die Stimmen der Opposition, zu organisieren, um eine verfassungsändernde Mehrheit für die Absenkung des Wahlalters bei der Bundestagswahl auf 18 Jahre herzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Heute, meine Damen und Herren, gehen wir den nächsten Schritt: Über 52 Jahre, nachdem wir das Wahlalter auf der Bundesebene auf 18 Jahre festgelegt haben, senken wir das Wahlalter bei Europawahlen auf 16 Jahre. Das ist ein hervorragender Schritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

In der Zwischenzeit haben sich unser Land und unsere Gesellschaft gewandelt. Unser Land ist eine erfolgreiche Republik geworden, und wir haben viel erreicht. Aber im Rahmen des demografischen Wandels hat sich auch die Stimmmacht älterer Wählerinnen und Wähler verstärkt. Wenn wir beachten, dass das durchschnittliche Wahlalter auch davon beeinflusst wird, dass heute immer mehr Menschen in diesem Land immer älter werden – ein großer Erfolg –, zeigt sich, dass auch die junge Generation ihre Stimme braucht.

Auch die Gegenargumente, die wir in der Wahlrechtskommission vernommen haben, sind schon damals formuliert worden. Es war von der mangelnden Einsichtsfähigkeit und der fehlenden Reife die Rede. Meine Damen und Herren, wenn sich junge Menschen in diesem Land dafür einsetzen, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird, wenn sie Verfassungsbeschwerden anstrengen, wenn Petitionen eingereicht werden, dann zeigt die junge Generation: Wir wollen mehr Demokratie! Wir wollen stärker beteiligt werden! – Heute wird die Ampelkoalition diesen Schritt gehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Ablehnenden sollten ihre Argumente heute vielleicht noch einmal überdenken. Ich richte mich ausdrücklich an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Geben Sie sich einen Ruck! Selbst in Koalitionsverträgen der schwarz-grünen Koalitionen senken Sie das Wahlalter bei Landtagswahlen von 18 auf 16 Jahre ab. Es ist doch ein Wertungswiderspruch, wenn Sie das gerade an dieser Stelle, auf der Ebene des Bundes, für das Wahlalter bei Europawahlen verweigern.

(Zuruf des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Geben Sie sich einen Ruck! Dann können wir nämlich den Weg frei machen, um das zu erreichen, was wir auch wollen, nämlich das Wahlalter für die Bundestagswahlen ebenfalls auf 16 Jahre abzusenken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir geben der jungen Generation die Möglichkeit, zu entscheiden. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat von der intertemporalen Freiheitssicherung gesprochen, wenn es darum geht, zum Beispiel Klimaschutz voranzubringen. Die Art und Weise, sich einzubringen, sich zu beteiligen, ist so mächtig, dass wir auch hier einem Leitsatz folgen, den ich in Anlehnung an Willy Brandt formuliere: Mehr Mitbestimmung bedeutet auch mehr Mitverantwortung. – Warum verweigern wir denjenigen, die von den Entscheidungen, die wir heute fällen, am längsten betroffen sind, die Entscheidung darüber, wie Parlamente wie das Europaparlament zusammengesetzt sind? Es ist ein Widerspruch in sich, genau hier den Ausschluss zu formulieren.

Darum haben wir als Ampelkoalition das sowohl in der Wahlrechtskommission als auch im Innenausschuss ausführlich diskutiert. Heute beraten wir unseren Gesetzentwurf hier im Plenum abschließend.

Es ist wahrhaft so: Das soll der Ausgangspunkt sein, um auch über die Bundestagswahlen zu sprechen. Aber es ist nicht Mittel zum Zweck; denn auch das Europäische Parlament hat in einer Entschließung klar formuliert: Wir wollen, „dass das Mindestwahlalter … 16 Jahre“ beträgt. Das ist den Mitgliedstaaten eröffnet worden; es ist nicht ausgeschlossen worden. Im Gegenteil: Die Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament haben gesagt: Mehr Europa wagen bedeutet, mehr Menschen die Beteiligung an den Wahlen zum Europaparlament zu ermöglichen. – Das tun wir heute, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Valentin Abel [FDP])

Diejenigen, die sagen: „Es gibt genügend Möglichkeiten, sich einzubringen, zum Beispiel auf Demonstrationen, bei Petitionen, in Gesprächen bei Abgeordneten oder indem man im Netz irgendeine Initiative startet usw. usf.“, frage ich: Ist es dann nicht ein Widerspruch, dass man schon mit 16 Jahren Mitglied einer Partei – bei der SPD geht das schon im jüngeren Alter von 14 Jahren – und auch Vorsitzender einer Partei – das ist vielleicht für Friedrich Merz als Vorsitzendem der CDU unvorstellbar – werden kann? Die jungen Menschen haben die Möglichkeit, sich in Parteien einzubringen. Ich werbe natürlich für den Eintritt in die SPD, meine Damen und Herren, das soll hier keinen falschen Zungenschlag haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Der Applaus in der Ampel konzentriert sich jetzt auf die SPD.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echte Fans!)

Aber es ist doch ein Widerspruch, dass wir einerseits die Beteiligungsmöglichkeit in den Parteien eröffnen, andererseits aber gerade denjenigen, die sich in Parteien auch in allen Ämtern und Funktionen engagieren können, verwehren, die Parlamente zu wählen. Auch hier gibt es einen Wertungswiderspruch. Wir werden nachher vermutlich von der Opposition die üblichen Gegenargumente hören. Diese sind aber nicht stichhaltig.

Deswegen: Nach den Beratungen und nach der Sachverständigenanhörung,

(Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

in der eine einhellige Meinung weit über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg herrschte, und mit der klaren Botschaft aus der Zivilgesellschaft – –

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist doch überhaupt nicht richtig! Wahnsinn! Also jetzt wird’s aber bunt, Kollege! Jetzt wird’s bunt!)

– Alexander, du weißt genau, wie es ist, und deswegen könnt ihr von der CDU/CSU auch dem Spruch Adenauers folgen, der sinngemäß lautet: „Es ist niemand daran gehindert, klüger zu werden“, und heute Abend für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre stimmen.

Die SPD ist klar dafür; die Ampel hat sich verständigt. Wir haben die Argumente auf unserer Seite. Wir sind uns sicher, dass in diesem Land demnächst 1,4 Millionen zusätzliche Wahlberechtigte das Europaparlament wählen sollen. Wir senken das Wahlalter ab; darum geht es.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Einen schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir. Ich grüße auch die Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen.

Wir führen die Debatte fort, und der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Ansgar Heveling.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547981
Wahlperiode 20
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Änderung des Europawahlgesetzes
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